Thema:
Addendum flat
Autor: Atlan
Datum:09.01.21 00:44
Antwort auf:Re:Whataboutism von Faerun

>Ich verstehe es als eine Ablenkungsstrategie:
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>Amerika zu China: Warum behandelt ihr die Uiguren so schlecht?
>
>China: Wir behandeln sie schlecht? Und was mit den mexikanischen Kindern an eurer Grenze, die von ihren Eltern getrennt werden?
>
>Amerika weist auf einen Missstand hin, den China nicht adressiert, sondern die Aufmerksamkeit auf ein ähnliches oder ebenfalls moralisch verwerfliches Vorkommnis legt. Dass China Uiguiren misshandelt ist natürlich wahr und einer Erklärung bedürftig unabhängig davon, ob die Motivation des Fragestellers möglicherweise heuchlerischer Natur ist.


Noch konkret auf dein Beispiel eingegangen:

Der Vorwurf an China wäre vollkommen berechtigt, wenn er von neutraler Stelle käme. Aber natürlich auch nur, wenn diese neutrale Stelle die USA für ähnliches genau so hart kritisiert. Sonst würden Doppelstandards herrschen und nicht mehr das Recht.

Der Vorwurf der USA an China muss hingegen ignoriert werden bzw. zumindest sehr abwägend in größeren Kontext gesetzt werden, weil bei vergleichenden Analysen herauskäme, dass er wahrscheinlich nicht aus Menschenliebe, sondern aus rein machtstrategischen und wirtschaftlichen Motiven heraus gegenüber China gemacht wird. Und man sich somit zum Erfüllungsgehilfen der machpolitischen Motive einer Partei macht (der USA), wenn man einfach blind und ohne Relation auf ihre Vorwürfe anspringt und sich auf ihren Gegner stürzt.

Sollte ja auch klar sein. Denn sonst kann ja umgekehrt auch irgendein Schurkenstaat ankommen und auf menschenrechtliche Fehlverhalten unsererseits hinweisen. Und wir müssten dem knallhart und mit Scheuklappen nachgehen und könnten erwidernd den Schurkenstaat lange Zeit nicht mehr kritisieren - denn dann würden wir ja Whataboutismus betreiben. ;)

Sowas führt natürlich oft in moralische Zwickmühlen. Aber anders funktioniert (internationales) Recht nun mal nicht.

EDIT:

Und noch was. Whataboutismus ist immer relativ. Was für den einen ein berechtigter Einwand ist, ist für den anderen Whataboutismus. Und umgekehrt. Je nachdem, wie es in die Argumentation passt oder eben nicht.

Stellen wir uns zum Beispiel einen Konservativen vor, der Kriege und Folter befürwortet, Abtreibung hingegen für menschenverachtend hält. Hier käme von Abtreibungs-Befürwortern dann selbstverständlich ein Verweis auf seine Heuchelei und dass seine Einstellung, Embryonen für schützenswertes Leben zu halten und andererseits tausende Erwachsene für wirtschaftliche Interessen zu killen, nicht ganz zusammenpasst. Er würde das dann aber sofort billigen Whataboutismus nennen, weil Abtreibung und Kriege ja nun nicht viel miteinander zu tun haben und es ja um komplett andere Sachen geht, der Befürworter ja gar nicht auf seine Argumente gegen Abtreibung eingegangen ist, blabla. Wer hat Recht?


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