Thema:
Zustimmung, finde die Storystruktur besser und besser flat
Autor: membran
Datum:30.06.20 14:54
Antwort auf:Re:Vertane Chance *spoiler* von Scarface

>Naja, kann ich nicht mitgehen.
>Das sind wie du sagst für einen Teil der Spieler Probleme und für einen anderen Teil ist das absolut genial gemacht mit den Perspektivwechseln.


Sehe ich auch so. Man muss sich halt drauf einlassen. Ich hatte eine kurze Phase, eine halbe Stunde oder so, in der ich dezent irritiert war, weil der Wechsel von Ellie auf Abby auf dem vermeintlichen Höhepunkt der Story stattfindet und erstmal voll auf die Bremse latscht. Nicht nur spielt man auf einmal die "Böse", nein, man spielt auch noch deren Morgenroutine, schnarch! Dann kristalliert sich langsam raus, dass man echt nochmal alle drei oder vier Tage in Seattle aus der anderen Sicht spielt - und die Auflösung des Cliffhangers von eben noch sehr, sehr weit entfernt scheint. "Puh, ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll" ging's mir durch den Kopf. Aber das zahlte sich letztlich für mich voll aus, wenn Abbys Story wieder Tempo aufnimmt. Denn wo Ellies Abschnitt mit 120 über die Bahn tuckerte, kratzt Abbys an der elektronischen Abregelung bei 250 Sachen. Die zweite Hälfte des Spiels, die Abby-Hälfte, hat die interessantere Story (mit klaren Parallelen zu Joels & Ellies Reise aus Teil 1), die besseren Set Pieces (Sky Bridge), die besseren Actionsequenzen (Insel) und den gruseligeren Horror (Ground Zero). Auch die Flashbacks erfüllen ihren Zweck und sind mitnichten "wirr" oder "wild", wie ich sie öfter beschrieben gesehen habe. Ich habe stattdessen gesehen, dass hier Parallelen zwischen Abby und Ellie (z.B. Museum / Aquarium) aufgezeigt werden sollen, die das unterstützen, was mir beim Zocken eh schon mehrmals in den Sinn kam - und zwar, dass Ellie und Abby unter anderen Voraussetzungen vermutlich beste Freundinnen hätten werden können.

Und dass es das Spiel schafft, dass ich beim Zusammenführen der Handlungsstränge im Theater dann mehr mit Abby sympathisiere als mit Ellie - Ellie! - das empfand ich als schon was Besonderes. In irgendeinem Videoessay zum Thema hat der Sprecher es ganz passend getroffen - man kann Ellies Beweggründe nicht mehr so recht nachvollziehen, weil sie selber nicht mehr genau weiß, was sie will. Und dazu passt der Umstand, dass ihre Rache-Tour letztlich so unwichtig und klein im Großen und Ganzen ist, dass das Ziel ihrer Rache bis kurz vor Schluss überhaupt nichts von Ellies Taten mitbekommt, nichtmal von ihrer Anwesenheit in der Stadt weiß, weil sie ihren eigenen (und interessanteren) Film fährt. Ich hatte ja in meinem Post weiter unten noch kritisiert, dass die Geschehnisse nicht besser miteinander verzahnt sind. Mit ein paar Tagen Abstand wird klar, dass das absolute Absicht war. Überraschung, ich weiß.

Ich sehe aber ein, dass es sicherlich Leute gibt, bei denen das alles nicht hinhaut, die die Abby-Passagen von vorne bis hinten hassen. Bei denen geht das Konzept natürlich gar nicht auf.


Aber das ist ja nur die Story. Stories sind mir in Videospielen sonst wetestgehend egal und allerhöchstens ein Bonus, wenn die nicht allzu mies und peinlich sind. Dazu kommen noch die ganzen technischen Aspekte (die Grafik und die Details, ganzen die Details, Leute!) und der schiere Feinschliff des Ganzen. Das Encounter-Gameplay, das ich schlicht für Best in Class halte (und kommt mir nicht mit anderem Covershooter-Dreck wie Gears of War oder The Division), vor allem, wenn man das richtig schön aggressiv angeht, mit Anschießen + Meleefinish und vielen Flankierungsläufen - siehe z.B. hier [https://www.youtube.com/watch?v=dkiwlGnb4_4] oder hier [https://www.youtube.com/watch?v=YIVtaZ_m1T8]. Wie man das nicht als Ausnahmetitel wahrnehmen kann, auch wenn einem die Story oder deren Erzählweise nicht so recht schmeckte, kann ich ich nur schwer nachvollziehen.


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