Thema:
Re:Wir brauchen einen Mindestlohn für ALLE flat
Autor: PartyPaul
Datum:26.03.20 12:26
Antwort auf:Re:Wir brauchen einen Mindestlohn für ALLE von DJS

>Ich fasse mal hier zusammen, wurde langsam etwas lang der Text. :)
>
>Ich glaub das Problem bei unserem Gespräch ist: Du denkst, dass es sehr viele Ungerechtigkeiten gibt, ich sehe diese zwar auch, halte sie aber für recht gering.


Gut zusammengefasst ;)

>Prinzipiell finde ich das System nachvollziehbar. Jemand der besser ausgebildet ist oder Berufe ausführt, die viele andere aufgrund des mangelnden Talents nicht machen könnten, verdient relativ gesehen viel Geld. Dagegen sprichts erstmal nichts imo.

Eigentlich sag ich auch nichts anderes, außer das ich die Schere zwischen den Ärmsten und den priviligiertesten Berufen nicht mehr so breit sehen möchte.
Du stellst immer Talent in den Vordergrund, aber grade fachliches Talent ist doch das, was in der Masse der Berufe am wenigsten ausschlaggebend ist für eine gute Bezahlung, weil wir schlicht und ergreifend, egal wo, mittlerweile genug Leute und Rekrutierungsmöglichkeiten hätten. Es sind die Ausbildungs- und Arbeitsplätze die begrenzt sind, die aber teilweise auf Systemen und Werte (und entsprechender Vergütung) basieren, die grade im jetzigen Informationszeitalter nicht mehr unbedingt zeitgemäß sind, wenn man nicht grad Fan eines Kastensystems ist, in dem am Ende auch nur noch schon die von Geburt an priviligierten, die priviligierten Jobs und Ressourcen kriegen.

>Wie Du sagst, manchmal passiert es, dass jemand in einer Firma die bessere Arbeit leistet und aufgrund von z.B. fehlendem Studium weniger verdient. Ich kenne aber auch Gegenbeispiele. Die gibt es überall, in sehr vielen Firmen. Natürlich muss man sich eine Zeit lang beweisen, aber oft wird die Leistung schließlich anerkannt.

Es spricht ja auch nichts dagegen, dass Leute die mehr Leisten mehr verdienen sollen. Aber simpel gesprochen, grade im öffentlichen Raum: wenn ich 2 mal den gleichen Job vergebe, dann soll der eine nicht E14 bekommen und der andere E10 nur weil der eine nen Dr. hat und der andere "nur" nen Bachelor. Reicht es nicht aus mit dem Dr. erstmal eine bessere Bewerbung zu sein? Der Job an sich soll ja besetzt und bezahlt werden. Erfahrung und Wissen ist doch das ausschlaggebende und die kann man auf verschiedene Wege, auch nachweislich, sammeln. Ein Dr. ist letztendlich nichts anderes, als der Nachweis bestimmte Dinge auf bestimmte Art und Weise tun zu können, nicht ob man allgemein talentiert für den spezifischen Job ist. Insbesondere wenn der Dr. fachfremd ist und man trotzdem deswegen besser bezahlt wird, passt es dann gar nicht mehr zusammen.

Geht ja auch umgekehrt, Leute die abgelehnt werden und darüber unglücklich sind, weil sie (auf dem Papier) überqualifiziert sind, und dann nicht genommen werden, weil ihnen zu viel bezahlt werden MUSS.

In der freien Wirtschaft ist das vielleicht weniger ein Problem, da kann man, u.U. selbst in tarifgetriebenen Unternemen, noch entsprechend verhandeln. Im öffentlichen Sektor ist das aber ein großes Problem und genau deswegen werden dort eben nicht die (von der Erfahrung her) qualifiziertesten Bewerber angelockt, was wieder ein Problem an sich ist, damit das Land und die Allgemeinheit vorran kommt.

>Zum Piloten der im Kindergarten arbeiten soll: ja, er wird es vermutlich sehr viel schlechter machen als die Kindergärtnerin die sich freiwillig den Job ausgesucht hat. :) Aber er wird es ja überhaupt machen, die Kindergärtnerin wird seinen Job nicht übernehmen können.

Warum? Die technische Ausbildung kann zu einem großen Teil heute jeder zu Hause am PC mit nem guten Simulator und Schulungsmaterial machen. Begrenzt sind nur die physischen Ausbildungsplätze, dadurch werden fertige Piloten rarer und deswegen teuer. Früher gabs die PC Möglichkeit nicht, aber würde man an der Schraube drehen und Pilotenlizenzen nur noch auf entsprechende Tests beschränken (ja da gehört natürlich mehr dazu), die man bestehen muss, würden die automatisch weniger wert und damit billiger. Nur macht das die entsprechende Lobby natürlich nicht. Hier funktioniert der Markt wieder nicht, eher das Gegenteil passiert und Pilotenausbildungen werden immer teurer und müssen selbst finanziert werden (2016 hat die LH z.B. alle Zuschüsse gestrichen, wenn ichs richtig verstanden hab), so dass die Priviligierten wieder unter sich bleiben. Man kann der Kindergärtnerin eben nicht einfach sagen, ja Pech gehabt, hättest ja Pilotin werden können, obwohl sie vielleicht das bessere Talent als so manch anderer Pilot gehabt hätte.

Und natürlich gehört noch mehr zu einem (guten) Piloten als nur das Flugzeug zu bedienen, zur (guten) Kindergärtnerin aber eben auch, als nur auf Kinder aufzupassen.

>Und allgemein kann ja jeder machen was er möchte. Bzw. jeder kann versuchen das zu werden was er werden will. Und man weiß vorher schon was einen finanziell erwartet. Ein Kumpel von mir ist Zahnarzt, im ersten Semester wurde er gefragt warum er Zahnarzt werden möchte. "Ich will später Porsche fahren." War natürlich ein guter Lacher. Jetzt fährt er einen.
>Klar, die finanziellen Unterschiede können schon extrem sein, das stimmt. Das ist völlig unnötig und die sehr guten Verdiener wären sicherlich auch mit 10% weniger glücklich. Ich sag ja auch nicht, dass das System perfekt ist, aber imo ist es schon OK. :)


Das Vergütungs- und auch Ausbildungssystem ist absolut nicht gesund, sieht man doch jetzt grade schön. (edit: bzw. siehe beispiele von peppi)
Wie gesagt kompetente Sozialberufe werden schon seit langem gefordert und benötigt, der Markt regelt es aber nicht, sondern es wurde sogar immer schlimmer, weil z.B. grade in der Pflege mehr Bürokratie in Form von Auflagen und Dokumentation den Job nur noch härter gemacht hat. Dadurch hat man es grade für die, die man damit schützen wollte, also die Patienten, vieles schlechter gemacht. Und obwohl oft die Regel herrscht "man nimmt was man kriegt, nicht was man braucht" werden Gehälter und Anreize für besseres und mehr Personal nicht gesteigert, weil die Finanzierung so komplex und schwierig ist und die jetzigen Gewinner des Systems eine Änderung ihres Status Quo nicht zulassen möchte.

Dein Argument, Talent bedingt gute Bezahlung stimmt in Sozialberufen nicht, weil die Bewertungsgrundlage so schwierig ist. Wie gut eine Maschine, Produkt oder handwerkliche Dienstleistung funktioniert oder nicht kann man sehr leicht objektiv bewerten. Die Arbeit am Menschen nunmal nicht. Gewisse Fähigkeiten und Talente werden daher nicht anerkannt und vergütet, wie es eigentlich notwendig wäre und das darf sich gerne mal ändern.


< antworten >