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Autor: | token | ||
Datum: | 19.08.22 10:36 | ||
Antwort auf: | Respekt alter von Mampf | ||
>Ich war der gynasiale möchtegern interlektuelle, der die sozial total benachteiligten Freunde mit moralischer besser wisserrei belehren wollte, völlig unangemessen und fernab deren lebensrealität. Im nachhinein wundert sich es mich nicht, dass viele von denen (und leider auch mein Bruder) Empfänglich sind für schwurbeleien. Und es ist schon sehr tragisch dass sie, als Migranten, nicht mal merken, von wem sie sich da vom karren spannen lassen. Umso mehr regt mich halt die von dir beschriebene lebenswert Ferne strategie und Politik auf. > Ja, man lacht gerne über die Fliesentischreportage, aber in der Innenperspektive solcher Reportagen aufzuwachsen und dem dann zu entwachsen verändert da echt die Perspektive. Da hat sehr vieles überhaupt nichts mit Dummheit oder grundlegender Asozialität zu tun. Auch bei so absoluten Basics. Ich habe mich auch sehr lange gewundert was das für komische Menschen sind die Wasser kaufen. Kostet genauso viel und oftmals mehr als der Softdrink. Sind die dumm? Das schmeckt doch viel besser. Du hast Informationen, die man für absolute Basics hält, einfach nicht, und das sind Sachen, so selbstverständlich sie auch scheinen, die sich halt nicht mit Intellenz herleiten lassen. Werbung wird in so einer Schicht, zumindest zu meiner Zeit, dann auch entsprechend anders wahrgenommen. Milchschnitte ist nicht gesund und keine Mahlzeit? So Sachen. Oder Dinge die eigentlich nicht sein dürften, und heutzutage auch kontrolliert werden, aber damals keinen juckten, obwohl alle wussten was los ist. Wenn ich als kleines Kind jeden Tag zum Kiosk gehe, und dann literweise Alk kaufe, und dann als Beilage dann halt mal das Yps-Heft oder mal das Stangeneis, dann weiß der Besitzer womit und wie er sein Geld verdient. Ich als Kind verstehe nicht was passiert und warum, er aber sehr wohl. Und wünscht mir lächelnd einen schönen Tag. Oder wie wir uns mit Waffen eingedeckt haben. Paar Meter Fußweg zum Laden, natürlich sind genau da solche Läden, und dann Butterfly und Stiletto und Tränengas. Drückst du so einem Halbstarken wie mir in die Hand, kein Problem, Danke Tschüss. Zumindest gingen die Gasknarren nicht so einfach, aber auch das, hey, die kauft dann irgendein merkbefreiter Vater. Kann man nur froh sein, dass wir keine Waffengesetze wie bei den Amis haben, ich will mir nicht mal vorstellen was da abgegangen wäre, wenn wir an echte Knarren rangekommen wären. Und wenn es die Möglichkeit gegeben hätte, natürlich hätten wir das gewollt. Die Gangsta-Filme deren Message eigentlich Abschreckung und Drama war, die haben uns angestachelt, wir sahen nicht das Drama, wir fanden das geil. Da ist auch vieles wirklich systemisch verankert, und meiner Meinung nach absolut bewusst so aufgesetzt. Meine Familie stammte ja auch schon in Polen aus äußerst einfachen Verhältnissen. Da war die Auswanderung der Traum von einem besseren Leben. Mit natürlich absolut hanebüchenen Vorstellungen darüber was sie im deutschen Märchenwald tatsächlich erwartet. Aber auch hier, woher sollten sie das wissen? Da gibt es aber auch andere Geschichten und andere Beweggründe zur Auswanderung, wo der systemische Rassismus mit klein und dumm und weg halten viel deutlicher klar wird. Der Beweggrund der Mutter meiner Ex-Frau war da bspw. komplett anders. Die stammte aus einer Arztfamilie. Und ihr Mann hat Suizid begangen. Da hieß es von den Schwiegereltern, du bist schuld, du hast unseren Sohn umgebracht. Natürlich musste sie schuld sein, ist doch klar. Dafür muss es ja eine einfache Erklärung geben. Und als ihr einziger Sohn weg war, hatten sie es auf die Enkelinnen abgesehen. Und das waren wirklich reiche und mächtige Menschen mit sehr langen Hebeln. Da ist sie abgehauen. Weil sie Angst hatte dass die ihr wirklich die Kinder wegnehmen. Das hatte nichts mit Träumen von einen besseren Leben zu tun. Das war polnische Elite. Auch die ist putzen gegangen. Oder hat aufgrund ihres handwerkliches Geschicks dann so tolle Jobs gemacht wie am Fließband Platinen zu löten. Hier war man dann wieder gleich. Trotz ganz anderer Qualifikationen. Interessierte nicht. Irgendwann hat sie es dann gemacht und ist trotz ihres Alters nochmal ganz von vorn durch den Ausbildungsapparat. Der eigentlich unter dem lag was sie eigentlich konnte. Heute arbeitet sie in der medizinischen Forschung. Putzen. Medizinische Forschungsarbeit. Da liegt schon bisserl was zwischen, wa. Was meine Ex schon früh gecheckt hat (von ihr kam auch maßgeblich die Ansage wie wichtig es für uns ist da sofort abzuhauen), und wo ich erstmal anderer Meinung war und wir uns gestritten haben, war dass diese Gaps von Lebensrealitäten auch so weiter gehen wenn man aus dem Problemviertel raus ist. Das war echt ein Punkt. Es gab ein in meinen Augen tolles Gymnasium ums Eck. Wir haben da auch lange gelebt und dann kriegst du ja auch was von den Schülern mit die da hin gehen, lernst einige Menschen die dort leben und Kinder haben kennen und das sind coole, soziale, und gemachte Leute, und denkst, wo soll hier denn irgendein Problem sein? Und das bissgen versprengtes Asitum ist was hier am Start ist, ist doch ein für die Entwicklung gesunder reality check? Und sie meint nur, hast du hier schon an mehreren Schulen unterrichtet. Kennst du Leute die auf diese Schule gegangen sind? Nein? Dann vertrau mir doch mal. Und ich mein nur, sach mal, das ist jeden Tag über eine Stunde Fahrtzeit, statt 2 Minuten Fußweg. Die Freunde von ihr wohnen dann auch wo anders und nicht nebenan. Und das ist ein kleines Kind, Bewerbungsverfahren, Tests, Interviews? I mean, hello? Allein das, ich will Sie nicht schon in so einem Alter einem solchen Leistungsstress aussetzen, zumal ich nicht kapiere wozu überhaupt. Dann hat sie sich durchgesetzt. Zuletzt standen wir im Tanzbrunnen, einem Veranstaltungsort wo auch internationale Künstler auftreten. Und sie mit einem Schulorchester auf der Bühne. Da stand ich mit meiner Ex, und meinte nur, surreal ey, sowas hatten wir nicht, wa, und muss lachen. Und hab mich dann erneut bedankt dass sie da stur geblieben ist und sich durchgesetzt hat. Nicht alles ist da so gezielt aufgebaut wie solche Stunts wie auf Qualifikationen die man anerkennen könnte und auf die man scheißt. Natürlich kann so eine Schule bei den Lehrkräften cherrypicken. Wo würdest du denn arbeiten wollen wenn du als Topkraft alle Möglichkeiten hast. Mit Kindern wie wir es waren? Da kann ich rückblickend auch den Lehrern irgendwann keinen Vorwurf mehr machen wenn ich mich da reinversetze. Da steht eine junge Frau an der Tafel, und aus dem Raum kommt, Fotze, Fotze, Fotze, Fotze...ich würde mich in so einer Situation auch abschirmen und auf Durchzug stellen um nicht den Verstand zu verlieren, und in erster Linie schauen dass ich genau da nicht lande. Und natürlich wird man dann bspw. auch anders von den Elternfraktionen unterstützt, auch finanziell, auch da wird gespendet und gewisses Material wie bspw. Soundanlagen direkt über diese Schule eingekauft. Und die Orga anders unterstützt. Auch Sachen wie Planungen von Unternehmungen, auch da kannst du andere Angebote unterbreiten, wenn nicht drei Viertel der Klasse über Sozialkassen gehen, sondern quasi niemand. Oder Elternklüngel bei den ganzen Topjobs bei Praktikumsplätzen, da gibt es dann die richtig richtig coolen Sachen. Aber die sind halt eine geschlossene Gesellschaft. Offiziell natürlich nicht, aber praktisch ist das so. Das ist alles ein anderer Planet, und ich bin bis heute immer wieder überrascht was da geht und was es gibt. Etwa wenn Lehrer Prospekte für Begabtenprogramme an meine Kleine rantragen, wo es dann so Workshops für die Brains gibt. Wo sie diese dann vorschlagen und anmelden und dazu motivieren, das könntest du machen, jenes könntest machen, und darüber informieren und dazu motivieren. Und nicht erzählen, was man sich aus den Haaren schmieren könne, wenn man was von seinen Ambitionen erzählt. Naja, ich hör mal besser auf bevor der Datenspeicher über läuft ;) Aber zum Abschluss noch eins. Das was halt deprimiert und frustriert ist, man kann ja sagen, wir sind halt Leistungsgesellschaft, das ist halt so, leiste was, biste was. Aber wenn ich jetzt auf die Freunde meiner Tochter schaue und mit ihnen reden, das sind im Grunde die gleichen Kids wie wir es waren, ich sehe da nicht wirklich großartig mehr Potenziale, das sind normale Menschen. Der Unterschied ist einfach nur Geld. Und wie sich dann Schichten voneinander abgrenzen mit irritierenden Unterschieden in Sachen Lebensrealität und Umfeld. Ich glaub, das Ausmaß dieser Unterschiede versteht man kaum, wenn man da nicht drin steckt. Und will man von einer in die andere durchstoßen, kann sowas durchaus ein Generationenprojekt sein. Egal was du drauf hast oder nicht drauf hast. Es ist alles andere als die faire Struktur die man nach Außen vermarktet. Und die Gräben zwischen diesen Schichten sind groß und scheinen größer zu werden, und es scheint auch im Hinblick darauf wo sich über die Zeit mehr und mehr Speck entwickelt, und wo Fett abgebaut wird, jetzt auch nicht so als ob irgendwas besser würde und eine Trendumkehr ist auch nicht in Sicht. |
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