Thema:
Re:The Shield angefangen flat
Autor: Felix Deutschland (deaktiviert)
Datum:22.08.19 18:02
Antwort auf:Re:The Shield angefangen von thestraightedge

>>Ääääh... nee. In Folge 8 kriegt ein Pädo-Ganglord vom Strike Team ein Branding. Ein Konflikt zwischen zwei Rapper löst Vic unbürokratisch, indem er beide über Nacht in einem Schiffscontainer einsperrt in der berechtigten Hoffnung, dass halt einer den anderen abmurkt. Die "Holding Cell" ist ein buchstäblicher Menschenkäfig mitten in der Wache, welche in betont nüchternem Realismus, ääh verzeihung brachialster, jeglichem Echtwelt-Bezug entbehrender Holzhammer-Metaphorik in einer alten Kirche untergebracht ist. In der ersten oder zweiten Folge kommt Mackey in einen Verhandlungsraum mit einem Zippo-Feuerzeug, einem Telefonbuch und noch einem Gegenstand und knipst zur Begrüßung erstmal die Überwachungskamera ab.
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>Ja, alles richtig. Aber in allen Fällen ist "Scheiße zeigen" nicht mit "Scheiße legitimieren" gleichzusetzen. V.a. zeigt der überspannende Bogen in der Serie ja, das man zwar mit Glück nicht scheitert, aber langfristig auch nicht weiterkommt. Die sind am Ende alle entweder tot, kaputt oder anderweitig am Arsch.


Das weißt du aber nicht, während du es zum ersten mal guckst. Und klar, man kann gerade das für besonders gelungen halten. Dieses extreme verzögern von "poetic justice" im eigentlichen Sinne. Mir fiel es im Verlauf der Serie zunehmend schwerer, dranzubleiben. Einige Wendungen gingen weit über meine Fähigkeit hinaus, meinen disbelief zu suspenden. Ich fand die Darstellung von Latinos als ästhetische Klone des nWo-Wolfpac-Konnan extrem ermüdend. Die niemals enden wollende Homo-Elendsporno-Plotline fand ich richtiggehend ärgerlich. Ich könnte fortfahren. Es gibt einen Bloat an Figuren. Die Streifenpolizisten-Plotlines wiederholen sich stäääändig. Der romantische Subplot zwischen Mackey und der Streifenpolizistin, lolwut. Es hat so einige "Landry just straight up killed that dude"-Momente, die dem ganzen fast was fieberwahn-artiges geben, aber nicht in dem Sinne, wie es die Show oft beabsichtigt.

>>The Shield ist typisch in seiner Ästhetik und seiner Figurenzeichnung für die frühen Nullerjahre, als es den Begriff "Edgelord" so nocht nicht gab. Alles war Nü-Metal-mäßig überstilisiert, es gab Filme wie "XXX" (Mit Vin Diesel den), wo der Held buchstäblich ein unsympathischer Hoden war. Ähnlich The Shield, dessen Protagonist auch sehr testikelhaft daherkommt und dessen Begriff von Rechtsstaatlichkeit haarsträubend ist, nur halt anders haarsträubend als bei seinen Kollegen.
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>Ja, alles richtig, die Rechtstaatlichkeit wird als am Arsch portraitiert, was sie damals vielleicht auch war oder immer noch ist. Auch hier sehe ich aber wenig Applaus dafür, weder in der Serie noch bei den Zuschauern.


Ja, aber auch keine Verurteilung oder so. Zumindest in Relation dazu, wie badass man das finden soll, und wieviel Erzählzeit die Konsequenzen einnehmen (Und man kann argumentieren, dass 100% der Zeit die Erzählung dieser Konsequenzen sind, man kann aber auch dem widersprechen). The Shield kann als eine art libertäre Phantasie davon, wie Polizeiarbeit einerseits Verwaltungsaufgaben einsparen und gleichzeitig Spaß machen kann, eingeklammert in den Spannungsbogen eines antiken Dramas, gelesen werden. Für mich ist es eine tonal viel zu inhomogene, psychologisch ausschließlich an der Oberfläche operierende Actionserie, die unter "mehrdimensionaler Figurenzeichnung" ausschließlich das reine Quälen ihrer Protagonisten versteht, was sich für mich als Zuschauer vergleichsweise schnell abnutzte.

Dazu muss ich immer den überwiegenden Anteil an Zuschauern mitdenken, die straight-up Idioten sind. Du kannst den Leuten auch die beste Fernsehserie aller Zeiten, die Sopranos, vorsetzen, und die meisten Leute, die die Show mögen, werden irgendwelche Dudes mittleren Alters sein, die Tony Soprano unironisch cool finden und auch gern mal ne Zigarre beim Gabagool-Essen schmöken würden, ne heiße osteuropäische Alte auf dem Schoß. Oder die es an Breaking Bad am coolsten fanden, was Walter White für geile Bomben und Gift-Ziggis mit seiner Chemielehrer-Experise bastelte, als wäre die Show eine etwas überdramatisierte Variante von MacGyver.

Und für die war The Shield definitiv eine nicht enden wollende Spaßparade aus Hispanics-Klatschen und High Fives mit den Bros während alle Schutzwesten und Oakleys tragen und gemeinam im Auto "Follow The Leader" von KORN hören ohne sich zu unterhalten.

>Der Vergleich mit XXX, wtf?

Lasst mir doch meinen Spaß!

>>The Shield verkauft jegliche Kredibilität, besonders in der heutigen Zeit, aber das hätte man genauso gut damals auch schon so machen können, durch den Standpunkt, dass die Cops zwar gebrochen sind, aber halt irgendwie auch trotzdem noch die Helden. Weil, die anderen, "die Bösen", "der Feind", der ist halt noch viel viel schlimmeres Gesocks; seibernde Greise die ihre Enkelinnen für Fünf Mark verkaufen und ähnlich grauzonenbefreit angelegte Sachverhalte. The Shield würde funktionieren, wenn die Cops klare Antagonisten wären.
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>Nein - ich fand genau den Spagat brilliant. Sie stehen auf der richtigen Seite, machen oft richtige Dinge - und sind dennoch verkommene Charakter.


Jo, und ich kann daraufhin ja sagen, dass die mir zu verkommen (und, noch schlimmer, deswegen auch zu langweilig) sind. Und die Show versucht ja ständig, im eigenen Interesse die Strike-Team-Leute immer noch palatable zu halten für Otto Normalzuschauer. Wenn das straight-up Bastarde wären, wäre die Show niemals auf sechs Staffeln gekommen.

>>Joa, und genau das geht ab: Ambivalenz. Ein Polizist tötet einen anderen Polizisten. Und nun? Ja, und das "Und nun?" ist quasi der narrative Motor zumindest für deren erzählerischen Bogen. Ist auch effektiv und funktioniert.
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>Ja, genau, "und nun". Dass er damit erstmal durchkommt ist doch Teil des tatsächlichen System-Problems, aber eben keine Glorifizierung.


Das nicht. Aber das was danach kommt. Dieses "Jaja, er hat einen Cop getötet, ABER...". Zumindest zu Anfang der Serie sind die Selbstlegitimierungsversuche der Erzählung ja nicht im Dienste des Serienfinales, sondern im Dienste der Zuschauerbindung, und entsprechend fadenscheinig. Selbst ich, an intellectual, muss ja das Strike Team als Bros und coole Superfreunde kaufen, weil warum sollte ich sonst wollen, dass sie nicht auffliegen? Wenn ich wollen würde, dass sie auffliegen (Weil ich sie kein Plan total verachte oder so), warum sollte ich dann bei den vielen Malen, wo sie nicht auffliegen, erzählerische Befriedigung empfinden, anstatt spätestens nach dem zweiten "Hui, gerade noch mal so davongekommen!" aufhören, weiterzugucken?

Man lässt sich da als Zuschauer entweder auf eine recht klebrige Umarmung ein, oder verliert zwangsläufig das Interesse. Man kann nicht gleichzeitig dasselbe Team anfeuern und ausbuhen.

>>>Erstaunlich ist für mich, dass die Kamera aber eben das Wirken der "schlechten" Seite portraitiert, und deren Alltag, und eben nicht vornehmlich das Wirken gegen diese schlechte Seite, wie es andere Serien machen.
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>>Was meinst du damit genau? Ich hab glaub ich den Faden verloren.
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>Na: die Serie dreht sich um kaputte Bullen und deren Wirken, nicht um das Wirken derer, die ihnen auf den Fersen sind und etwas dagegen tun - so wie eben zB teilweise bei the Wire, um ein Beispiel zu nennen. Die Kamera klebt hier an den Übeltätern und scheut sich nicht, sie auch mal als Polizisten mit Herz am rechten Fleck oder liebende Ehemänner zu zeigen.


Ah, okay. Alles klar. Sehe ich mehr oder weniger diametral gegensätzlich. Das heißt nicht, dass du das "falsch" verstehst oder so. Du hast das ja offensichtlich alles verstanden. Ich zieh da halt nicht wirklich vorbehaltsfrei dasselbe Maß an Unterhaltung aus der Show. Obwohl The Wire mit eine der ersten Serien war, die ich damals, sogar noch vor Downloaderitis, "oldschool" (lol) per DVD-Import aus England gekauft/gesammelt/konsumiert habe, würde sie es heute ziemlich sicher nichtmal in meine Top 50 schaffen.

Ich finde die "Urkatastrophe" heute in der Rückschau viel weniger brilliant als ich es damals tat, und das, obwohl sie unbestreitbar rein strukturell effektiv ist.


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