Thema:
Re:Schlechter Artikel, imo. flat
Autor: Killersepp (deaktiviert)
Datum:22.02.23 20:52
Antwort auf:Re:Schlechter Artikel, imo. von FS

>>Allerdings hat Marx halt auch die internen Widersprüche des Kapitalismus ziemlich exakt beschrieben: Boom/Bust-Cycles, immer weiter fallende Profitmargen, und die Konzentration von Kapital auf immer weniger Menschen. Eben diese Probleme lässt Herr Gleich größtenteils unter den Tisch fallen, und beharrt dann felsenfest darauf, dass nur der "real existierende Sozialismus" diktatorischer Regimes die einzige je vorgeschlagene Systemalternative sei, zusammen mit dem müden Vorurteil, alle Sozialisten würden sagen "das war kein richtiger Sozialismus".
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>Was Du hier auch gerade tust. Der reine Sozialismus/Kommunismus in der Praxis ist immer zu einer Parteidiktatur unter Stalin, Kuba und Nord Korea sogar zu einer Personendiktatur mutiert. Sozialdemokratie und soziale Marktwirtschaft hingegen funktioniert (ist auch nicht perfekt, aber nichts ist perfekt). Sie tat sich in den letzten 20 Jahren nur schwer und wird ausgehöhlt weil wir nun im direkten globalen Wettbewerb mit ausbeuterischen kapitalistischen Systemen stehen.


Nee, du missverstehst mich. Ich sehe z.B. die Sowjetunion schon als "echten" Sozialismus an (oder besser, den Versuch eines echten Sozialismus, aber das ist eher ein akademischer Einwand). Ich sehe nur nicht ein, warum alle sozialistischen Versuche automatisch so enden müssen. Eben diese Parteiendiktatur ist überhaupt nicht im Sinne Marx', und eine echte - also freie - Räterepublik hat auch noch niemand versucht.
Zumal man bedenken muss: Auch wenn Lenin viel Wasser gepredigt und Wein gesoffen hat, und ganz bestimmt auch machtbesessen war, so stellt sich doch die Frage: Wäre die Unterdrückung unter ihm und insbesondere Stalin so schlimm gewesen, wenn der Westen nicht von Anfang an versucht hätte, den Sozialismus in der USSR gewaltsam zu beenden? Kaum jemand weiß z.B., dass die Entente mit Truppen in den Russischen Bürgerkrieg auf Seiten der Weißen eingegriffen hat - damals sind buchstäblich Amerikanische Truppen in Russland eingefallen. Und während der CIA lange nicht so kompetent war, wie viele Linke das glauben, so lässt sich doch nicht abstreiten, das er für Millionenfachen Mord aus fanatischem Antikommunismus verantwortlich ist. Was unbewaffneten Kommunisten im kalten Krieg passiert ist, kann man anschaulich am Beispiel Indonesiens sehen - der Film THE ACT OF KILLING ist dir ein Begriff, nehme ich an? (Disclaimer: Damit will ich die extreme Paranoia der klassischen 2. Welt nicht entschuldigen, sondern nur erklären.)

Was ich dagegen nicht als "echten" Sozialismus ansehe, sind China seit Deng, Nordkorea (welches übrigens mittlerweile auch alle Bezüge zu Marx aus der Verfassung gestrichen hat - Juche ist echt eine Clownsideologie), und historisch Kambodscha unter Pol Pot. Aber das ist jetzt auch eher ab vom Thema :D

>>Das es auch Strömungen des Marktsozialismus und Mutualismus/Marktanarchismus gibt; das vielleicht beschränkter Zentralismus funktionieren könnte (viele Großkonzerne z.B. sind ja de facto zentralistisch organisiert); das die Abschaffung von Privateigentum (im Gegensatz zu persönlichem Eigentum) durchaus auch mit Märkten vereinbar ist - das kommt ihm nicht in den Sinn.
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>You'll own nothing and you be happy?
>[https://youtu.be/F3U7-2cgQ9M]


Ach Fritz, gerade von dir würde ich solche Verschwörungskacke nicht erwarten. Zumal das WEF von meinen Positionen echt meilenweit entfernt ist. Wie gesagt: Privateigentum != persönliches Eigentum. Ich will dir nicht deine Zahnbürste wegnehmen! ;)

>Bei Zentralismus hat man sofort korrupte, egoistische und/oder unfähige Verwalter, das zeigt die Geschichte.

Nee, sorry, das ist falsch. Es gibt immer wieder durchaus kompetente Verwalter - die gab es selbst in der UDSSR - in den 50ern und 60ern ist dort die Wirtschaft immerhin schneller gewachsen, als im Westen; und auch der durchschnittliche Lebensstandard war zu dieser Zeit teilweise fast auf Westniveau, von einigen Luxusgütern abgesehen. Aus rein objektiver Sicht ist es schon eine beachtliche Leistung, dass durch kollektive Anstrengung ein beinahe mittelalterlich-rückständiger Feudalstaat innerhalb von nur 30 Jahren in einen (damals) modernen Industriestaat transformiert wurde, der die ersten Satelliten ins All geschossen hat. Und anders als die räudigen Stalinisten glaube ich auch nicht, dass die Quasi-Völkermorde in Folge von Zwangskollektivierungen dazu in irgendeiner Weise beigetragen haben (eher im Gegenteil).
Was es dagegen noch nicht gab, waren Verwalter, die sich auch der Öffentlichkeit stellen mussten, die man offen kritisieren durfte, und die abgewählt werden konnten. Also, außer bei Aktiengesellschaften - denn was ist ein CEO anderes, als ein zentralistischer Verwalter? Das Problem da ist halt, dass (Wie Marx schon wusste! ;) Aktiengesellschaften immer nur auf den nächsten Quartalsgewinn schauen, weil Profit nun mal der einzige Anreiz im Kapitalismus ist. Neue Anreize muss man schaffen, sage ich da.

>>Der Mann ist ein Liberaler (im Amerikanischem Sinne) und tritt für eine soziale Marktwirtschaft ein (also wie der Autor des Artikels auch),
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>Ja ich auch, es ist die bester Näherung beim Versuch die Quadratur des Kreises zu erzeugen. Man schneidet die scharfen Ecken und Kanten des Kapitalismus ab, also die extremen Überverdienste durch entsprechende Steuern und füllt damit Sozialkassen und Sozialeinrichtungen welche die schlimmste Armut verhindert.


Darauf können wir uns einigen - Soziale Marktwirtschaft und Keynesianismus sind wirklich The Next Best Thing, auch wenn sie mir hierzulande noch lange nicht weit genug gehen, und immer noch jede Menge Widersprüche offen lassen. Einziges Problem: Damit wir die dringendste Krise unserer Zeit - wenn nicht der ganzen Menschheitsgeschichte - also den Klimawandel, meisten wollen, dann müssen Aspekte der sozialen Marktwirtschaft auch relativ zügig in der ganzen Welt implementiert werden. Was natürlich deutlich realistischer ist, als der von mir angestrebte Systemwechsel. Also immer noch extrem unrealistisch, seufz.

>>überzeugend dar, warum es vollkommen freie Märkte gar nicht geben kann.
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>Vollkommen freie Märkte sind auch nicht im Sinne des Kapitalismus weil dann rasant schnell Mega Monopole entstehen welche Preisbildung durch Wettbewerb verhindern (trotzdem versuchen es die Firmen diverser Branchen immer wieder). Das Kartellamt ist das Wichtigste im Kapitalismus damit dieser funktionieren kann.


Naja, der Kapitalismus als solcher hat keinen "Sinn", weil er (da hat der Autor des Artikels Recht) ein emergentes System ist, das nur einen Anreiz kennt: Profit. Zumal faktische Monopolbildung auch mit einem Kartellamt nicht ganz verhindert wird. Aber hey, ich denke wir beide teilen die Meinung, dass die problematischsten globalen Gegner der sozialen Marktwirtschaft momentan die USA (auch dank ihrer Kack-Verfassung) und China sind.


Antworten nicht möglich, siehe Info neben Nickname