Thema:
Vielleicht flat
Autor: token
Datum:06.09.18 12:05
Antwort auf:Wart ihr schon einmal in Lebensgefahr? von thestraightedge

In meiner Jugend hatten wir ja nix, da ging es dem FK nicht großartig anders, und wenn es darum ging was zu erleben lief es oftmals darauf hinaus sich dem leichtsinnigen Nervenkitzel hinzugeben.

Hier gab es zwei ähnlich gelagerte Episoden die auch böse ins Auge hätten gehen können.
Zum einen hatten wir in der Nähe eine Schule die an einem Hang gebaut war. So konnte man oberhalb die Schule normal betreten, zur anderen Seite hin war der Pausenhof paar Meter tiefer. Die Schule hat dann auch nicht nur ein Dach, die Gebäude die unter dem Hang standen hatten eigene Dächer, und das Überhanggebäude schloss daran an und hatte dann auch noch ein eigenes Dach.

Wenn man vom Oberhang paar kleine Klettereinlagen hinlegte war es recht einfach möglich dieses Mitteldach zu erreichen, das lag dann schätzungsweise in 5 Meter Höhe. Auf dem Dach stehend konnte man durch die Fenster in die Klassenzimmer des Oberhanggebäudes reinsehen. Das war für sich noch nicht so spannend, hatte jedoch einen Clou. Diese Unterhanggebäude waren keine durchgehende Konstruktion sondern Gebäudeblöcke. Entsprechend gab es Lücken zwischen den Dächern, wollte man also von einem Dach auf das gegenüberliegende Dach, musste man über die Fensterbank balancieren, das waren dann auch mehrere Meter, keine Ahnung, vielleicht 8-12 Meter.

Das war dann die Mutprobe. Anfangs pressten wir uns mit dem Rücken an die Fensterscheiben und trippelten da so rüber. Das ging dann allerdings auch nicht über die komplette Strecke, denn zwischendrin waren da von der Wand abstehende Metallstreben. Diese waren einerseits gut, denn so hatte man auf der Wegstrecke Stationen an denen man sich festhalten konnte, aber auch kritisch, denn dadurch dass sie abstanden musste man sich um an denen vorbei zu kommen quasi herumwickeln, also statt dem an die Fenster angepressten Rücken diese Strebe packen und dann so herumschwingen dass dabei quasi der Arsch über dem Abgrund war.

Wir haben diese Mutprobe sehr häufig gemacht, über mehrere Wochenenden, und von mal zu mal fühlte man sich sicherer, wurde leichtsinniger. Was als mit dem Rücken angepresst rübertrippeln begann wurde zunehmend zu einem Rennen. Statt seitlich zu gehen nahm man Fahrt auf, bis zum seitlichen Gleichgewichtsverlust war man schon an der Strebe die man packen konnte. Auch hier, anfangs waren das so Rennetappen zwischen den Streben, später ging man dazu über den Lauf an den Streben gar nicht mehr zu unterbrechen sondern sich direkt herumzuschwingen und weiter zu laufen, in einer flüssigen Bewegung.

Naja, bei dieser Disziplin war ich irgendwann komplett angstbefreit so als könnte bei dem Scheiß eigentlich gar nix passieren, und hab dann einmal nach dem herumschwingen und weiterlaufen direkt das Gleichgewicht verloren, konnte die Linie nicht mehr halten und bin dann Richtung Abgrund gekippt. Das wären dann wie gesagt 5 Meter Richtung Asphalt gewesen. Ich denke nicht dass so ein Sturz per se das Ende bedeuten muss, es dürfte jedoch ausgeschlossen sein dass man sowas ohne schwere Verletzungen übersteht, speziell wenn man die Form in der man aufschlagen würde überhaupt nicht kontrollieren kann.
Zum Sturz kam es nicht, offenbar hat der liebe Gott ein Herz für hirnamputierte Schwachköpfe. Auf dem Oberdach sollten offenbar Dacharbeiten statt finden, und genau an der Stelle wo es mich erwischt hat hingen schon diese ineinander gesteckten Rohre durch die man dann den Schutt nach unten befördert. Das Ding konnte ich beim wegkippen noch packen und mich so noch vor dem sicheren Sturz fangen. Normalerweise wäre da halt nichts als Luft gewesen.

Das war dann auch das letzte mal dass wir diese Mutprobe gemacht haben, diese Situation hat die komplette Runde schockiert und allen klar gemacht was da tatsächlich passieren kann.


Jetzt könnte man meinen ich hätte was daraus gelernt. Aber Pustekuchen. Auf einer Klassenfahrt wurden wir für eine Stunde von der Leine gelassen und konnten rumstreunern. Ich bin dann mit einem Kumpel los, war dann natürlich einer von denen mit dem ich extrem viel Scheiße gebaut habe und der auch zur Dachläufercrew gehörte. Wir haben uns im Hinblick auf Unsinn veranstalten auch immer gegenseitig angestachelt um dem anderen was zu beweisen. In der Ortschaft wo wir waren, war eine Burg. Wir sind irgendwo drüber geklettert und waren dann im Innenhof, dort haben wir eine Tür zu einem Turm gefunden die mit einem Vorhängschloß abgesperrt war. Diese Sicherung war derart spröde dass es ein leichtes war diese aufzubrechen. Dann den Turm hoch und schon fanden wir uns oben auf den Dächern und Mauerläufen wieder und sind dort rumbalanciert.

Ein solcher Mauerlauf hatte dann so eine Passage die quer nach unten ging, das war so eine Art Minitreppe in der Mauer, also schon eine Treppenkonstruktion, aber jede Stufe war quasi nur 10 Zentimeter breit. Da hat man nicht wirklich halt, wir wollte da aber weiter. Kumpel hat sich also auf seinen Arsch gesetzt und sich dann mit den Füßen voran mit Hilfe der Schwerkraft runtergetrippelt. Ich wollte es ihm gleich tun, hatte aber weniger Glück als er. Das ganze war halt auch komplett von Moos bewachsen, und bei mit löste sich der Grip den ich mit den Füßen aufgebaut habe und ich kam ins rutschen und konnte es nicht bremsen, wurde schneller. Das war keine Riesenstrecke, der Schwung war aber ausreichend um unten angekommen mit dem Aufprall nach vorne geschmissen zu werden. Und hierbei flog ich auch nicht gerade auf die Mauer drauf, sondern quer zur Seite weg. Nach links waren das so 4 Meter Richtung Beton. Nach rechts waren das 1,5 Meter Richtung Wellblechkonstrunktion aus Plastik. Ich flog nach rechts. Nicht dass ich das hätte kontrollieren können.

Beim Aufprall war das eine Mischung aus Schock und Konfusion. Zum einen Schock über den Sturz und Gedankenspiel, wenn es nach links gegangen wäre, aber eben auch Verwirrung warum ich durch diese Plastikding nicht einfach durchgebrochen bin, was da überhaupt mein Gewicht hält. Da war was, es war hart, es war offenbar stabil, und irgendwie lag ich so halb da drauf, aber es war auch nicht überall. Mit Tasten und schieben robbte ich mich wieder an den Vorsprung wo mir mein Kumpel wieder nach oben half. Nach der Nummer haben wir das Abenteuer natürlich direkt beendet. Aber dennoch dort hingegangen um zu verstehen was da überhaupt passiert ist.

Unter diesem Wellblechplastik hatte man einen kleinen Sitzbereich installiert, also diese Wellblechplastik als Regenschutz genutzt. Und vom Mauerwerk wo es für mich nach unten gingen, führten zu einem gegenüberliegenden Mauerwerk zwei Holzbalken, vielleicht so 40cm breit. Der Regenschutz lag da einfach drauf und war nur rudimentär fixiert. Da war so viel Regenschutz und so wenig Balken dass es schon ein Kunststück war den Balken überhaupt zu treffen, erst recht dann auch so dass man auf diesem liegen bleibt und nicht einfach nur irgendwie gegenknallt und dennoch durch fällt.


Ich denke in beiden Fällen wäre ohne die glücklichen Umstände das Alternativszenario nicht zwingend der Tod gewesen, Sturz aus 4 oder 5 Metern auf Beton ist krass, mit dem Körper als Knautschzone zum Kopf kann man sowas aber wahrscheinlich mit schweren Verletzungen überstehen. Nur hast du im unkontrollierten Fall auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dass die Rübe mit massivem Tempo ohne jedweden Schutz den Boden knutscht. Und dann ist wahrscheinlich vorbei.
Ich bin immer wieder erschrocken wenn ich daran zurückdenke was für einen Unfug ich in meiner Jugend gemacht habe, das sind ja nur zwei Dinge wo es verdammt knapp war, aber die Potenziale für selbstverschuldete schlimme Unglücke waren immens, Schwerstarbeit für die Schutzengel.
Wobei ich auch heutzutage oftmals viel zu leichtfertig und leichtsinnig bin, obwohl ich es besser wissen müsste. Zum Glück war noch keine dieser Bewerbungen für den Darwin Arward von Erfolg gekrönt.


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