Thema:
Ich mag dieses Narrativ nicht... flat
Autor: Pezking
Datum:31.05.19 12:01
Antwort auf:Wir wären wohl kaum da, wo wir heute sind... von alex

...demzufolge Rechtspopulisten für ihren eigenen Aufwind gar nichts können und letztendlich nur die anderen daran schuld sind. Als wären sie unvermeidlich.

Das ist IMO eine brandgefährliche Unterschätzung eben jener Kräfte und rückt bei der Analyse die eigentlichen Demokratiefeinde aus dem Fadenkreuz.

Auf der einen Seite beschreibst Du hier tatsächliche existenzielle Ängste und Probleme vieler Bürgerinnen und Bürger. Auf der anderen Seite reden wir über Parteien, die irrationale Ängste schüren und gleichzeitig für die oben beschriebenen realen Ängste gar keine Lösungsvorschläge anbieten.

Allein deshalb schon kann das eine das andere nicht hinreichend erklären.

Passend dazu das gestrige Interview des Spiegels mit dem Hamburger Verfassungsschutz-Chef:


"Voß: Wir stellen fest, dass die Mehrzahl der Täter, die Flüchtlinge attackieren, den Behörden zuvor nicht als Rechtsextremisten bekannt waren oder keinen Kontakt zu dieser Szene hatten. Diese Menschen lassen sich ganz offensichtlich von Botschaften aus dem Internet aufhetzen. Das ist eine ganz perfide Methode des Rechtsextremismus, Angriffe auszulösen, indem man virtuell Ängste schürt, Wut und Hass sät. Vor allem soziale Medien liefern die Infrastruktur für das, was wir Entgrenzung nennen.

SPIEGEL ONLINE: Was verstehen Sie darunter?

Voß: Es handelt sich um eine Strategie von Extremisten, die Grenzen zwischen dem extremistischen und demokratischen Spektrum der Gesellschaft zu schleifen. Ich halte dies für eine der größten Bedrohungen unserer Demokratie überhaupt. Wenn es solche Ideologien schaffen, schleichend in politische Diskurse einzudringen, an relevante Debatten und populäre Themen anzuknüpfen, dann ist unsere freiheitliche demokratische Grundordnung in Gefahr.

SPIEGEL ONLINE: Wie funktioniert das?

Voß: Links- und Rechtsextremisten, aber auch Islamisten versuchen, breit diskutierte oder akzeptierte Themen zu besetzen. Akteure der sogenannten Neuen Rechten schlagen dabei gezielt eine Brücke zu nichtextremistischen Milieus. So entstehen Mischszenen, in denen Extremisten und Nichtextremisten gemeinsam agieren.

SPIEGEL ONLINE: Ist das Netz das perfekte Instrument dafür?

Voß: Ja. Agitation in sozialen Medien kann eine große Außenwirkung bei geringem Ressourcenaufwand bringen. Algorithmen verstärken mitunter noch die Reichweite hochgradig emotionalisierter Propaganda-Postings. Gerade Rechtsextremisten greifen gerne auf diese Mechanismen zurück, wenn sie - wie etwa in Hamburg - nicht über genügend Mobilisierungskraft verfügen, um im öffentlichen Raum Präsenz zu zeigen."


[https://www.spiegel.de/politik/deutschland/extremismus-hamburger-verfassungsschutz-warnt-vor-entgrenzung-a-1269979.html]

Dass man mit größerem Wohlstand den Nährboden für Extremismus verringern kann, ist klar, keine Frage. Aber damit allein ist die Problematik nicht erklärt.


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