Thema:
Elternhaus war top, Schule hingegen... flat
Autor: Iceman346
Datum:27.03.23 09:50
Antwort auf:Wie war Euer Elternhaus? von Bomber

Ich bin Jahrgang 82, meine Eltern sind beides Gymnasiallehrer gewesen. Mein Vater für Physik und Technik, meine Mutter für Mathe und Biologie.

Mein Vater ist ein eher verschlossener, introvertierter Typ, für das Emotionale war immer meine Mutter verantwortlich. Mein Vater ist eher der Macher/Werkler der froh ist wenn er was mit den Händen reparieren kann. Gefühle zeigen ist bei ihm nicht so.

Das hat sich mit meiner Mutter aber relativ gut ausgeglichen. Ich empfinde sie als sehr verständnisvolle und empathiereiche Person.

Beide meine Eltern haben immer alles so gehandhabt, dass man Scheiße bauen darf, aber drüber reden sollte. Meinem Bruder und mir wurde versucht alles zu ermöglichen.
Ich selbst habe z.B. zwei Studiengänge in den Sand gesetzt und dann eine Ausbildung gemacht. Ich gehe davon aus, dass meine Eltern enttäuscht waren, aber ich wurde immer in meinen Entscheidungen unterstützt und konnte immer um Hilfe fragen.

Die Schulzeit war für mich dagegen der deutliche Gegensatz. Ich bin selbst auch ein introvertierter Mensch, als Kind/Jugendlicher noch deutlich mehr als jetzt. Dazu war ich immer etwas übergewichtig und unsportlich, habe nerdige Hobbies, kann mit Parties nichts anfangen und habe einen nicht-mainstreamigen Musikgeschmack.

Das Ergebnis daraus war, dass ich quasi in meiner gesamten Schulzeit Mobbingopfer war. Das ging in der Grundschule los, war da aber noch vergleichsweise harmlos. Auf dem Gymnasium zog sich das durch fast die gesamte Unter- und Mittelstufe. In der Oberstufe ebbte es dann langsam ab.
Physische Gewalt war dabei eher selten, irgendwelche Psychospielchen gab es dagegen fast täglich. Das ging hin bis zu Situationen wo Leute mit denen ich mich eigentlich regelmäßig getroffen hatte, die ich als Freund wahrnahm von einem auf den anderen Tag nichts mehr mit mir zu tun haben wollten und sich bei den Mobbern einreihten.

Aus Scham habe ich das immer versucht vor meinen Eltern zu verbergen und ihnen eigentlich erst Jahre nach der Schule erzählt wie ich das empfunden habe. Auch mein weiteres Erwachsenwerden wurde, nach meinem Empfinden, stark davon geprägt. Ich habe mit ehemaligen Mitschülern quasi nichts zu tun, habe mich jahrelang extrem schwer damit getan neuen Bekanntschaften zu vertrauen bzw. Freundschaften aufzubauen und ein guter Teil meines aktuellen Freundeskreises stammt aus der Stufe meines (2 Jahre jüngeren) Bruders, der das Problem zum Glück scheinbar nicht so hatte.

Um zurück zu deiner Frage zu kommen: Ich hatte bei mir das Gefühl, dass das Elternhaus quasi die Basis war wodurch es mir möglich war die Schulzeit zu "überstehen". Deine Prämisse muss aber darum nicht falsch sein. Natürlich ist das Elternhaus ein sehr prägender Bestandteil einer jeden Entwicklung, muss aber nicht die einzige Ursache sein oder überhaupt die Ursache sein.


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