Thema:
Re:Verzicht flat
Autor: token
Datum:16.01.19 20:12
Antwort auf:Verzicht von mat

>Auf welche Annehmlichkeiten, die ihr sonst gedankenlos in Anspruch genommen habt, verzichtet ihr im Alltag denn so wegen eures Umweltbewusstseins?
>

Verzicht aus Umweltbewusstsein?
Naja.
Wenn ich ehrlich mit mir bin glaube ich, Umweltnews und Diskussionen haben sicher in vielen Bereichen Impulse zu diversen Verhaltensänderungen gegeben, ich würde aber lügen wenn ich behaupte dieses Runterfahren von einigen Umweltsünden sei Ausdruck von Umweltbewusstsein und maßgeblich davon motiviert.
Es ist eher eine Art altruistischer Egoismus ;)

Ich esse nur noch sehr wenig Fleisch und kaufe bevorzugt Bioprodukte bei tierischen Erzeugnissen, aber ein maßgeblicher Faktor dafür ist dass sich ein zunehmender Ekel entwickelt hat. Dass es ekelt hat durchaus was mit den umweltseitigen Problemen zu tun, aber auf etwas zu verzichten was einen irgendwie anekelt begreife ich halt eher als Egoismus für den ich mir nicht als Tierfreund auf die Brust zu klopfen brauche. Zumal mein Verbrauch von Milchprodukten ziemlich krank ist, da hab ich wenig Hemmungen und müsste mal daran arbeiten, allerdings auch hier eher weil ich denke dass das wahrscheinlich recht ungesund für mich ist, also auch eher Egoismus. Bei dem ich immerhin schon paar Soja-Mandel-Geschichten probiert habe, aber innerlich durchaus denke dass diese zu teuer sind im Vergleich und irgendwie eher so Hipsterabzockerei was in mir wieder Widerstände erzeugt auf sowas umzusteigen. Nicht weil teuer, sondern wirklich weil ich mir verarscht und abgezockt vorkomme, ich höre die Produzenten dieser Produkte regelrecht lachen wenn sowas im Einkaufskorb landet, doof.

Weiter etwa mit Heizung. Bei uns wird nicht individuell verrechnet sondern über die Miete in einem für jeden gleichen Schnitt. Das führt bei mir dazu dass ich Jahr für Jahr aus Heizkosten resultierende Rückzahlungen von mehreren hundert Euro habe. Immer. Egal wie rekordig der Winter war, losgelöst davon dass die Heizkosten steigen, dann kommt halt weniger zurück, mehrere hundert Euro sind es aber immer. Aber ich mach das einfach so weil ich es nicht brauche, ich heiz halt überwiegend gar nicht. Ich denk mir da nicht, wow, ich bin ja voll am Beitrag leisten um die Welt besser zu machen, ich wickel mich auf der Couch in die Decke aus Schafswolle und denk mir, gemütlich. Der Anwendungsfall wo ich die Kälte wirklich enorm anstrengend und ekelhaft finde ist morgens wenn ich duschen gehe. Und da läuft dann die Heizung entsprechend auch auf Anschlag. Und manchmal bin ich so verbibbert von dem Kackwetter dass ich auch mal alles komplett hochdrehe und einen Tag auf Tropenlandschaft mache wo ich dann in Shorts durch die Bude laufe.
Ich bild mir da auf die Einsparungen und den Umweltbeitrag nichts ein. Ich denke schon, was ich über den Klimawandel weiß beeinflusst mich in meinem Verhalten, wenn es den nicht gäbe würde ich das wahrscheinlich nicht so handhaben, es wird schon irgendwie unbewusst positiven Einfluss auf mich nehmen, aber dieser Gedanke "das mach ich jetzt fürs Klima" ist schlichtweg nicht präsent.

Oder Sachen kaufen. Ich war voll die Konsumhure. Das hab ich MASSIV zurückgefahren. Lediglich Technik ist so eine Sache, die letzte Bastion der Konsumsucht. Da will ich irgendwie weiterhin alles haben. Und ich hab aktuell schon so Gedanken, muss das sein? Ich sehe wie viel Spaß ich mit der Switch habe, ich schieb da auch Software bei Seite die ich zocken wollen würde weil ich einfach so ein Überangebot durch die Vielzahl von Plattformen habe. Und denk so, naja, brauch ich das? Sollte ich was ändern? Hab ich dadurch alles zu besitzen wirklich mehr Spaß an meinem Hobby, oder vielleicht doch weniger Spaß als ich damit haben könnte wenn ich da mehr Reduktion und damit auch Fokus und Bewusstsein reintrage. Frag ich mich schon. Aber auch hier, es geht mir nicht um Umwelt sondern eher um mich.

Mich hat diese Masse an Produkten und Reizen und Anhäufung von Schrott und voller Keller und alles haben aber auf nichts mehr Lust entwickeln können schlichtweg belastet und angestrengt, und die Reduktion und der übersichtliche Haushalt und nicht mehr zu bummeln oder Konsumseiten zu surfen und zu kaufen und zu lagern und zu verkaufen und auszumisten und Sammelkram zu sortieren so gut getan, dass das Thema Reduktion noch nicht abgeschlossen ist. Aber nicht weil ich die Umwelt retten möchte, sondern weil es mir gut tut.

Klar, es gibt so Sachen wo ich tatsächlich angefangen hab Schwachsinn zu reflektieren und den zu beenden. Licht aus wenn du einen Raum verlässt. Klospülung nicht einfach ziehen und tschüss sondern auch stoppen. Unter der Dusche beim Einseifen das Wasser stoppen. So Sachen halt. Aber das ist ja kein Verzicht, das ist beenden von verschwenderischem Schwachsinn ohne Mehrwert.

Aber ich hab auch die totale Bereitschaft selbst in diesem reduzierten Maß on top richtig richtig krasse Einschnitte zu leisten. Ich bin nur eine dumme Sau die das halt nicht einfach so macht, die zwar weiß dass das gemacht werden muss und die bis ins Mark davon überzeugt ist wenn es so käme und man mich dazu zwingt nicht zu protestieren sondern zu supporten, auch dann wenn diese Einschnitte mir nicht mehr gut tun sondern anstrengend werden. Weil ich wüsste dass es richtig und notwendig ist. Aber ich krieg es selbst nicht gebacken.

Ich bewundere Idealisten die da nicht nur labern sondern machen und da mit Herzblut an sich selbst arbeiten und für ihre Ideale werben und bewusst einen Beitrag leisten aus Überzeugung das richtige tun zu müssen und es auch dann zu machen wenn es niemand merkt und keiner dafür dankt. Aber ich bin keiner von ihnen. Ich wünschte es wäre so, ich wäre gerne so, so ein guter und aufrichtiger und engagierter Mensch, ich bin es aber nicht.
Ich brauche Mama und Papa die mir Grenzen setzen. Die mir sagen, das darfst du, das darfst du nicht. Und wenn du das und das machst Freundchen, dann kriegen wir miteinander Ärger, aber so richtig. Die mir einen Rahmen geben in dem ich mich orientieren kann und ganz klare Leitplanken habe. Und ich denk halt auch irgendwo, ihr Arschlöcher, was soll das mit bist großer Junge, denk mal nach, bist informiert. Wofür seid ihr denn da wenn nicht genau dafür um euch um die Dinge die nur der Schwarm und nicht die Ameise lösen kann zu kümmern, diesen Schwarm zu steuern. Wer soll es denn sonst machen. Das ist EURE Pflicht, nach Prinzipien die richtig sind, und nicht nach Prinzipien die mehrheitsfähig sind, oder nach Prinzipien von denen ihr denkt dass sie mehrheitsfähig sind. Ihr habt es doch nicht mal probiert.

Es gibt Dinge, die sind nicht verhandelbar, die sind wie sie sind, und ich kann den Planeten ficken und dann danke für den Fisch geht halt nicht klar. Das ist keine Haltung.

Und ja, ich merk es ja selbst durch das Schreiben was mir oftmals hilft meine Gedanken zu sortieren, auch ich muss mehr Verantwortung übernehmen, egal ob es einen Toten interessiert was ich mache oder nicht mache, einfach weil es richtig und notwendig ist. Und ich nehm es mir vor mehr zu tun als das was bequem ist, auch unbequeme Einschnitte zu leisten. Ehrlich. Ich bin nur leider eine dumme Sau die dann schnell wieder fahrig wird bei der Umsetzung theoretischer Vorhaben in praktisches Verhalten. Aber es wird irgendwo auch besser. Stück für Stück. Mühsam ernährt sich...


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