Thema:
Re:Addendum flat
Autor: _bla_
Datum:09.01.21 14:27
Antwort auf:Addendum von Atlan

>>Ich verstehe es als eine Ablenkungsstrategie:
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>>Amerika zu China: Warum behandelt ihr die Uiguren so schlecht?
>>
>>China: Wir behandeln sie schlecht? Und was mit den mexikanischen Kindern an eurer Grenze, die von ihren Eltern getrennt werden?
>>
>>Amerika weist auf einen Missstand hin, den China nicht adressiert, sondern die Aufmerksamkeit auf ein ähnliches oder ebenfalls moralisch verwerfliches Vorkommnis legt. Dass China Uiguiren misshandelt ist natürlich wahr und einer Erklärung bedürftig unabhängig davon, ob die Motivation des Fragestellers möglicherweise heuchlerischer Natur ist.
>
>Noch konkret auf dein Beispiel eingegangen:
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>Der Vorwurf an China wäre vollkommen berechtigt, wenn er von neutraler Stelle käme. Aber natürlich auch nur, wenn diese neutrale Stelle die USA für ähnliches genau so hart kritisiert. Sonst würden Doppelstandards herrschen und nicht mehr das Recht.


Auch von nicht neutraler Stelle ist der Vorwurf berechtigt, denn trifft in seinem Kern ja zu. Doppelstandards sind zwar nicht toll, aber im Vergleich zu vielen anderen Sachen, doch eine vergleichsweise kleine Verfehlung. Auch wenn man also davon ausgeht, das zunächst die schlimmsten Probleme gelöst werden müssen und es daher berechtigt ist, zunächst auf andere, schlimmere, ebenfalls ungelöste Probleme zu verweisen, kommt es doch kaum in Frage sich zunächst mit Doppelstandards zu beschäftigen, bevor man wesentlich schlimmere Probleme löst.


>Der Vorwurf der USA an China muss hingegen ignoriert werden bzw. zumindest sehr abwägend in größeren Kontext gesetzt werden, weil bei vergleichenden Analysen herauskäme, dass er wahrscheinlich nicht aus Menschenliebe, sondern aus rein machtstrategischen und wirtschaftlichen Motiven heraus gegenüber China gemacht wird.

Auch wenn die Motive für die Kritik unehrlich sind, muss man sich doch trotzdem fragen, ob die Kritik im Kern nicht berechtigt ist. Zudem man sich ebenso die Frage stellen muss, ob es nicht viele wirtschaftliche Motive gibt, die dazu führen, das die Vorwürfe nicht die Priorität geniesen, die sie eigentlich haben sollten. Hätten viele andere Staaten bei ähnlichem Verhalten nicht vielleicht längst umfangreiche Sanktionsmaßnahmen auf sich gezogen?

>Stellen wir uns zum Beispiel einen Konservativen vor, der Kriege und Folter befürwortet, Abtreibung hingegen für menschenverachtend hält. Hier käme von Abtreibungs-Befürwortern dann selbstverständlich ein Verweis auf seine Heuchelei und dass seine Einstellung, Embryonen für schützenswertes Leben zu halten und andererseits tausende Erwachsene für wirtschaftliche Interessen zu killen, nicht ganz zusammenpasst.

Dein Beispiel kann ich jetzt nicht so ganz nachvollziehen. Es gäbe doch viele Möglichkeiten warum der Konservative Kriege und Folter befürwortet, ohne das er gleichzeitig auch befürworten muss Erwachsene für wirtschaftliche Interessen zu töten. Der Konservative könnte bspw. argumentieren, das er Kriege und Folter ausschließlich bei schweren Verletzungen der Menschenrechten befürwortet und das er davon ausgeht, das durch seine Politik insgesamt weniger Menschen sterben.

Und das Argument mit der Heuchelei scheint mir auch sonst nicht so ganz plausibel. Was wenn es nicht um das Töten von Embryonen sondern um das Töten von Behinderten, Kranken oder Alten ginge? Müsste sich dort nach deinen Standards der Kriegsbefürworter nicht auch Heuchelei vorwerfen lassen? "Wie kannst du etwas gegen unsere Soylent Green Fabrik haben? Du warst doch schließlich für den Irakkrieg und fandest das Verhalten des Polizeipräsidenten bei der Metzler-Entführung richtig."

Das Argument muss schon zielgenauer sein. Der Konservative müsste sich bspw. fragen lassen, warum er von der potentiellen Mutter ein großes körperliches Opfer erwartet, um ein Menschenleben zu retten, während er selbst schon kleinere finanzielle Opfer ablehnt, obwohl man damit leicht viele Menschenleben gerettet werden könnten. Oder noch näher dran: Ob er eigentlich eine Pflicht zur Blut- und Knochenmarkspende befürwortet.


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