Thema:
Re:96 jährige NS Prozess Angeklagte geflüchtet flat
Autor: Lord Chaos
Datum:01.10.21 10:17
Antwort auf:Re:96 jährige NS Prozess Angeklagte geflüchtet von suicuique

>>>Positive Generalprävention (Bestätigung des Rechtsbewustseins und Verarbeitung von Rachegelüsten) erscheint mir der einzige verbliebene Aspekt zu sein dem man mit einer Strafe noch erzielen könnte oder sollte.
>>>
>>>Eine Grundlage für Individualprävention (Abschreckung, Sicherung, Resozialisierung) oder gar einen Täter-Opfer-Ausgleich sehe ich nicht gegeben. Nicht bei einer 98 Jährigen und dieser konkreten Tat.
>>>
>>>Bei all den Gedanken  bei diesem konkreten Fall sollte man halt nicht vergessen dass Strafen im deutschen Rechtssystem einem Zweck dienen müssen und nicht allein als Vergeltung für die Tat stehen. Diese absolute Straftheorie gilt als schon lange überholt.
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>>>Als Einstieg: [https://www.bpb.de/izpb/268220/vom-sinn-und-zweck-des-strafens]
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>>>gruß
>>
>>Ich kenne die Grundgedanken der deutschen Rechtssprechung, ich hatte ja teils damit auch beruflich zu tun.
>
>Ich wollte Dich keineswegs belehren.


Habe ich auch nicht so verstanden, ich wollte nur nochmals untermauern, dass ich mir über die Grundsätze der Rechtsprechung in Deutschland im Klaren bin und diese auch gut finde, eben weil hier keine Vergeltung wirklich Verwendung findet.

>Aber gerade Prävention durch Abschreckung ist doch im Strafsystem umstritten und wird zb in der Diskussion um die Todesstrafe (=maximale Abschreckung) IMO zu Recht als Gegenargument aufgeführt.

Dass es die Todesstrafe in Deutschland nicht gibt, hat meines Erachtens andere Gründe, Stichwort Menschenrechte - aber bei Kapitalverbrechen wie Mord fließt IMHO schon auch eine Abschreckung in die Rechtssprechung, deswegen wird da ja auch so mit das Höchste verhängt, was die deutsche Rechtssprechung hergibt.

EDIT: Und das eine schließt ja das andere nicht aus - also, Abschreckung auf der einen Seite und Resozialisierung auf der anderen Seite, deswegen besteht IMHO ja auch bei diesem Kapitalverbrechen eine Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung.

>>Und ja, es mag bizarr klingen, eine über 90 Jahre alte Frau dafür vor Gericht zu stellen, was vor 80 Jahren passiert ist, aber Mord wie auch Beihilfe ist halt auch nichts, was verjähren kann & im Gegensatz zu vielen Menschen, die dort gefoltert oder umgebracht worden sind, hat die Dame ein relativ unbelligtes Leben gehabt.
>
>Auch das streite ich nicht ab. "Sie ist gut davongekommen".
>Diese bloße Feststellugn bietet aber nur eine dünne Basis für die Frage was das Strafmaß bezwecken sollte.


Naja, die Anklage lautet auf "Behilfe zum Mord" in mehreren Tausend Fällen, und wenn ihr bekannt war, dass hinter jedem Kürzel und Befehl, den Sie abgetippt, weitergeleitet hat, Befehle gesteckt haben, aufgrund denen Menschen umgebracht wurden, fällt es mir sehr schwer, gerade mit Blick darauf, dass Sie als zivile Angestellte eben nicht zwangsverpflichtet war, hier keine Beihilfe zum Mord zu sehen - und das wurde ja vom BGH auch 2016 in einem anderen Fall bestätigt, dass eben nicht unmittelbare Täterschaft gegeben sein muss, sondern auch Kenntnis und indirekte Unterstützung für ein entsprechendes Urteil ausreicht.


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