Thema:
Re:Selbstverständnis von Linken und Rechten flat
Autor: Telemesse
Datum:21.06.20 21:15
Antwort auf:Selbstverständnis von Linken und Rechten von Xtant

>Warum geben Linke im Allgemeinen offen - wenn nicht sogar gerne - zu, dass sie Links sind, während die typischen Neurechten Neokonservativen offensichtlich größte Probleme damit haben, (sich) ihre Gesinnung einzugestehen?
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>Ich finde das oft einfach nur verlogen. Das ist umso ätzender, weil ein nicht geringer Teil des Tagespensums eines Neurechten darin besteht, andere der Verlogenheit zu bezichtigen. Das hat immer ein bisschen was vom alten Geisterfahrer-Witz. Aber ein Geisterfahrer ist ja auch nur jemand, dessen abweichende Meinung zur Fahrrichtung von Autobahnen nicht akzeptiert wird.
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Naja. Links sein ist zur Zeit „en vogue“ und deren Gutanten wähnen sich selbst auf der moralisch, intellektuellen Überhohlspur. Da spielt es offenbar auch keine Rolle ob nur son bißchen links oder stramm links mit ACAB und allem ping, pang, pong. Da geht derzeit alles als legitim und begründete Meinungsäußerung durch ohne jegliche Konsequenz.
Selbst in turbulenten Zeiten in denen Weltweit Denkmäler vom Sockel gestoßen werden scheuen sich sich die stramm Linken nicht sich mit der Aufstellung eines Lenindenkmals komplett zu entblöden.
Von den sonst von allem zu tiefst Empörten Bereitschaftsdemonstranten alleedings fanden sich zur feierlichen Enthüllung des großen Revolutionsführers jedoch nur magere Fünfzig ein, die die Idee der Statue offenbar nicht ganz so knorke fanden. I mean, man munkelt so von bis zu 1 Million Menschen die Lenin im Zuge seiner Revolution so ermorden ließ aber hey, es war ja für ne gute Sache und Hitler war schlimmer, ne.
Als liberaler oder gar Konservativer hat man dagegen derzeit keinen guten Stand. FDP Sympathisanten sind für immer und ewig nun skrupellose AFD Supporter und ausnahmslos an der Verknechtung und Ausbeutung des Proletariats interessiert und für Unionsfreunde dürfte OK Boomer noch die liebevollste Umschmeichelung sein wenn den „Progressiven“ mal wieder die Argumente ausgegangen sind.
Auch vor Extremvergleichen wird nicht halt gemacht, ganz egal wie absurd sie auch sein mögen (Stichwort Laschet - Trump). Da die Diskussionen von Links nicht selten mit einer unschönen Aggressivität geführt werden und das verorten von gemäßigt konservativen in die stramm rechte Hecke zum Diffamierungshandwerkszeug gehören machen da Meinungsaustausche oftmals wenig Sinn und Spaß schon gleich gar nicht.
Und hier liegt imo auch das ganz große Problem der Linken. Es findet kaum noch eine Differenzierung mehr statt. Wer nicht links ist ist rechts und rechts = Nazi oder zumindest Faschosympathisant mit rassistischen Attitüden. Was imo ganz klar fehlt ist eine Solidarisierung der Mitte die eben mal nach links- und rechtsaußen klare Grenzen zieht. Und diese Mitte gibt es immer noch und das ist imo sogar die klare Mehrheit, die allerdings im öffentlichen Diskurs lieber die Schnauze hält um sich keinen Streß einzuhandeln und am Ende dann doch mit der Union sympathisiert was ja die Umfragewerte von etwa 40% auch belegen.
Bezeichnend ja auch das du in deinem Eingangsabsatz Konservativ mit Rechts gleichsetzt und dem somit direkt einen negativen Anstrich verpasst.
Ich halte es dagegen eher mit der tatsächlichen Wortherkunft conversare - erhalten. Es gibt viele gute Errungenschaften unserer Gesellschaft die es sich lohnt zu erhalten und es gibt ebensoviele Baustellen die es lohnt anzugehen und zu verbessern oder zu erneuern. Also Serva et Amplio. D.h. ganz links steht die Revolution die alles bisherige über Bord werfen will und ganz Rechts steht der Gang zurück der jede Veränderung scheut (Um es mal wohlwollend zu formulieren). Auf keines der beiden Extreme habe ich Bock und deshalb hoffe ich auf ein Wiederbeleben der Mitte und eine gesunde Debatten- und Streitkutur ohne Gesinnungsverortung und Diffamierungsversuche.


>Über ein besonders schönes Beispiel bin ich diese Tage mit dem Herrn Boris Reitschuster gestolpert.
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>Dabei hat er durchaus einen seriösen Hintergrund. Umso skurriler wirken da seine teilweise höchst fremdschämigen Beiträge (das Hildmann-Video!), unabhängig vonirgndeinem Links-Rechts-Lagerdenken. Und erst recht sein geradezu verbissener Versuch, sich als "neutraler Beobachter" hinzustellen.
>[www.reitschuster.de]


Ohne da jetzt reingeschaut zu haben kann man eben feststellen das die Riege der Bekloppten wahrscheinlich gar nicht größer wird aber offensichtlich immer mehr mediale Präsenz bekommt. Befeuert natürlich durch das ganze Social Media wo eben auch der blödste seinen geistigen Dünnpfiff problemlos einem großen Publikum präsentieren kann. Deswgen vermeide ich es eigentlich auf links zu drücken wo ich schon vorher weiss das mich nur kompletter Bullshit erwartet (ausser es ist zumindest lustig). Ich weigere mich auch solche Vögel einer politischen Strömung zuzuordnen. Das sind einfach Idioten die sich gerne da aufhalten wo Ihnen auf die Schulter geklopft wird.


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