Thema:
Ich hab da gearbeitet. AMA! flat
Autor: BOBELE
Datum:14.03.23 13:48
Antwort auf:Liste der Galeria-Schließung ist da! von Cerberus

Fast 30 Jahre habe ich in der Hauptverwaltung vom Kaufhof gearbeitet. Vor etwas über 3 Jahren habe ich dann als Mitarbeitervertreter noch die Abwicklung des alten Kaufhof bei der Übernahme durch Karstadt mitgestalten "dürfen" (Sozialplan, Interessenausgleich, Massenentlassungen etc.) und habe darum einen teilweise etwas anderen Blick darauf als so mancher hier.

Ein paar Beispiele:

"Das Konzept Kaufhaus ist tot"

Das denke ich nicht. Bis 2015 war der Kaufhof noch Teil der Metro und hat stabil viele Millionen Euro Gewinn pro Jahr generiert. Und das, obwohl man auch da schon die typischen Fehler machte (Einschränkung des Sortiments, Ausdünnen der Personals). Aber erst mit dem Einzug der Heuschrecken, die kein Warenhausgeschäft mehr machen wollten, sondern nur an den Immobilien interessiert waren, gings wirklich bergab.

Der Karstadt war das Negativbeispiel: Ohne Invesitionen und vor allem ohne Personal funktioniert Einzelhandel nicht. Das hat man dann beim Kaufhof nachgemacht. Sehenden Auges. Und die Immobilien aus dem Eigenbestand aus dem Unternehmen gelöst. Da musste der Laden dann plötzlich etliche Millionen an Miete zahlen für die Häuser, die ihm bislang gehört haben. So kriegt man alles kaputt.

Aber Hauptproblem ist der Personalabbau. Das zeigt sich aber nicht nur beim Kaufhaus, sondern überall. Sogesehen ist nicht das Konzept Kaufhaus tot, sondern das Konzept Einzelhandel.


"Die Shop in Shop Idee"...

Ist eigentlich kein wirkliches Konzept im Sinne von Warenpräsentation oder Kundenführung, sondern schlicht Folge des Personalabbaus und der daraus unverzichtbaren Concessions. Das heisst: Man vermietet Verkaufsfläche an Marken, die von Mobiliar über Warenverräumung und Präsentation bis hin zum Verkaufspersonal alles selber stellen. Nur kassiert wird noch von Kaufhausmitarbeitern. Wenn es das Personal der Concessions nicht gäbe, wären in manchen Häusern maximal noch zwei Menschen auf der Fläche. Wenn man nun aber anfängt, für einzelne Marken eigene Flächen zu machen, dann kann man nicht für die andere Ware weiter nach Produkttyp platzieren. Wenn Du ne Hosenabteilung machst, aber Esprit seine Hosen in der eigenen Abteilung verkaufen soll, dann verirrt sich der Kunde auf der Suche nach ner Hose da eben seltener hin. Findet Esprit dann scheisse. Also Markenshops überall.


"Es ist bitter"...

Ja, das ist es wirklich. Ich bin raus, als die Zusammenlegung passiert ist und sie unsere Hauptverwaltung zugemacht haben, darum kann ich zu den Zuständen bei Karstadt wenig sagen. Die Leute da waren ja schon durch ne Insolvenz durch, waren raus aus dem Tarif, haben schon auf extrem viel Geld verzichtet. Der Kaufhof war bis zum Verkauf durch die Metro ein extrem guter Arbeitgeber. Tarifgebunden, sehr sozial, sehr gutes und familiären Betriebsklima. Als Mitarbeitervertreter durfte ich die Schutzbedürftigsten im Unternehmen betreuen und kann nur sagen: Früher war das eine Freude. Darum war das Durchschnittsalter der Mitarbeitenden im Kaufhof auch astronomisch hoch (knapp 50 afaik). Das hat man seine Lehre gemacht und ist nie gegangen. Warum auch? Am Ende wars dann aber ein Management, das Menschen nur noch wie Betriebsmittel kalkuliert und behandelt hat. Und ja, das war SEHR bitter. Die meisten wussten gar nicht, wie ihnen geschieht. Und bei der Altersstruktur war es für viele auch einfach nicht leicht, eine Folgeverwendung zu finden. Die Leute aus der Hauptverwaltung hatten es noch relativ leicht, aber die aus der Fläche... Personal ist halt im Einzelhandel offenbar nirgends gesucht (siehe oben) und hier zieht der inzwischen eher arbeitnehmerfreundliche Arbeitsmarkt nicht.


"Diese und jene Filiale macht nicht zu, das ist komisch, weil..."

Ein großer Teil der Immobilien gehören der Signa. Kaufhäuser in diesen Häusern wird man nicht schließen, auch wenn 300 Meter daneben das nächste steht. Das ist aus Sicht eines Kaufhausbetriebs bescheuert, aber der Signa ging es doch nie um den Betrieb von Kaufhäusern. Die können nur nicht auf einen Schlag Häuser mit einer Substanz aus den 50ern so umbauen, dass sich etliche Kleinfächen an Office-Spaces, amazon-Citylager, Fitnesstudios und Einzelhändler vermieten lassen. Die brauchen für eine noch längere Zeit irgendeinen Mieter, damit das Dinger nicht leer stehen und dabei rasant an Wert verlieren. Angemietete Häuser macht man gerne zu. Da geht man gern insolvent, verlangt vom Vermieter, aus ausdtehende Mieten zu verzichten und in Zukunft nur noch Kleckermieten zu verlangen (garniert mit geschickt in die Panik getriebenen Bürgermeistern, die ins gleiche Horn stoßen, damit bloß der Kundenmagnet nicht aus der Stadt verschwindet). Und wenn da nach dem x-ten Mal keiner mehr mitspielt, macht man die Läden eben zu. Aus der Insolvenz ist ja einiges einfacher.  


Ich bin seit über 3 Jahren raus, man sollte meinen, es berührt mich nicht mehr. Aber ich habe noch Kontakt zu so vielen Kollegen und Kolleginnen, es wühlt mich noch immer auf. Ich bin der festen Überzeugung: Das Konzept Warenhaus wird nur kaputt gemacht, das hätte schon noch seinen Platz, wenn man es richtig machen würde. Beispiel KDW: Da kleckert man nicht, da klotzt man. Das brummt wie Henker, da einzukaufen ist ein Erlebnis. Ist aber letztlich ja auch nur ein Karstadt.


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