Thema:
Durchwachsen flat
Autor: Zinkhal
Datum:21.03.23 12:59
Antwort auf:Wie war Euer Elternhaus? von Bomber

Vater war jahrelang arbeitslos und wir haben Aufstockung zur Sozialhilfe bekommen. Meine Mutter hat zwar immer als Krankenschwester gearbeitet und sukzessive die Stunden erhöht, aber das Geld reichte für vier Personen dennoch nicht. Es war finanziell immer ein Ritt auf der Rasierklinge. Ich meine sogar, dass die Aufstockung lediglich 150 DM betrug. Für meine Mutter kam es aber nie in Frage, den Job hinzuwerfen, obwohl wir uns finanziell nicht schlechter gestellt hätten.

Durch die finanziellen Problemen wurde auch die anderen Probleme verstärkt. Vater hat zumindest eine Zeit lang recht viel getrunken (ein Problem der ganzen Familie väterlicher Seite) und ist generell jähzornig. Als Kind konnte man sich dagegen aber nicht so gut wehren wie heute. Heute maule ich ihn einfach an, wenn es mir zu viel wird, oder er meine Mutter mal wieder völlig unbegründet zu Schnecke macht und das Thema ist (vorerst) erledigt. Schläge gab es in der Vergangenheit auch. Nach meinem Wissen heute aber nicht mehr. Wenn ich das aber doch mal mitbekommen würde, würde ich ihm ohne zu zögern ein paar ballern. Ich hoffe, dass in dieser Situation jemand anwesend ist, der mich zügelt.

Meine Eltern standen auch damals kurz vor der Scheidung und haben es mit einer Familientherapie (soweit) in den Griff bekommen. Dennoch ist die Situation für meine Mutter bis heute nicht leicht und ich könnte verstehen, wenn sie jetzt selbst mit 70 den Schlussstrich unter die Ehe setzt. Dies wird sie aufgrund ihrer mitfühlenden Art aber niemals machen. Meine Mutter hat ihre Interessen immer für die der anderen Familienmitglieder geopfert. Und so wird es auch in Bezug auf meiner Vater weitergehen. Es wird immer nur das gemacht, was ihm genehm ist. Was meine Mutter will, interessiert ihn nicht bzw. ist er unfähig dies zu erkennen. Bestes Beispiel war zuletzt, als wir die Eigentumswohnung meiner Freundin meinen Eltern angeboten haben. Gute Lage, deutlich weniger Treppen (Vater ist extrem kurzatmig), eigener Garten und Garage, preislich identisch zur jetzigen Wohnung (wir hätten das bezuschusst). Muttern war durchaus angetan, aber der sture Bock wollte partout nicht umziehen. Auf meinen Einwand, dass er eventuell in zwei bis drei Jahren die Treppe zur jetzigen Wohnung nicht mehr hochkommt, meinte er nur, dann ist das halt so. Klar, Mama kann dich ja pflegen...

Ich bin froh, dass die Zeit vorbei ist und ich auf eigenen Füßen stehe und in keiner Weise mehr auf meine Eltern angewiesen bin. Man trifft sich zu den üblichen Familienfesten und kommt soweit ganz gut klar, aber für eine ganz innige Familienbeziehung wird es nicht mehr reichen. Dafür ist zu viel zwischen den oben genannten Punkten passiert.

Die Lehre und Motivation für mich war, dass ich es besser machen will. Nicht nur finanziell, sondern auch, wie ich mir den Umgang untereinander vorstelle. Auch wenn ich die jähzornige Art von meinem Vater durchaus geerbt habe und mal laut werden kann, habe ich dies deutlich besser im Griff. Immer wenn die Stimmung kippt, kommt mir mein Vater ins Gedächtnis und der Gedanke, dass ich nicht so sein will. Insofern war mein Elternhaus schwierig, hat mich aber zu dem Mensch werden lassen, der ich heute bin. Ich habe eine große Bandbreite an diversen Phasen mitbekommen. Trotz der vielen negativen Punkte, gab es auch durchaus schöne Zeiten. Warum Zeit und Energie auf die ganzen schlechten Aspekte vergeuden, wenn man doch jeden Tag eine schöne Zeit haben kann? So versuche ich es heute und fahre damit ganz gut.


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