Thema:
Schlechter Artikel, imo. flat
Autor: Killersepp
Datum:21.02.23 18:52
Antwort auf:heise: Warum überhaupt noch Marktkapitalismus? von Matze

Es gilt wie immer der alte Wahlspruch: Es ist einfacher sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus.

Ja, der Kapitalismus als solcher hat ganz unbestritten zu einem enormen Wohlstandsgewinn in der (westlichen) Welt geführt, und ist (aus rein objektiver Sicht) den vorhergehenden Systemen haushoch überlegen. Das hat übrigens auch schon der Mann erkannt, der buchstäblich das Wort "Kapitalismus" geprägt hat, und dessen Hauptwerk im wesentlichem aus der Beschreibung des solchen bestand: Karl Marx.
Marx hatte auch mit vielem Unrecht, klar - er kannte noch keine wirklichen Massenmedien (vom Internet ganz zu schweigen), und seine fast dogmatische Fixierung auf Klassenantagonismus als einzigen wirklichen Geschichtstreiber war zwar verständlich (da es ihm vor allem um die Etablierung des dialektischen Materialismus ging), aber trotzdem viel zu eng. Die Basis bestimmt ganz offensichtlich nicht immer den Überbau, und sowohl technische Innovationen als auch der Idealismus im allgemeinem sind viel stärkere Kräfte, als Marx das wahrhaben wollte (oder konnte). Vulgärmarxisten finde ich eklig, und Leninisten sind sowieso komplett lost.

Allerdings hat Marx halt auch die internen Widersprüche des Kapitalismus ziemlich exakt beschrieben: Boom/Bust-Cycles, immer weiter fallende Profitmargen, und die Konzentration von Kapital auf immer weniger Menschen. Eben diese Probleme lässt Herr Gleich größtenteils unter den Tisch fallen, und beharrt dann felsenfest darauf, dass nur der "real existierende Sozialismus" diktatorischer Regimes die einzige je vorgeschlagene Systemalternative sei, zusammen mit dem müden Vorurteil, alle Sozialisten würden sagen "das war kein richtiger Sozialismus".
Das es auch Strömungen des Marktsozialismus und Mutualismus/Marktanarchismus gibt; das vielleicht beschränkter Zentralismus funktionieren könnte (viele Großkonzerne z.B. sind ja de facto zentralistisch organisiert); das die Abschaffung von Privateigentum (im Gegensatz zu persönlichem Eigentum) durchaus auch mit Märkten vereinbar ist - das kommt ihm nicht in den Sinn.

Anyway, ich will hier kein halbes Buch schreiben, weil wesentlich schlauere Menschen als ich schon ganze Bibliotheken zu dem Thema gefüllt haben. Als Einstieg würde ich Ha-Joon Chang's "23 Things They Don't Tell You About Capitalism" empfehlen. Der Mann ist ein Liberaler (im Amerikanischem Sinne) und tritt für eine soziale Marktwirtschaft ein (also wie der Autor des Artikels auch), räumt aber trotzdem mit vielen gängigen Missverständnissen auf; und legt IMO überzeugend dar, warum es vollkommen freie Märkte gar nicht geben kann. Das Buch ist leicht verständlich, sehr unterhaltsam geschrieben, und gerade für Wirtschaftslaien ein guter Einstieg in das Thema. Leider gibt es AFAIK keine Deutsche Übersetzung, aber damit solltest du ja kein Problem haben ;)


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