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Re:Ganz unterhaltsam, aber über Maß blödsinnig flat
Autor: token
Datum:22.03.22 10:40
Antwort auf:Re:Ganz unterhaltsam, aber über Maß blödsinnig von Cerberus

>Kannst du das bitte mal an Beispielen aus dem Film festmachen? Ich hab das nämlich anders empfunden.

Es geht schon mit Strange los. Strange war ein verantwortungsloses und arrogantes Arschloch, der aber durchaus eine Entwicklung durchgemacht hat was Verantwortungsbewusstsein angeht. Und Strange ist nicht dumm, er ist das fucking Gegenteil von dumm, arrogant ja, aber eben auch ein Genie.

Dass er für Peter seinen inneren Playboy hochspült und auch mal fünfe gerade sein lässt kann ich noch kaufen, nicht jedoch dass er während des Zauberspruchs überhaupt erst erklärt was der Zauberspruch macht, und dann irgendwie affig jeden Einwurf einwebt. Ich empfand die Szene als ziemlichen Klamauk, ähnlich als die beiden Modells in Zoolander einen Computer "hacken".

Dieser Quatsch und wie er abläuft ist der maßgebliche Anstoß des gesamten Handlungsbogens. Das ist der Urknall. Ich finde da hätte man sich schon für zweieurofuffzich Gedanken machen können, wie das "es geht schief" so konstruiert wird dass Strange nicht ausschaut wie der allerletzte Volldepp.
Es wird auch im Nachgang nicht besser, wenn Strange dann die Schuldzuweisungen Richtung Peter betreibt, auch hier ein zentrales dramaturgisches Element, nämlich Peters Selbstzweifel. Dieses Element so zu unterfüttern, puh.

Wo es für Strange keine Erklärungen mehr gibt, warum er sich noch dümmer verhält als sein Origin-Ego, kann man für Peter in seinen Entscheidungsfindungen immerhin noch den jugendlichen Leichtsinn anführen. Aber auch ein solcher hat Grenzen. Etwa da wo ganze Straßenzüge von Figuren zerlegt und gezielte Mordanschläge auf Zivilisten gestartet werden. Seinen Idealismus kaufe ich ihm noch ab, dass er in diesem Clusterfuck die einzige Figur angreift die diesen Clusterfuck überhaupt noch versteht angreift mit knirschenden Zähnen.

Aber spätestens wenn es darum geht dass er nach dem was er gesehen hat, wo ihm einer der Charaktere auch noch sagt dass er gestört ist und darüber keine Kontrolle hat, es für eine gute Idee hält mit der ganzen Bande in der Butze chillen zu gehen, geht mir dann doch zu weit. Zumal es für diesen Schritt keinerlei Handlungsmotiv gibt, er hat für das was er plant eine gesicherte Umgebung, er braucht diese Charaktere nicht, er braucht diese in einem Safe Place, also warum macht er das?

Weil die nächste Eskalation halt auch einen Urknall braucht, und erneut bemühen sich die Schreiber nicht um schlüssige Motive und Entwicklungen, sondern lassen die nächste Figur ausschauen wie einen gehirnamputierten Vollspacken der ungeschützt mit übermächtigen Psychopathen highfived und der auch keinen Gedanken daran verschwendet dass er keinerlei Ahnung hat, ob und welche Konsequenzen das überhaupt haben könnte, sofern der Plan funktioniert. Den einzigen der das könnte hat er in eine Isolationskammer gesperrt, die größten Bedrohungen der Menschheit schäkernd aus ihrer Isokammer rausgeholt. Ja mei, Kinder halt...  

Don't get me wrong, die Fehlbarkeit von Helden halte ich für ein spannendes Motiv, meist ist diese Fehlbarkeit auch der Auslöser des Heldenjobs in Origin-Stories.
Das darf dann aber auch ein Stück weit organischer konstruiert werden, so wie hier, hat mich das emotional verloren. Ich konnte die Figuren nicht ernst nehmen, nicht ernst nehmen wie die Konflikte getriggert wurden, und entsprechend war ich dann auch nicht mehr geistig anwensend, als diese Trigger ihre Konsequenzen entfaltet haben, die dann teils auch ziemlich tragisch und weitreichend waren. Ich war bei Todesszenen so gerührt wie beim Beobachten meiner laufenden Kaffeemaschine.

Und ja, ich stell meinen Kopf bei Marvel auf Durchzug, ich mag die Serie, fühl mich meist gut unterhalten, aber dieses Drehbuch ist meines Erachtens wirklich Bay-Niveau gewesen. Dass sowas dann dennoch an den Kinokassen funktioniert überrascht nicht, aber ich find's schon bedauerlich wie wenig Elan hier in eine halbwegs schlüssige Handlung gesteckt wurde die das was ihre Figuren darstellen respektiert. Als wären die Actionszenen schon vorher geschrieben worden, und dann hieß es, okay, und jetzt baut ihr halt irgendwas drumrum was diese Szenen auslöst, ihr habt 20 Minuten und eine Flasche Vodka.


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