Thema:
Re:Vielen Dank flat
Autor: token
Datum:11.10.20 14:19
Antwort auf:Vielen Dank von Scarface

>Toll, danke das du dir die Zeit genommen hast.
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>Soweit bin ich bei dir und hatte es auch mehr oder weniger so verstanden.
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>Es gibt nur für mich aber eine Szene, die da stört. Die Szene in der Lily die Waffe aus dem Aufzug wirft bzw. die Reaktion von Forest darauf.
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>Sein Plan war ja, sich genau in diesem Aufzug von Lily erschießen zu lassen damit der "Transfer" ins Programm stattfindet. Das heisst, Forest selbst weiss nicht, dass die Realität nicht deterministisch ist?


Forest denkt nicht durchgehend rational, er ist emotional getrieben und das reicht hin bis zu einem hanebüchenen Selbstbetrug.

Ich versuche mal meine Perspektive über die Staffel zu spiegeln, klar sollte sein, das ist meine Interpretation, für mich blieben so aber am Ende keine Fragen offen.

Also:
Es ist schon früh ersichtlich dass Forest gegen wissenschaftliche Prinzipien verstößt in der Art und Weise wie er devs führt. Die Vehemenz mit der er den many worlds Ansatz sabotiert hat mit wissenschaftlicher Forschung nichts zu tun. Es ist okay dass Forest an eine andere These "glaubt", allerdings ist Glaube ja nur ein Richtungsgeber für eine These, sie liefert Verdachtsmomente, diese gilt es dann zu beweisen. Und Beweisführung ist kein Wunschkonzert, du kannst nur das Beweisen was auch stimmt, wenn etwas nicht stimmt, dann führt die Beweisführung ja nicht ins Leere weil der Versuch falsch ausgeführt wurde.

Forest dabei zu sehen wie er, obwohl er ein Genie ist, dennoch derart irrational vorgeht und sich so in der Deterministik verbeißt hat mich schon früh irritert. Denn es war klar, Forest benimmt sich diesbezüglich nicht rational sondern emotional. Das ist nicht grundsätzlich ein Problem, Mensch kann, egal wie klug er ist, nicht aus seiner Haut. Intelligenz stellt nicht sicher dass du auch in all deinen Handlungen intelligent und durchgehend rational agierst.

Wenn aber eine Figur die eigentlich intelligent und rational ist irrational agiert braucht es da auch ein starkes Motiv. Wie kann es sein dass jemand aktiv die Forschungen die er selbst betreibt erschwert und sabotiert. Hier legt die Serie erstmal eine falsche Fährte. Sie zeigt das Trauma von Forest's Verlust. Entsprechend hab ich gedacht, das Motiv ist die Schuldfrage. In einer vollends deterministischen Welt ist Forest in seinen Handlungen nicht frei. Es gibt kein Szenario in der seine Familie nicht stirbt. Der Nachweis einer deterministischen Simulation wäre entsprechend eine Absolution für Forest. Die Serie zeigt auch zunehmend Details, und macht irgendwann transparent, dass Forest durch seinen Anruf der Auslöser des Verkehrsunfalls ist, und hierbei auch weiß dass seine Frau von ihm in ihrer Konzentration gestört wird.
Es ist also nicht mal eine passive Schuld mit "Was wäre wenn"-Szenarien sondern eine aktive wo sein eigenes Fehlverhalten zum Unglück führt, dieses geradezu auslöst.

Entsprechend sah ich da ein starkes Motiv dafür warum Forest seine eigene Emotionalität im Hinblick auf wissenschaftliches Vorgehen im Weg steht und warum er teils aktiv und mit Druckaufbau die Arbeit der Entwickler geradezu unterminiert und sabotiert. Das Motiv ist zwar da, dennoch fand ich Absolution nicht ausreichend überzeugend um Forest abzukaufen warum er sich da so "dumm" benimmt.

Mit dem Reveal des eigentlichen Motivs ergibt es aber Sinn warum Forest zu einem derartigen Selbstbetrug fähig ist. Weil es nicht um Absolution geht, ein deterministischer Entwurf ist nicht ausschlaggebend für die Schuldfrage, Schuld spielt keine Rolle, der deterministische Entwurf ist entscheidend damit sein Vorhaben mit seiner Familie zusammen zu kommen so aufgeht wie er es verspricht.

Kurzum, wenn Forest 999 Indizien dafür sieht warum der deterministische Ansatz falsch ist, dann verbeißt er sich dennoch in dem einem Indiz warum er doch richtig sein könnte und geht aktiv gegen die 999 Indizien vor, schnürt diese ab usw.
Die Handlungen von Forest werden nicht von dessen wissenschaftlichem Genie bestimmt, sondern vom traumatisierten Vater und Ehemann der seine Familie zurück haben möchte. Forest lügt sich selbst in die Tasche, er errichtet sich ein Kartenhaus in welchem er daran glauben kann dass alles gut wird. Es ist der einzige Ausgang den er akzeptieren kann und will. Und er beschützt dieses Kartenhaus. Es ist alles was er noch hat, alles was ihn noch antreibt, alles was seinem Leben noch einen Sinn gibt. Und, er hat eine Komplizin die ihn darin auch unterstützt.

Und bis zu diesem Moment im "Fahrstuhl" kann er dieses Trugbild aufrecht erhalten. Das Genie in Forest sieht natürlich dass sein Kartenhaus immer stärker ins Wackeln kommt, aber es ist dieser Moment wo es endgültig zusammenfällt. Es ist dieser Moment der keinen anderen Schluss mehr zu lässt, es ist dieser Moment wo er die Natur einer Realität mit Gestaltungsräumen nicht mehr verleugnen kann.

>Zumindest reagiert er mit seinem entsetztem Blick so, als wäre gerade was Unmögliches passiert als Lily die Waffe rauswirft.

Es ist dieser Moment wo auch der traumatisierte Ehemann und Vater der sich mit aller Macht daran festbeißt letztlich letztlich eingestehen muss was Phase ist.
Genau da macht es Boom.
Sein ganzes Lebenswerk baut auf dem Prinzip "Es kann nicht sein was nicht sein darf" auf. Und da macht es Puff.

>Das hat mich rausgeholt. In den Wochen und Monaten davor, wo sie das getestet haben, muss es doch schon mehrere Situationen gegeben haben, die von der devs-Version abgewichen sind.
>

Das ist halt der Clou warum die Geschichte überhaupt funktionieren kann obwohl die Freiheitsgrade da sind das deterministische Prinzip der devs-Sim auszuhebeln. Dass sie es bis zum bitteren Ende aggressiv schützen. Die devs-Entwickler würden natürlich genau das tun, den Gegenbeweis antreten, es ist der einfachste Beweis den man machen kann, ein Gegenbeispiel und egal wie komplex die Theorie ist, alles bricht zusammen. Aber man schottet sie von der Option ab es zu tun. Und Forest selbst benimmt sich eben nicht rational, er benimmt sich wie ein kleines Kind das sich die Augen zuhält wenn ein Monster vor ihm steht, als ob das Monster weg wäre wenn er das tut. Und er schaut nicht mehr hin, weil es bestätigen würde dass das Monster wirklich da ist.

Die Frage ist, kann man Forest das abkaufen.
Ich persönlich konnte es ihm nicht abkaufen als ich noch dachte es geht um Schuld, aber als klar war worum es wirklich geht, nämlich Wiedervereinigung und dass das fucking alles ist was er im Leben noch hat und was ihn antreibt, mehr geht nicht um auch den intelligentesten Menschen dazu zu bringen sich in eine Realitätsverweigerung zu flüchten die aktiv dazu übergeht alles was nicht ins Konzept passt gar aktiv zu bekämpfen.
Das ist zutiefst menschlich und unter anderem die Basis von bspw. Verschwörungstheorien. Und egal wie klug du bist, du bist am Ende immer noch Mensch und einfach nicht davor gefeit dich in sowas zu verlieren wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

>Katies und Forests Reaktion nach zu urteilen war es aber wohl das erste Mal wo sowas passiert.
>
>Das ist für mich nicht ganz rund.
>

Sie sorgen halt aktiv dafür dass es erst da passiert, erst da entzieht es sich ihrer Kontrolle. Bis zu diesem Punkt bekommen sie es auch hin indem sie die devs vor der Option es zu tun abschirmen und auch für das Gelingen des Vorhabens bereit sind über Leichen zu gehen.
Sie selbst probieren es nicht. Sie reden nur darüber dass sie es probieren könnten, aber wirklich versuchen tun sie es eben nicht. Es geht halt auch nicht um Wahrheitsfindung.

Die benehmen sich aber nicht logisch?
Exakt! Es gibt auch keine logischen Motive. Das Motiv ist Liebe.
Und wann war Liebe je ein guter Ratgeber für rationales Verhalten? ;)


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