Thema:
Muss Dir beipflichten und ergänzen... flat
Autor: hoover2701
Datum:19.11.18 09:54
Antwort auf:zocke grad wieder etwas AssCreed, Gedanken dazu von Wurzelgnom

Ist ganz interessant, was Du da schreibst, weil es auch in dem "Auf ein Bier"-Podcast ausführlich beschrieben wurde. Diese "Schwere" bzw. "Gravitas" vermittelt einem tatsächlich das Gefühl, in der Welt präsent und nicht nur ein stumpfer Zuschauer zu sein.

Das "Gewicht" ist in RDR2 zu etwas nicht mehr Wegzudenkendem geworden und in Ermangelung von AC: Odyssey habe ich gestern Abend nochmal Origins angeworfen und Bayek (so sehr ich ihn mag) fühlt sich an wie aus Papier. Wie eine Augsburger Puppenkiste - Marionette aus Pappmaché...

Witzig ist ja, dass sich an dieser "Schwere" und der damit einhergehenden Panzersteuerung (an die ich mich mittlerweile super gewöhnt habe) komplett die Geister hier im Forum scheiden. Alleine die Detailversessenheit, mit der Arthurs Animationen beim Auf-das-Pferd-steigen, beim Hinsetzen, beim Abhang-runterrutschen etc. umgesetzt worden sind! Es ist halt ein vom harten Outlaw-Leben gekennzeichneter Mann mittleren Alters, der seine besten Zeiten hinter sich hat und das kommt hierdurch sowas von rüber, dass es nur als perfekt bezeichnet werden kann. Bayek hingegen ist der ADHS-Assassine, der binnen Sekunden den Leuchtturm von Pharos erklimmt und dann aus 100 Metern in einen Heuhaufen springt, um dann auf sein neben ihm materialisierendes Kamel im Galopp in einer fließenden Bewegung aufzusitzen.

Das Gleiche gilt, wie Du schon beschrieben hast, für die Welt. Ein Berg in RDR2 ist etwas Feindliches, Wasser respekteinflößend, Hindernisse nur schwer zu überwinden. Bei Origins ist die zugegebenermaßen schöne Umgebung nicht mehr als eine "Tapete" (ich zitiere Dich hier mal, weil es so perfekt passt). Gerade die Straßen und Wege sind dadurch eigentlich egal, denn Bayek kann nahezu jeden Punkt auf der Map ohne große Einschränkungen in Windeseile erreichen, oder aber Schnellreise-Hopping betreiben.

Dass das dann von vielen als "Komfort" bezeichnet wird, ist ja nachvollziehbar, aber eben auf lange Sicht nix für mich, denn die Immersion geht hierdurch komplett flöten und alles wird beliebig, weil ich mir nichts mehr erarbeiten muss... Und ich will mir Dinge erarbeiten! Die popeligsten Aufträge in RDR2 sind arbeitsintensiv und erfordern Planung, Zeit und Mühe. Ich finde das fantastisch und je länger ich in dieser Welt verweile, desto besser kann ich mich organisieren und herausfordernden Ereignissen trotzen. Immer seltener sterbe ich durch fehlerhaftes und unvorsichtiges Verhalten, in Städten nehme ich mich komplett zurück, selektiere im Waffenrad die Fäuste und reite nur im Schrittempo. Vor längeren Expeditionen esse ich viel und schlafe mich aus. Vor jedem Absteigen vom Pferd mache ich mir klar, welche Bewaffnung in den nächsten zehn Minuten zu Fuß für mich Relevanz hat...

RDR2 erfordert meine komplette Aufmerksamkeit und ich fühle mich als Spieler extremst ernst genommen und wenn ich dementsprechend handele, werde ich durch Erfolg belohnt. Besser geht es meines Erachtens nicht.

Über die ganzen Nebenquests und verteilten Gegenstände in der Spielwelt haben wir ja noch nicht mal angefangen zu sprechen. RDR2 macht das auf eine Art und Weise, die ich liebe. Ich habe von einem Bandenmitglied den Tipp bekommen, dass in St. Denis der Waffenhändler illegale Pokerpartien organisiert. In der Stadt selber gebe ich einem Bettler einige Cent. Ich erfahre, dass er beim Pokern über dem Waffenhändler seine gesamten Ersparnisse verloren hat. Vor einer Farm liegt eine tote Frau. Neben ihr ein Revolver. Offensichtlich Selbstmord. Ich durchsuche sie und finde einen Brief eines Mannes, der ihr mitteilt, dass ihre Beziehung keine Zukunft hat, da er verheiratet ist und er bittet sie, ihn und seine Frau in Ruhe zu lassen. In der Hütte liegt ein verstümmeltes Paar. In meinem Kopf kann ich die Ereignisse wie ein Puzzle zusammensetzen, ohne dass hierfür eine Zwischensequenz oder plumpe Kommentare von Arthur dafür notwendig wären. Geil, geil, geil!

Ich kann es partout nicht verstehen, dass hier im Forum so viele Leute einem Fast-Food-Gaming gegenüber einem solchen Gourmet-Schwergewicht den Vorzug geben, aber hey, über Geschmack lässt sich ja Gott sei Dank streiten.


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