Thema:
Re:3 Stunden Länge waren genau passend flat
Autor: token
Datum:30.05.22 12:19
Antwort auf:Re:3 Stunden Länge waren genau passend von hoover2701

>>Und das Ding ist halt auch, es ist eine unglaublich stumpfe Formel, aber eine die nach wie vor einfach funktioniert.
>>Und du kannst dich auch mit aktuellen Sehgewohnheiten irgendwann nicht mehr dagegen wehren.
>
>"Stumpf" und "aktuell" passen da nicht so recht als Umschreibungen. Das "Stumpfe", von dem Du sprichst, ist doch vielmehr eine erfrischende Ehrlichkeit und von Erklärungsversuchen befreite Einfachheit, die es dem Kinogänger ermöglicht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, nämlich sich ALLEM hingeben zu können, ohne die vorhergehende Szene noch analysieren zu müssen.


Weiß nicht.
Zum einen, Film ist immer manipulativ. Das ist quasi der Kern, da flimmert etwas über eine Leinwand, da sind Menschen die spielen irgendwelche Rollen, auf Kernelemente runtergedampfte Erzählungen die etwa 2 Stunden haben um mit wirklich allem zu Potte zu kommen. Charaktere müssen vorgestellt werden, Handlungsmotive, eine Dramaturgie, ihre Auflösungen, und der Zuschauer muss bei allem noch mitkommen.

Und da gibt es Kniffe wie man diese Manipulation hinbekommt, aber das ist eben nie statisch, weil der Zuschauer irgendwann diese Kniffe zunehmend reflektiert, und dann muss man sich was neues einfallen lassen damit es der Zuschauer wieder nicht merkt.
Wir haben in unserem Alter auch eine Hochzeit der Destruktion dieser Kniffe erlebt, denn nichts anderes haben die ZAZ-Filme gemacht. Sie haben dem Medium mit seinen Stilmitteln und den prägenden Aushängeschildern einfach die Hose runtergezogen und darüber gelacht. Und das halt auch zu Recht.

All das was RRR macht und wie es das macht, das ist dem westlichen Kino ja nicht fremd, nur sind die Filme (und ihre special fx) die so getickt haben halt schon 70 Jahre alt.
Und wenn du das gleiche erreichen willst wie die Filme damals, dann musst du entweder deutlich mehr an handwerklichem Geschick investieren damit bestimmte "Täuschungen" wieder funktionieren, oder vermengst den Wahnsinn mit einer Prise Selbstironie wo du dem Publikum durch die vierte Wand zurufst, wir machen nur Spaß, alle mal anschnallen.

Oder, du machst halt einen Film für Kinder, weil diese noch nicht die Erfahrungswerte in der Sehgewohnheit mitbringen, so wie man als Vater ja auch mit den allerbilligsten Münzentricks für große Augen sorgen kann.

Und das sehe ich in RRR, eigentlich eine antiquierte Machart, ein Film wie man ihn im Westen heutzutage eher für Kinder produziert. Und was so erfrischend ist, ist ja diese Mischung aus full frontal maximum overload mit quasi NULL self awareness.

Aber das was RRR macht, ist mitnichten das was ich im heutigen Blockbuster-Kino vermisse, im Gegenteil ist das was man hier seht eher ein Überdrehen der Probleme des heutigen Kinos (zumindest für mich).

Was für mich dann maßgeblich deshalb so unterhaltsam ausfällt, weil sie ähnlich wie ZAZ-Streifen Anzüge der Persiflage mitbringen, es ist ja nicht so dass man in allem all in ist und krass mitfiebert und weint und was weiß ich, sondern so halb drauf anspringt, und so halb eher ob der Ausmaße der Absurdität des Geschehens entertained wird.

Dabei sollte man auch nicht vergessen dass auch ZAZ-Streifen mitnichten eine aneindergeklebte Sketchshow waren, sondern halt auch diese einfache Ebene mitbrachten mit Charakteren die Handlungsmotive hatten und in einer dramaturgischen Handlung eingebettet waren, was auch auf das notwendigste runtergerippt war, aber eben auch bis zu einem bestimmten Punkt funktioniert hat, weil diese Stilmittel nun mal grundsätzlich funktionieren.

Ein Film wie Galaxy Quest, der die Formel der Persiflage evolutioniert hat, war etwa nicht nur lustiger Quatschfug, sondern tatsächlich ein verdammt guter und unterhaltsamer Sci-Fi-Film unter dem ganzen Blödsinn, dessen Handlung und Figuren auch auf der normalen Ebene gegriffen haben.

Was ich NICHT will sind Filmemacher die mir augenzwinkernd sagen, Junge, schalt mal den Kopf aus, wir drehen jetzt mal richtig auf. Sondern handwerkliches Geschick und Ambition. Ein Film wie "Der Marsianer" ist fucking gutes und extrem kurzweiliges Entertainment, wo ich auch nicht nachdenken muss und die Zeit wie im Flug vergeht und ich lache und mitfiebere und auch mal ein Tränchen kullert, mir dabei aber auch nicht für Blöde verkauft vorkomme.

Ein Tom Cruise versteht dass der spektakuläre Irrwitz komplett anders zieht und flashed wenn du siehst, das haben die tatsächlich so gemacht, das kommt NICHT aus dem Computer. Ein Villeneuve der Sachen aus dem Computer zieht, achtet dann auch darauf dass es dennoch "echt" wirkt, etwa auch CGI-Szenen mit Außenaufnahmen gemischt werden, damit die Beleuchtung richtig ist und die Illusion der Szene ganz anders ankert, als es Greenscreen-CGI mit der Windmaschine tut.

Wenn man schaut wie Marvel die Blockbuster-Sparte dominiert und wie es sich entwickelt, dann bin ich der Meinung, Marvel geht mir halt schon zu viel in diese Scheißegal-Richtung wo es auf alles pfeift und denkt, wenn man mal kurz in die Kamera zwinkert, ist das schon auch okay.

Statt echter Tiere, CGI-Tiere selbst für irgendwelche Bumsaufnahmen, statt Mischsets werden ganze Filme in Grünkammern gedreht so dass du es permanent siehst, statt durchdachter Choreo werden einfach Spektakelfantasien von 12jährigen die keinerlei Stringenz mitbringen abgespult, als sei ein 36facher Salto einer Computerfigur irgendwie aufregend und das "überdrehen" für sich ausreichend um dem Actionerlebnis im Kinositz Wucht mitzugeben die mitreißt.

Das sieht man noch nicht in allen diesen Filmen, aber es verstärkt sich imo, wo du imo auch bestimmten Filmemachern anmerkst dass da wo diese früher Ambitionen hatten mittlerweile auch drauf scheißen, die Leuten rennen ja eh rein, wayne interessierts, warum soll ich zwei Tage auf eine Szene verplempern, wenn das auch aus dem Computer kommen kann und es dem Publikum offenbar scheißegal ist.

>Die drei Stunden RRR sind auf jeden Fall weniger "anstrengend" zu verfolgen als fünf Minuten des sonntäglichen Tatorts. Das ist so dermaßen runtergebrochen auf das Wesentliche in schwarz-weiss, dass man jedes Ereignis im Film im Moment des Geschehens verarbeiten und feiern kann.
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>Und "aktuelle" Sehgewohnheiten sind doch kulturell vorgeprägt... Ich fand es erstaunlich leicht, mich dieser "anderen" Art des Pacings, Storytellings und überhaupt den ungewohnten Komponenten hinzugeben und das einfach nur zu genießen. Das war auch kein guilty pleasure, sondern einfach nur dankbares "Unterhalten-Werden".
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Aber das hab ich halt auch in einem Django Unchained, ohne dass ich mich mit Druckbetankung dafür in Stimmung bringen muss. Da vergesse ich mich und bin tatsächlich ergriffen. Ein Bösewicht der auch comichaft ist, mir aber dennoch einen Schauer über den Rücken jagt. Ein Held wo mir nicht grundlegend egal ist ob der jetzt scheitert oder triumphiert, stirbt oder überlebt, weil ich emotional ganz anders investiert bin, ohne dass das was dahinter steht wirklich deep oder clever oder komplex wäre. Das muss es nicht sein. Aber es muss gut gemacht sein.
Das ist für mich das Blockbuster-Kino was ich liebe.
Sowas wie RRR eher eine lustige Kirmes die als Onetrick-Pony funktioniert, wo es mich jetzt aber auch nicht antreibt den Irrsinn des indischen Kinos nachzuholen ;)

Kann man schon mal machen und das gerne auch mal wiederholen. Vorbildcharakter hat für mich aber nur spürbare verspielte Freude dahinter, wogegen die Westnummern zunehmend schablonenhaft berechnend wirken, als wären sie nicht Resultat einer Idee, sondern Resultat von Umfragen und Statistiken. Aber in seiner Machart ist RRR in meinen Augen wirklich stumpf wie sonstwas ;)


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