Thema:
Re:Ja diese Formulierungen gehen gar nicht flat
Autor: token
Datum:19.05.21 08:12
Antwort auf:Re:Ja diese Formulierungen gehen gar nicht von suicuique

Moin,

ich hab mir gestern eine weitere Antwort bewusst verkniffen weil mir klar war, mir fehlt hier die emotionale Distanz um diesen Diskurs noch irgendwie objektiv einwerten zu können. Die fehlte mir schon sehr offensichtlich nicht nur beim letzten Post sondern schon im gesamten Ast, aber zumindest beim letzten Post war mir das dann auch bewusst und diesen letzten Post dennoch aus reiner Genervtheit abzuschicken war so dumm wie auch inhaltlich unangemessen. Sorry for that.

Wenn ich den Ast erneut durchlese sehe ich zum einen den Mangel an persönlichen Leseverständnis, kann aber durchaus wiederholt nachfühlen wo die Genervtheit herkam. Es ist ein unglücklicher Diskurs wo man eigentlich an keiner Stelle zu einem Erkenntnisgewinn kommt. Du erläuterst wiederholt absolute Basics deren Verständnis imo keiner Erläuterung bedarf, weder für dich noch für mich, sondern Dinge sind deren Verständnis vorausgesetzt wird, um den eigentlichen Diskurs überhaupt führen zu können.

Teils wusste ich nicht ob solche Erklärungen Ausführungen zu deiner Haltung sind, oder Bezugnahmen zu den Passagen die du von mir zitierst. Wenn es Ausführungen sind, okay, wenn es Bezugnahmen sind, und so fühlte es sich für mich gestern an, wirkt es lehrerhaft, sprich, mir fehlte das Gefühl mein Gegenüber wähnt sich noch auf Augenhöhe und versucht mir diese Basics zu erklären, weil es denkt, wenn ich diese Basics verstehen würde, könnte ich ja nicht zur Ansicht gelangen, dass man am Ende der Abwägungen der vielseitigen Interessenkonflikte zu einem klaren Ergebnis gelangen könne. Denn wenn man das täte, würde man zu "simpel denken".

Und wenn dann punktuell durchaus klare Bezugnahmen zu dem kommen was ich geschrieben hätte, etwa dass das Argument sei, Grundrechte seien keine Sonderrechte, was bei mir nie ein inhaltliches Argument war um zu begründen warum ich nach Abwägung zu einem klaren Schluss komme, dann rumort es endgültig in meiner Brust.

Dennoch redet man in jedem Diskurs ein wenig aneinander vorbei oder macht den ein oder anderen Ausflug, das mach ich in diesem Ast genauso und mute dir damit den gleichen Unfug zu mit dem auch ich mich konfrontiert gesehen habe. Damit muss man souveräner umgehen als ich es getan habe, dir ist das gelungen, mir halt nicht. Hauptproblem ist da einfach meine fehlende emotionale Distanz zum Themenkomplex die nicht dein Problem sein sollte, die ich aber zu deinem Problem gemacht gemacht, again, sorry for that.


Keine Ahnung ob ein Rewind auf Square One überhaupt sinnhaft ist oder man es nicht einfach dabei belassen sollte.

Ich versuche es dennoch so kurz und unverschwurbelt wie ich kann:
Was mich getriggert hat waren die Umfragewerte zum Dilemma.  
Hintergrund ist, dass ich da ein Handlungsmotiv unterstelle, wo der Großteil der Bevölkerung eben keinen deep dive von ethischen Abwägungen macht, weil es diese Rechte für so ein hohes und fundamentales Gut hält.
Es ist eine Unterstellung, ich kann nicht in die Köpfe der Menschen schauen und was sie umtreibt, ich denke aber, eine kapitalistische Gesellschaft züchtet sich by design eine egozentrisch veranlagte Gesellschaft heran. Das ganze System fördert bewusst Egoismus als Leistungskatalysator. Und diese Gesellschaft wählt auch schon seit geraumer Zeit CDU, und das was Mitte Rechts verloren hat, ist nicht etwa nach links sondern nach Rechtsaußen gewandert.
Dass "Gleichbehandlung" als ein generelles Ideal unter solchen Vorzeichen als so ein hohes Gut begriffen wird das es Handlungsmotiv für die Haltung ist glaube ich entsprechend nicht.
Sondern, Handlungsmotiv ist die persönliche Ungleichbehandlung, sprich, Neid und Missgunst.

Losgelöst davon, warum finde ich es relativ einfach in diesem Interessenkonflikt eine klare Position zu finden?

Zum einen, es ist kein theoretisches Problem, sondern ein akutes das einer Entscheidung und Positionierung bedarf, um eine realpolitische Entscheidung zu treffen. Diese realpolitische Entscheidung wäre an sich einfach wenn wir in einer Gesellschaft ohne solche Grundrechte leben würden. Bei rein lösungsorientiertem Denken würde man den Schritt einfach schon deswegen machen, weil es ein Fortschritt in der Krisenbewältigung wäre.

Dass es sinnvoll zur Krisenbewältigung wäre darf nicht alleiniges Entscheidungskriterium sein, aber es hat dennoch Gewicht für die Abwägungswaage weil es um Realpolitik im Ausnahmezustand geht.

In der rein ethischen Betrachtung finde ich es aber auch relativ klar.
Hier ringen Grundrecht Freiheit und Grundrecht Gleichbehandlung.
Und mir ist aus dem Stehgreif kein Fallbeispiel bekannt wo man sagen kann, dass eine Gleichbehandlung durch eine nicht funktional verargumentierbare Freiheitseinschränkung gestochen hätte. Was natürlich auch daran liegt dass es normalerweise nicht zu solch kuriosen Situationen wie in dieser Pandemie kommt.

Die Einschränkung von Freiheitsrechten war nur möglich weil sie notwendig war. Um einen Kollaps des Gesundheitswesens zu verhindern. Das ist die Funktion dieser Einschränkung. Und diese Funktion ist nicht mehr gegeben, allerdings im status quo nur für eine spezifische Bevölkerungsgruppe.

Man schränkt jetzt also für genau diese Gruppe Freiheitsrechte rein, hat aber für genau diese Gruppe ein Argument dafür, das keinen Bestand mehr hat.

Wenn man diesen Zustand aufrecht erhält, braucht es also ein anderes Argument mit hohem Gewicht. Dieses Argument soll nun sein, Gleichbehandlung.

Gemeinsam in die Krise, gemeinsam aus der Krise.
Klingt erstmal gut und solidarisch.

Das führt aber zu zwei Problemen.
Zum einen, es bietet keine realpolitische Perspektive.
Möchte man eine einheitliche Aufhebung von Freiheitseinschränkungen für die Gesellschaft, muss gewährleistet sein, dass eine solche nicht zu einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems führt. Deswegen hat man ja überhaupt Freiheitsrechte einschränken müssen. Das würde jedoch bedeuten, dieser Schritt ist erst möglich, wenn eine ausreichend hohe Impfquote erreicht wurde.
Wie hoch diese Quote sein müsste lässt sich kaum bestimmen. Es ist auch unklar ob dies überhaupt ein erreichbares Zielbild markiert. Es ist möglich, dass es dafür einen höheres Maß an Impfabdeckung als Impfbereitschaft benötigt.
Man weiß es nicht, es fehlen die Daten um sowas valide auszurechnen.

Realpolitisch eine unglaublich knifflige Situation welche die Handlungsfähigkeit lähmt, man müsste hier weiter aussitzen und könnte nicht mal sagen, wie lange man das müsste.

Aber selbst wenn man das ausblendet, was man nicht sollte, aber selbst wenn, wo hat es solch einen Gedankengang schon mal gegeben, dass man Bürger aus einem Gleichbehandlungsmotiv ohne funktionalen Zweck in ihrer persönlichen Freiheit einschränkt? Mir fällt wirklich nichts ein. Es gibt Interessenkonflikte in solchen Komplexen bei Religionsausübung, Subkulturen schränken sich selbst in Freiheitsrechten ein, und der Staat nimmt hin, dass es da auch vorkommen kann dass nicht alle Menschen in diesen Subkulturen diese Einschränkung auch von sich aus wollen und Druck auf sie ausgeübt wird.
Aber das ist Freiheit vs. Freiheit.

Dass Freiheit aber generell auch bei Ungleichbehandlungen schwer wiegt ist Alltagsgeschäft, wie auch, dass niemand auf die Idee kommt, aus einem Gleichbehandlungsgedanken aktiv Freiheitsrechte einzuschränken. Wenn ich mir etwas kaufen kann, kann ich es kaufen. Niemand kommt auf die Idee mir zu sagen dass mir das nicht kaufen darf, weil es Menschen gibt, die sich das nicht leisten können. Wenn ich mir anziehen möchte was ich mir anziehen möchte, kann ich das tun, auch wenn andere Menschen Uniformen tragen müssen und vielleicht eine Jeans bequemer fänden.

Das oben klingt nach kuriosen Gedanken?
Sind sie aber nicht.
Denn Gesellschaften welche die Gleichheit aller Bürger über deren persönliche Freiheit stellen gibt es, und damit auch reale Implikationen solch einer Gewichtung. Ich selbst wurde in Polen geboren, einige der hiesigen User stammen auch aus der ehemaligen DDR.

Unsere Gesellschaft tickt bei der Gewichtung Freiheit vs. Gleichheit offenbar anders. Sie lebt ganz klar: Freiheit > Gleichheit.
Die Bürger dieses Landes wählen mehrheitlich rechtsgerichtet, auch hier, Freiheit > Gleichheit. Und immer an die Leistung denken!

So what's the point?
Ich soll jetzt glauben, unter all diesen Vorzeichen ist es jetzt umgekehrt? Und unsere lieben Mitbürger wünschen sich aufgrund einer ethischen Gewichtung der Gleichbehandlung, die jetzt plötzlich schwerer wiegen als die Freiheitsrechte,  eine realpolitische Perspektivlosigkeit aus Beweggründen des Gemeinsinns?


Ich finde nicht, dass es absolut unredlich ist, wenn man bei dieser Abwägung zu anderen Schlüssen gelangt als ich es tue und eben unentschlossen zwischen diesen Fronten steht und die Ambivalenz des Konflikts als prekär begreift oder eben meint, gemeinsam rein, gemeinsam raus, klingt ja romantisch, Romantik ist schön.

Kann man gerne so sehen, wenn das Haltungsmotiv dann auch durch das ethische Dilemma getrieben ist.
Ich rege mich nicht über Individuen auf die das so sehen, es ist auch aus meiner Sicht auch absolut notwendig gewesen dass dieser Diskurs geführt wurde.
Was meine Frustration umtreibt ist die (von mir unterstellte) Heuchelei der Haltung bei der Mehrheit der Bürger. Dass aufrichtiger Gemeinsinn nicht deren Motiv ist zu solch einer Haltung ist kann ich zwar nur mutmaßen, ich finde jedoch, die Indizien für diese Mutmaßung sind erschlagend.

Oh Gott, soviel zum Thema kurz und unverschwurbelt.
Ich hab jedenfalls keinen Bock auf beef mit Leuten die ich mag, ich ärgere mich über den persönlichen Mangel an Nüchternheit im Diskurs und wozu das geführt hat, und das tut mir leid.  
Ich weiß nicht ob das oben zu einem besseren Verständnis führt was da inhaltlich umtreibt, aber so wichtig ist das auch nicht. Für meinen Teil respektiere ich deine Haltung, losgelöst davon wo sie sich positioniert. Weil ich denke, du bist ehrlich und cool und wenn jemand wie du zu anderen Schlüssen kommt, dann wird das schon seine Bewandnis haben, und es ist auch komplett legitim wenn man da aufgrund anderer Gewichtungen oder Gedankengänge zu unterschiedlichen Schlüssen kommt. Grundrechtskonflikte mit einer eindeutigen und perfekten Lösung gibt es nicht, das liegt in der Natur der Sache. Das ist mir klar. Was mich frustriert ist das gesellschaftliche Gesamtbild. Und natürlich auch der persönliche Koller, der eh zunehmend destabilisiert. Entsprechend werde ich mir auch weitere Posts in diesem Brett sparen, mir fehlt da einfach die notwendige Distanz um mich dabei nicht zum Affen zu machen.


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