Thema:
Re:Zu kurz gedacht flat
Autor: token
Datum:19.05.22 14:37
Antwort auf:Re:Zu kurz gedacht von thestraightedge

>Ja, aber viele Dinge sind gerade einen Wimpernschlag alt. Higgs-Boson, schwarze Löcher in der Milchstraße, dunkle Materie - Token sagt, viel ist auserforscht. Ja, das gilt für den Lebensraum des Sperbers im Sauerland. Aber nicht für die fundamentalen Dinge der Wissenschaft. Da purzeln irre Erkenntnisse im Millisekunden-Takt der Menschheitsgeschichte rein.
>

Eben nicht, und das ist der springende Punkt.
Worum geht's?

Wir bauen Modelle die versuchen die Wirklichkeit zu beschreiben.
Hat man diese Wirklichkeit in ein abstraktes Modell gepackt, dann kann man innerhalb dieses Modells Dinge über die Wirklichkeit herausfinden die man in der Wirklichkeit noch gar nicht gefunden hat. Oder Vorhersagen zur Wirklichkeit machen und dann kucken, ist das was ich vorher ausgerechnet habe auch das was passiert.
Wenn ja, härtet es das Modell, man ist auf der richtigen Spur.
Wenn nein, gibt es entweder einen fundamentalen Fehler im Modell oder es ist nicht ausreichend präzise, und man muss das Modell nachschärfen.

Als Beispiel Newton.
Hat man mit Newton gerechnet und hier mal einen Ball geworfen und das alles gemessen, hat man gesehen, astrein, Newton, du geile Sau!
Aber sobald man Richtung Himmel und auf die Himmelskörper geschaut hat gab es ein Problem, die haben was anderes gemacht, als das was sie laut Newton hätten machen sollen.

Wichtig hierbei ist, Newton liegt offenbar nicht grundsätzlich falsch, in bestimmten Räumen funktioniert Newton. Und entsprechend kannst du halt auch heute noch sagen, ich rechne bestimmte Dinge mit einem Modell aus von dem ich weiß dass dieses Modell nicht ganz korrekt ist, wo ich aber auch weiß dass im Kontext der Berechnung die Unschärfe durch den Fehler im Modell quasi Null ist, und die Berechnung einfach einfacher ist. Das was vorher richtig war, wird ja nicht falsch, weil es was besseres gibt das die Realität der Dinge besser abbildet.

Und die Erkenntnisse die du ansprichst, das sind keine Entdeckungen die unsere gängigen Modelle auf links drehen, sondern im Gegenteil Vorhersagen der schon recht betagten Modelle immer weiter und weiter und weiter bestätigen.

Wenn also so ein Meilenstein kommt wie etwa "Nachweisliche Messung von Gravitationswellen" dann sind alle aus dem Häuschen, aber nicht deswegen weil man überrascht ist dass es diese Wellen gibt, sondern weil das Modell diese vorhergesagt hat, und man dachte, Alter Falter, das ist wohl eine Aussage die wir wohl hinnehmen müssen ohne sie je beweisen und messen zu können, weil die Ingenieurskunst die es braucht, um das zu messen, wie soll das gehen.
Das gleiche gilt ähnlich für Higgs-Boson oder schwarze Löcher, es sind Bestätigungen der Modelle, sie härten sie.

Und dass man dann teilweise solche Dinge wo man dachte das kriegen wir nicht hin doch beweisen und finden kann ist krassomat. Aber im Grunde erfolgt ja unser Pessimismus eben aus genau diesen Modellen und Beobachtungen des Universums, wo wir sehen dass wir nichts sehen, und wo uns diese Modelle sehr naheliegende Erklärungen liefern, warum das so ist.

Und darum geht es, dass die Dinge die wir verstanden, gemessen, bewiesen und beobachtet haben von Tag zu Tag angebrachten Pessismus für Intergalactic Intergalactic härten. Die Science-News sind keine Erkenntnisgewinne die neue Dinge möglich machen, sondern Bestätigungen, die den Raum für Fantasie weiter abschnüren.

Und was wir verstanden und bewiesen haben wird dann auch nicht falsch werden, wenn es doch noch zu einem besseren Modell kommt, wo es ja auch einen Elefanten im Raum gibt, nämlich kein Modell zu haben was die großen und die kleinsten Dinge gemeinsam beschreibt, sondern wir dafür mit zwei unterschiedlichen Modellen arbeiten und diese je nach Kontext anwenden. Nichtsdestotrotz sind beide Modelle für sich betrachtet erfolgreich und verdammt treffsicher.


Das Unverstandene wo sich Thesen teils auch in Räume flüchten von denen man ausgeht dass man deren Erkenntnishorizont nicht überwinden wird können, wie "was passiert in schwarzen Löchern", halte ich für gutes Entertainment was ja auch mir Spaß macht, aber eben nicht mehr als das.

Wenn man das zu ernst nimmt, dann ist IMO eher der Wunsch der Vater des Gedankens der das ausblendet was wir halt schon wissen, und wo wir wissen, das ist nicht grundsätzlich falsch, sondern bestenfalls unvollständig.

Und wenn es um gedanklich philosophisches Schwurbeln geht, halte ich eher fundamentale Fragen wie, "Haben wir Mathematik entdeckt oder erfunden" für interessanter und bedeutsamer, da mag ich bspw. vor allem "Closer to Truth", wo die großen Denker hinter den Thesen auch mal mit ihrer Meinung und persönlichen Ansichten zu Wort kommen, und hierbei auch Theologen eine Stimme haben, aus der Ecke kommen nämlich auch ziemlich befruchtende Gedankenspiele.
[https://www.youtube.com/channel/UCl9StMQ79LtEvlrskzjoYbQ]

Persönlich glaube ich auch, die größten Fortschrittspotenziale haben wir aktuell nicht dort wo wir in der Physik noch zu stopfende Lücken sehen, sondern in der Vernetzung bereits gewonnener Erkenntnisse unterschiedlichster Wissenschaftszweige. Ich glaube da liegt noch am ehesten eine Menge an möglichen Erkenntnisgewinnen mit Fortschrittspotenzialen brach.


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