Thema:
Re:„Nichtstun belohnen“ flat
Autor: Karotte
Datum:24.08.20 10:12
Antwort auf:Re:„Nichtstun belohnen“ von Matze

>>„Hey, also eigentlich könnte ich auch weniger arbeiten, ich habe ja offensichtlich überschüssiges Geld, mit dem ich mir Zeug gönne, das strenggenommen Luxus ist“ ?
>>Nicht einer.
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>Bei dem Rest stimme ich Dir zu aber da scheint Dein Bekanntenkreis doch die Ausnahme zu sein. Work-Life-Balance ist doch schon seit Jahren überall DAS Thema. Man sieht es ja auch hier im Forum. Wer es sich irgendwie leisten kann, reduziert seine Arbeitszeit nach Möglichkeit.
>
>In meinem Freundes-/Bekanntenkreis bin ich praktisch der einzige, der noch Vollzeit arbeitet. 40 Stunden erst recht, die macht keine Sau mehr. Zwei meiner Freunde sind Profs und kommen und gehen eh wie sie lustig sind. Eine Freundin macht schon seit drei Arbeitgebern nur noch 90%-Verträge und hat dadurch jeden zweiten Freitag frei. Ihr Lebensgefährte (Ingenieur bei einem großen Unternehmen) hat zumindest die Arbeit am Standort Köln, die ihn durch die Fahrerei aus dem Ruhrgebiet inkl. Staus unendlich viele Stunden gekostet hat, abgelehnt und jetzt viel mehr Freizeit als früher. Meine Arbeitskollegin macht seit diesem Jahr nur noch Vier-Tage-Woche, wodurch ich Freitags immer alleine bin. Meine Frau ist ebenfalls seit Mai auf vier Tage. Und so weiter.
>
>Dass jemand mehr arbeitet, der es nicht unbedingt muss, habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gehört.


Aber ist die Frage nicht auch hier, was genau „mehr arbeiten, als man unbedingt muss“ bedeutet? Mal auf die Spitze getrieben: Müssen diese Leute alle so viel arbeiten, damit sie (und evtl. ihre Kids) etwas zu beißen haben, oder geht es letztlich „nur“ darum, einen gewissen Lebensstandard nicht unterschreiten zu wollen? Das meine ich jetzt absolut nicht wertend oder in dem Sinne, dass ich entscheide, was für diese Menschen wichtig zu sein hat und was nur „dummer Luxus“ ist.

Mein Punkt ist: Würden 1.200 Euro vom Staat dazu führen, dass sie alles hinschmeißen, den lange erkämpften Lebensstandard einfach in den Wind schießen? Oder würden sie einfach nur weniger (und vermutlich entspannter) arbeiten, also weiterhin im traditionellen Sinne „produktiv“ sein? Der Ansporn dazu kann alles mögliche sein. Dass man den Job an sich geil findet, dass man gerne verreist, teuren/exotischen Shit sammelt, das Gefühl hat, dass eine gewisse terminliche Verbindlichkeit/Leistungsdruck nicht verkehrt ist (s. die ganzen Leute, die mit der Rente in ein tiefes Loch stürzen)...

Ich denke, dass dieses „BGE=alle faul“ eine viel zu simple Gleichung ist, die aus meiner Sicht nicht rational, sondern eher das Produkt jahrzehntelanger ideologischer Indoktrination ist. Insofern sehe ich das BGE nicht nur aus rein materieller Sicht als sinnvollen (im Zuge technologischer Revolution evtl. gar unausweichlichen) Schritt, sondern auch Chance für ein weltanschauliches Level Up unserer Gesellschaft.


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