Thema:
Re:Ich mag dieses Narrativ nicht... flat
Autor: Nostra8
Datum:31.05.19 14:48
Antwort auf:Ich mag dieses Narrativ nicht... von Pezking

>...demzufolge Rechtspopulisten für ihren eigenen Aufwind gar nichts können und letztendlich nur die anderen daran schuld sind. Als wären sie unvermeidlich.
>
>Das ist IMO eine brandgefährliche Unterschätzung eben jener Kräfte und rückt bei der Analyse die eigentlichen Demokratiefeinde aus dem Fadenkreuz.
>
>Auf der einen Seite beschreibst Du hier tatsächliche existenzielle Ängste und Probleme vieler Bürgerinnen und Bürger. Auf der anderen Seite reden wir über Parteien, die irrationale Ängste schüren und gleichzeitig für die oben beschriebenen realen Ängste gar keine Lösungsvorschläge anbieten.

]

Genau hier sehe ich jedoch ein Problem, dass auch vermehrt auf eigentlich alle Parteien übertragen werden kann:

Die Altparteien betreiben alle ein Agenda-Setting, dass gefühlt nur darauf abzieht bei WAHLEN besser als die anderen zu sein. "In welchem Thema sind wir besser als die anderen, dass muss im Wahlkampf ganz oben stehen." Reale Probleme oder Ängste zu thematisieren, die vielleicht unbequem sind, macht keine Partei vordergründig oder auf der großen Bühne. Überspitzt formuliert würde ich sagen, dass der Berliner Politikzirkus verlernt hat, mit seinen Wählern auf Augenhöhe zu kommunizieren oder zu handeln. Was bewegt die Menschen und welche tatsächlichen Sorgen haben denn „die Bürger“ so überhaupt?

Gepaart mit dem Umstand, dass Wahlversprechen (oder gemein formuliert, Versprechen/Aussagen von Politikern) ungefähr den gleichen Ruf genießen, wie die von Autoherstellern veröffentlichten Verbrauchswerte, sorgen dafür, dass sich Politikverdrossenheit breit macht und ein Gefühl "die in Ihren Elfenbeintürmen geben einen Dreck auf mich/uns" entsteht.

Das menschliche ist komplett abhanden gekommen und das wird besonders dann sichtbar, wenn sich mal wieder irgendein politischer Funktionär äußert. Durch die ganzen Medientrainings ist das gesagte größtmöglich substanzlos und die immer größer werdende Distanz der Berufspolitiker zu Ihrem Wähler wird auf ein neues Mal eindrucksvoll bewiesen.

Unterm Strich sehe ich viel Wahlbewegung als den von mir schon öfters angeführten „Michal-Mooreschen Molotov-Cocktail“, der in dem vielleicht verhassten, auf jeden Fall aber total distanziertem politischen Zirkus in Berlin einfach nur größtmöglichen Schaden anrichten soll.


Elmer Gantry shows up looking like Boris Johnson and just says whatever shit he can make up to convince the masses that this is their chance! To stick to ALL of them, all who wrecked their American Dream! And now The Outsider, Donald Trump, has arrived to clean house! You don’t have to agree with him! You don’t even have to like him! He is your personal Molotov cocktail to throw right into the center of the bastards who did this to you! SEND A MESSAGE! TRUMP IS YOUR MESSENGER!

[https://michaelmoore.com/trumpwillwin/]


Abschließend soll gesagt sein, dass es auch ohne diesen Missstand Wähler für die AFD geben würde. Ich glaube aber durchaus fest daran, dass es deutlich weniger wären, die Ihr Kreuz beim vermeintlich blauen Molotov-Cocktail setzen würden.

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>Allein deshalb schon kann das eine das andere nicht hinreichend erklären.
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>Passend dazu das gestrige Interview des Spiegels mit dem Hamburger Verfassungsschutz-Chef:
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>"Voß: Wir stellen fest, dass die Mehrzahl der Täter, die Flüchtlinge attackieren, den Behörden zuvor nicht als Rechtsextremisten bekannt waren oder keinen Kontakt zu dieser Szene hatten. Diese Menschen lassen sich ganz offensichtlich von Botschaften aus dem Internet aufhetzen. Das ist eine ganz perfide Methode des Rechtsextremismus, Angriffe auszulösen, indem man virtuell Ängste schürt, Wut und Hass sät. Vor allem soziale Medien liefern die Infrastruktur für das, was wir Entgrenzung nennen.
>
>SPIEGEL ONLINE: Was verstehen Sie darunter?
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>Voß: Es handelt sich um eine Strategie von Extremisten, die Grenzen zwischen dem extremistischen und demokratischen Spektrum der Gesellschaft zu schleifen. Ich halte dies für eine der größten Bedrohungen unserer Demokratie überhaupt. Wenn es solche Ideologien schaffen, schleichend in politische Diskurse einzudringen, an relevante Debatten und populäre Themen anzuknüpfen, dann ist unsere freiheitliche demokratische Grundordnung in Gefahr.
>
>SPIEGEL ONLINE: Wie funktioniert das?
>
>Voß: Links- und Rechtsextremisten, aber auch Islamisten versuchen, breit diskutierte oder akzeptierte Themen zu besetzen. Akteure der sogenannten Neuen Rechten schlagen dabei gezielt eine Brücke zu nichtextremistischen Milieus. So entstehen Mischszenen, in denen Extremisten und Nichtextremisten gemeinsam agieren.
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>SPIEGEL ONLINE: Ist das Netz das perfekte Instrument dafür?
>
>Voß: Ja. Agitation in sozialen Medien kann eine große Außenwirkung bei geringem Ressourcenaufwand bringen. Algorithmen verstärken mitunter noch die Reichweite hochgradig emotionalisierter Propaganda-Postings. Gerade Rechtsextremisten greifen gerne auf diese Mechanismen zurück, wenn sie - wie etwa in Hamburg - nicht über genügend Mobilisierungskraft verfügen, um im öffentlichen Raum Präsenz zu zeigen."

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>[https://www.spiegel.de/politik/deutschland/extremismus-hamburger-verfassungsschutz-warnt-vor-entgrenzung-a-1269979.html]
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>Dass man mit größerem Wohlstand den Nährboden für Extremismus verringern kann, ist klar, keine Frage. Aber damit allein ist die Problematik nicht erklärt.


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