Thema:
Re:Ich kann mir schon vorstellen, wie das ausgeht flat
Autor: token
Datum:02.09.16 09:52
Antwort auf:Re:Ich kann mir schon vorstellen, wie das ausgeht von Suttree

>>Aber als "Film" finde ich Requiem wirklich schlecht, und aufgrund dessen wie Rezipienten diesen "Film" begreifen und was sie in der Nachbetrachtung aus ihm machen, Stichwort Tante Erna, wird dieser (imoimoimo) schlechte Film darüberhinaus zum Ärgernis.
>
>Hmm.. für mich sind diese beiden Blickwinkel irgendwie untrennbar miteinander verbunden, und der schmale Grad, der dort manchmal ausgelotet wird, sollte unabhängig davon sein, was der Zuschauer davon halten könnte. Das sollte einen Regisseur oder Drehbuchschreiber nicht beeinflussen, egal mit welchen Konsequenzen und was dann letztlich dabei herauskommt.
>
>Lieber 19 Gurken und einen Topfilm, als 20 Filme, die einen "ganz gut unterhalten".
>

Das würde ich so auch unterschreiben, was Publikumsreaktionen angeht auch ganz klar sagen, daran braucht sich ein Regisseur nicht zu orientieren. Fincher etwa hat in Fight Club bewusst mit unbequemen Perspektiven provoziert, das was im Nachgang aus dem Film gemacht wurde, spottet jeder Beschreibung.
Dennoch wäre es bescheuert Fincher zum Vorwurf zu machen, wie der Film gelesen wurde und was er punktuell in Gang gesetzt hat.

Aronofsky und Requiem mache ich nicht zum Vorwurf dass er Tante Enra in so einer Form erreicht, sondern dass er sie auch in so einer Form erreichen möchte.
Das ist works as intended.

Hierbei würde ich jedoch klar trennen zwischen dem Aspekt, dass ein Regisseur oder Autor das tun was sie tun wollen und Mauern einreißen, denn das ist super, und der Art und Weise wie sie das tun und was für ein Ergebnis heraus kommt.

Deswegen schrob ich ja, Aronofsky ist geil, aber wehe der Mann hat eine "Botschaft". Dann wird es schlimm.

>>Wo ist die Wahrheit dieses Films? Wo seine inhaltliche Authentizität?
>>Wo geht dieser Film auch nur ansatzweise an den Kern der Materie die er behandelt?
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>Was vermisst du bei Requiem denn am meisten, damit der Film an Wahrhaftigkeit und Tiefe gewinnt?
>

Schlichtweg Wahrhaftigkeit, wenn du die hast kommt die Tiefe von selbst.
Aronofsky arbeitet den Themenkomplex wirklich mit propagandistischen Stilmitteln ab. Er konstruiert Stränge von einseitigem Grauen die auf die Climax des absoluten Grauens zuarbeiten. Requiem ist ein klassischer Schocker.
Aber sein Angang an die Materie wird in so einer Form der Materie nicht gerecht. Aronofsky reduziert sich bspw. komplett auf den Ekel des Trips. Das ist aber schlichtweg gelogen. Es ist eine einseitige Inszenierung welche sich der Fragestellung, warum nehmen Menschen Drogen, komplett verschließt.
Dabei ist das in diesem Themenkomplex doch der springende Punkt, das Auge des Sturms.

Für mich ist Trainspotting wirklich das perfekte Gegenbeispiel. Auch Trainspotting ist ein Schocker, das ist kein Film nach dem man denkt, geil, ab zum Bahnhof Zoo, heute abend setzen wir uns eine Nadel. Aber er hat eine Handlung in welcher der Themenkomplex platziert wird, und er verzichtet auf die Scheuklappen.

>Ich vermisse da jetzt keine Handlungsstränge, was genau die Charaktere in die Lage gebracht hat, was ihre Beweggründe sind, oder warum sie so handeln wie sie es tun, falls das dein Problem ist.
>

Es sind unglaubwürdige Kunstfiguren in meinen Augen, sie haben keine glaubhaften Motive, wenn überhaupt, ihre Erlebniswelten werden einseitig verzerrt, was dem tatsächlichen Problem nicht im Ansatz gerecht wird.
Für mich bricht durch diese propagandistische Form die illusatorische Erlebniswelt die Film um einen herum konstruiert einfach zusammen. Und wenn das nicht mehr da ist bleibt ein Snuff-Film über der ein stilistisches Feuerwerk abspult, aber trotz dieses Feuerwerks eben nicht über eine reine Elendsschau hinauskommt.
Jedenfalls nicht für mich.
Ich stehe mit dieser Meinung auch relativ alleine da, Requiem wird gemeinhin gefeiert. Interessanterweise hatte ich mit meiner damaligen Partnerin diesen Eindruck geteilt, nach anfänglichem Staunen über das Bild- und Tongewitter und die geilen Schnittideen, mischte sich zunehmend ein wtf-is-this-shit hinein, hin zum Punkt einer totalen Dekonstruktion von Inhalt und Handlungsebene, so dass dann ab einem bestimmten Punkt in unser Wahrnehmung eine Art torture porn ablief.

>Das ihnen keine Hoffnung oder ein Ausweg gegönnt wird ist zwar wirklich bitter, angesichts der Thematik, aber imo auch eine Entscheidung, die ich akzeptieren und verstehen kann.  
>

Hoffnungslosigkeit und totaler Crash ist nicht der Punkt.
Sondern der Griff zu propagandistischen Stilmitteln die sich jeder Auseinandersetzung mit den zentralen Aspekten der behandelten Materie verschließen, die nicht ins Konzept des konstruierten sich zuspitzenden Elends passt.
Mir reicht das nicht für einen guten "Film".
Was nichts daran ändert dass Requiem für einen Filmstudenten sicherlich eine stilistische Goldgrube sein wird.


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