Thema:
Re:Und was ist Deine Lösung? Nix tun? -nt flat
Autor: token
Datum:15.05.20 20:36
Antwort auf:Re:Und was ist Deine Lösung? Nix tun? -nt von Atlan

Naja, diese Täter-Bühne-Argumentation ist schon so oft iteriert worden dass sie mittlerweile Baukastenformat hat, wo es im Grunde in jedem Kontext gezündet wird, wo etwas angeprangert wird, oder etwas das totgeschwiegen wird mal kurz am Schopf aus dem Sumpf gezogen wird.
Um mal beim Thema zu bleiben, es gibt jedenfalls eine bemerkenswerte Diskrepanz.
Es dürfte wohl keinen Straftatbestand geben von dem mehr Menschen betroffen sind als den hier in diversen Facetten illustrierten. Ich kenne auch selbst unglaublich viele Fälle, und da sind sicher noch sehr viel mehr, weil das ist ein Thema über das nur gesprochen wird wenn ein Vertrauensverhältnis vorliegt. Ich halte anhand der erschlagenden Vielzahl, und damit meine ich, ich kenne exakt Null Frauen die diesbezüglich nichts zu erzählen hätten wenn darauf angesprochen und man eine Form von Offenheit in der Beziehung pflegt, die Schätzung 50% noch für eher konservativ.

Dennoch wird es totgeschwiegen. Selbst ich als Mann wurde fast als Kind missbraucht, und ich bin mir sicher, hier gibt es viele Maniacs die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und diese für sich behalten, weil, nun ja, genau das ist das Problem. Und man ist es eben selbst der in so einer Lage erstmal Schuldgefühle entwickelt, in meinem Fall konnte ich das alles erst reflektieren als es verjährt war, und bis heute, obwohl der Vorfall 30 Jahre her ist und recht glimpflich ausging, frage ich mich, ob ich irgendwie schuld daran sein könnte wenn andere Menschen von dem Täter missbraucht wurden oder gar bis heute werden, was gar nicht unwahrscheinlich ist weil man damit im Regelfall unsanktioniert durchkommt. Ob das meine Schuld wäre weil ich vor Scham nichts gesagt hab. Wobei es, wenn ich was gesagt hätte, eh kaum Konsequenzen gegeben hätte.

Jetzt haben wir mal eine Situation wo es für 15 Minuten, "15 Minuten" mal angesprochen wird, etwas bei dem trotz aller medialer Sensationsheischerei so getan wird als existiere es nicht, obwohl absurd viele Menschen schon damit persönliche Erfahrungen gemacht haben.

Und so ein cleverer Mann wie du, und das meine ich komplett unironisch, sieht hier keinen Anlass ein Wort zum eigentlichen Thema zu verlieren und arbeitet sich lieber wegen einem 15-Minuten-Beitrag im gesellschaftlichen Diskussionsvakuum daran ab dass ein Maniac Hexe geschrieben hat, obwohl nach dem etwas reißerischen Header ein komplett bodenständiger und sachlicher Beitrag platziert wurde, und springt nach übertrieben pathetisch formulierter Nachdenklichkeit im vermeintlich ironischen Federkleid zu einer fulminanten Schelle über die im Grunde genau das darstellt was er einen Absatz zuvor kritisiert.

Der Beitrag als solcher mag ein tiny babystep gewesen, aber sicher keiner in die falsche Richtung. Wenn man hier mal für einen kurzen Augenblick einen Lichtkegel auf etwas wirft von dem die halbe Gesellschaft betroffen ist und das dennoch kaum thematisiert wird, dann ist die Bühnenargumentation in so einem Kontext tatsächlich ziemlich stumpf. Das soll eine Bühne sein? 15 Minuten auf Pro7? Bitch please!
Diese Argumentation mag so gestrickt sein dass sie über Ursache/Wirkung hinaus denkt, in so einem Kontext ist sie aufreizend bescheuert. Sorry, aber ich halte dieses Adjektiv für durchaus angemessen. Wo soll es denn schon mal sowas gegeben haben dass es eine Veränderung ohne Ansprache gab? Es gibt Probleme die man nicht aussitzen kann, und schon ein rebellisches Aufflackern der Ansprache als Problematik zu begreifen die problematischer und diskussionswürdiger als die dahinter stehende Botschaft dass das halt "Alltag" ist, ich sag mal so, was dich hier beschäftigt und worüber du nach eigener Aussage nachdenken möchtest macht auf eine bittere Weise äußerst transparent wie weit der Weg noch ist bis sich da mal etwas signifikant bessert.


< antworten >