Thema:
Re:Wer von uns hätte sich so lange halten können? flat
Autor: token
Datum:28.11.18 14:45
Antwort auf:Re:Wer von uns hätte sich so lange halten können? von Sockenpapst

>>>Wie groß isser denn so?
>>>
>>Keine Ahnung, im Hinterkopf habe ich etwa Luft anhalten, ich glaube untrainiert packt man zwei Minuten, versucht man an seine Grenze zu gehen ist ja gefühlt schon nach 30 Sekunden Weltuntergang und die feste Überzeugung, da geht gar nix mehr. Geht aber doch.
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>Ich habe mal einen imo seriösen Artikel zur "Absolutkraft" (Wert bei echter Todesangst) eines Menschen gelesen, den ich dummerweise auf die Schnelle nicht mehr finde. Der sprach sinngemäß von max. 10% Steigerungspotential zur echten "Maximalkraft". Wie gesagt, finde ich nicht mehr und lande nur auf unangenehmen Gym-Bro-Seiten, auch daher hatte ich meine Frage wieder wegeditiert...
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Ich kann mir durchaus vorstellen dass es da "nur" 10% Steigerungspotenzial zur Maximalkraft gibt. Und ich denke ein Leistungssportler geht dann auch tatsächlich an diese Grenze der Maximalkraft. Wir Computerluschen sind von dieser aber sicherlich immer noch meilenweit entfernt. Bei mir reicht in der Regel schon jemand der daneben steht und anfeuert um 20-30% mehr an Wiederholungen rauszuholen. Dann hab ich aber die Schnauze voll und klappe zu, aber selbst an diesem Punkt geht sicher noch was.

Lustig war eine Episode aus meiner Jugend, Kumpel hat mich immer bei irgendwelchen Ideen die er hatte mitgezogen und ich hab alles mitgemacht. Der hatte eine Phase wo er joggen gehen wollte. Sind dann immer mit seiner Karre zum örtlichen Wasserwerk gefahren und haben einen Waldlauf gemacht, immer die gleiche Runde. Ich bin dabei Mr. Unsportlich in Person, aber ich hab mich schon bemüht, dennoch dürften 3/4 der Strecke mein Rekord gewesen sein, und da war ich nach eigener Überzeugung auch komplett kaputt und bin den Rest immer gegangen.

Bis auf einen Tag, da hat das Arschloch als es mich abholt auch noch ein Mädel im Gepäck, und die war dann auch genau die für die ich heimlich unglaublich geschwärmt hatte, war für mich das schönste Mädchen das ich kannte.
Da hab ich schon gedacht, du Wichser! Weil ich sicher war, jetzt gibst du Sportkrüppel dir vor der mal schön die Blöße, wie peinlich.
Geht aber noch weiter, als wir da sind will der auf starker Mann machen und holt aus dem Kofferraum fucking Sandgewichte für die Knöchel, hat natürlich 4 dabei damit ich auch in den Genuss komme.

Ich bin dann letztlich die ganze Runde mitgelaufen mit den Gewichten, einfach nur weil ich mich nicht vor ihr blamieren wollte, dabei natürlich mit guter Miene zum bösen Spiel tausend Tode gestorben, aber dennoch durchgehalten. Ohne diesen Druck habe ich selbst wenn ich mich gefühlt unglaublich bemüht habe NIE diese Runde geschafft. Und alles was mich dazu befähigt hat war Scham, und nicht dass ich um mein Leben laufen musste.

Das sind halt so punktuelle Erfahrungen die noch relativ harmlos sind, mir aber schon aufgezeigt haben, das was du im Normalmodus als persönliche Grenze begreifst, das allein ist schon recht weit weg von dem wo du mit reiner Überwindung hin kommst. Und schon zu diesem Gap kann der Körper im Rausch noch einen drauf setzen.

Sowas wie man es im Video sieht ist ja keine bewusste Leistung mehr, da ist man doch schon längst auf Survival-Autopilot. Ich mein, schau dir den Kerl an, das ist kein Supermann. Dem hexelt es dabei auch mal eben das Handgelenk durch. Auf dem Video kann man noch nicht mal erahnen wo und wann das passiert sein könnte. So wie man es vielleicht auch selbst kennt dass man im Schockzustand auch mal keinerlei Schmerz wahr nimmt, hatte ich auch schon, Wadenbein gebrochen, der Bruch hat derart geknallt dass es meine Kumpels gehört haben, Kopf begreift rational instant, das ist ein Totalschaden, da ist mal richtig was kaputt! Schmerzen? Null. Nix. Werden einfach mal so abgeschaltet und kommen dann irgendwann später wenn der Schock abflaut.

Apropos dieser Bruch, dann die Passage mit dem KH, hatte ich schon mal von geschrieben wo ich einen Verrückten auf dem Zimmer hatte, also einen richtig Verrückten der mir dann von seinen Psychosen erzählt hat. Bei einer dachte er ist ein Gott, hat sich an einem Bahnübergang auf die Gleise gestellt und einen Zug angehalten. Das kontextuell interessante an seiner Geschichte, der Kerl war ein Hemd, hat aber recht glaubwürdig davon berichtet dass ihn die dann vom Lokführer herbeigerufene Polizeieinheit kaum überwältigen konnte, so "die haben mich mit Tränengas vollgesprüht, ich hab einfach nichts gespürt, und mich mit mehreren Mann nicht auf den Boden gekriegt". Ragemodus halt.


Also ich kann schlussendlich natürlich nicht seriös beurteilen wie viel mehr geht als man es sich eigentlich zu traut. Ich denke halt nur, da geht eine ganze Menge mehr wenn du begreifst, du stirbst wenn du los lässt, dann bist du tot, dann war es das. Schau dir den Typ an, der ist ja auch kein Ironman. Insofern gehe ich schon schwer davon aus dass dieses Durchhaltevermögen bei den meisten normalen Menschen drin ist wenn es wirklich um Leben und Tod geht, es geht ja jetzt auch nicht darum ein Auto anzuheben oder sowas, sondern darum sich fest zu halten und komme was wolle nicht diesen Griff zu lösen. Und ich glaube nicht dass man in Todesangst noch irgendein Brennen in den Armen überhaupt wahrnehmen kann, sondern dieser Schock all das einfach abschaltet und es hier nur noch rein darum geht, was physikalisch überhaupt möglich ist.


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