Thema:
Ungeschlagene Nr. 1 - Neue Kartoffeln flat
Autor: Bozbar!
Datum:09.03.23 15:35
Antwort auf:Kartoffel Tier-List von Pfombo

Und zwar geht das so:
Wir sind in den frühen 80ern auf dem platten Land, irgendwo kurz vor Käse (Holland). Vaddern und Nachbarsonkel Jansen Jan liefern sich jedes Jahr den Battle um die ersten "Neuen Kartoffeln". Es geht schon los mit der Beschaffung der Pflanzkartoffeln, lokal "Pottärpel" genannt. Die einen schwören auf die Sorte Erstlinge, die man im Landhandel Heinrich Krage käuflich erwerben kann, Jansen Jan kann seine holländischen Wurzeln nicht verleugnen und fährt immer schon kurz nach Weihnachten auf Schlittschuhen über den zugefrorenen Coevorden-Piccardie Kanal in die namensgebenden niederländische Nachbarstadt und deckt sich mit der Sorte Bintje ein. Dann werden die Kartoffeln gesetzt, zunächst einzeln in kleinen Pflanztöpfen, die untertags mit der Schubkarre in die Sonne gefahren werden und nachts zum Schutz vor garstigen Nachtfrösten wieder zurück in den Heizungsraum neben die Ölheizung damit das wertvolle Pflanzgut  nicht beschädigt wird.

Sobald die Nachtfröste dann vorbei sind (jedes Jahr wieder eine schwierige Entscheidung!) werden die Setzlinge dann in den Garten verpflanzt. Immer schön nach und nach, damit man möglichst lange in den Genuss der "Neuen Kartoffeln" kommt.
Dann ist erst mal eine lange Zeit Hege und Pflege angesagt, bis die Kartöffelchen endlich soweit sind. Der Zeitpunkt der Ernte ist kritisch, nicht zu früh, dann passt die Konsistenz noch nicht, und auch nicht zu spät, dann haben sie schon eine Schale entwickelt und man kann sie nicht mehr "Schrappen".
Das ist nämlich das Geheimnis der ganzen Delikatesse. Die Kartoffeln werden so wie sie sind aus dem Boden in einen 10 Liter Plastikeimer gepackt, Wasser drauf und dann mit einem alten Holzschuh [1] so lange malträtiert, bis die feine Haut vollständig entfernt ist (Kretins a.k.a. Emsländer machen das mit technischen Hilfsmitteln [2]). Keinesfalls dürfen die Kartoffeln geschält werden.
Danach geht es dann ganz ordinär in den Kochtopf mit Salzwasser und die Kartoffeln werden gekocht.

Dazu gereicht wird "Speckfett" (doppelt benannt ist immer besser, dann kann sich keiner rausreden, dass ihm nicht gesagt wurde, was auf ihn zu kommt): Ausgelassener fetter luftgetrockneter/eingesalzener Speck, und zwar nicht zu wenig. Die kross ausgelassenen Speckscheiben werden als Snack nebenher gegessen, während man die Kartoffeln in das heiße Fett (evtl. noch mit etwas Senf verrührt) tunkt.

Dazu ein frischer Kopfsalat aus dem Garten mit Zitone-Sahne Dressing.

Bestes Kartoffel Essen ever!11! Die Kartoffeln haben in der Wachstumsphase eine ganz spezielle Konsistenz, die sich schwer beschreiben lässt und die den besonderen Geschmack ausmacht. Etwas fester aber noch relativ fein. Kann man schwer beschreiben. Sobald sie eine richtige Schale entwickelt haben werden sie irgendwie kartoffeliger.

Für mich wirklich eines der leckersten Gerichte aus meiner Kindheit/Jugend. Dicht gefolgt von den Bratkartoffeln, die man aus den Resten der Neuen Kartoffeln macht (was aber erst in den letzten Wochen der Kartoffelsaison passiert weil vorher einfach keine übrig bleiben).

Ansonsten hatte ich lange Jahre eine Abneigung gegenüber Salzkartoffeln, was aber  daran lag, dass ich sie immer nur in der Mensa gegessen habe und sie dort einfach falsch zubereitet wurden. Völlig zerkocht und matschig.
Eine schöne festkochende Kartoffel kalt mit wenig Butter oder einem Klecks Remoulade ist dagegen ein Genuss.
Auch Gratin mache ich regelmäßig. Da kommt es auf die richtigen Kartoffeln (vorwiegend festkochend) und die richtige Menge Sahne an, dann wird da auch nix suppig.


[1]

[https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/89/Wooden_Shoes-willow-plain_wood.jpg]


[2]

[https://www.youtube.com/watch?v=SwP3cK3JhKY]


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