Thema:
Re:Die Letzte Generation fordert... flat
Autor: deros
Datum:01.02.23 12:40
Antwort auf:Re:Die Letzte Generation fordert... von Mark_TE

>Grundsätzlich nachvollziehbar, aber meiner Meinung nach wird die Protestart zu wenig beachtet. Je extremer der Protest bzw. je krimineller dieser ist, desto höher darf auch die Messlatte für solche Leute sein.
>
>Wir reden ja eben nicht von FFF Kiddies die am Freitag die Schule schwänzen und danach bei McDonalds essen, sondern von Protestlern, welche bewusst die Grenze der Legalität überschreiten, um Umweltschutz einzufordern.
>Da ist dann ein spaßiger Langstreckenflug durchaus kritikwürdig und zeigt einfach eine Doppelmoral dieser Leute auf.


Man muss auch mal die Kirche im Dorf lassen. Wir reden von zwei Leuten, die eine Straße blockkiert haben - du tust ja geradezu so als ob die etwas hochgradig kriminelles getan hätten.

Und dass die Proteste radikaler werden (wobei ich das Wort bei Straßenblockkaden ehrlich gesagt schon ziemlich albern finde - das ist keine sonderlich radikale Form des Protest...), liegt doch nicht daran, dass die Demonstranten moralisch reiner werden, sondern daran, dass schlicht und ergreifend die Zeit für politische Maßnahmen ausläuft. Wir wissen seit Jahrzehnten vom Klimawandel, trotzdem gehen politische Lösungen im Schneckentempo voran, trotzdem bewegen wir uns in Richtung der klimatechnischen Worst-Case-Szenarien. Proteste werden nicht lauter, weil die Leute sich so geil und erhaben finden, sondern weil bisherige Proteste auf taube Ohren gestoßen sind, weil politische Maßnahmen ausbleiben.

Ich seh halt nicht welchem konstruktiven Zweck das Ankreiden von vermeintlicher Doppelmoral dienen soll. Okay, sollen die Leute aufhören zu demonstrieren. Leiser demonstrieren. Und dann? Was bringt das? Sollen sie sagen "Klimaschutz, aber bitte nur ein bisschen"? Und dann? Weitermachen wie bisher, nach mir die Sinnflut? Sollen sie hoffen, dass wenn sie weiterhin sich mit Argumenten den Mund fusselig reden, wenn sie weiterhin schön artig auf eine Art und Weise demonstrieren, an der jeder einfach vorbei sehen kann, dass dann plötzlich auf einmal die politische Erkenntnis kommt? Hat ja über Jahrzehnte hinweg nicht funktioniert. Jetzt soll es anders sein?  Lieber über Individuuen lachen, die - wie wir alle - nicht fehlerfrei sind, aber zumindest den Mut haben, sich aktiv für etwas einzusetzen, statt über das politische Versagen der letzten 30 Jahre? Sind diejenigen, die versuchen bewusst zu leben, aber eben auch ab und zu mal in den Urlaub fliegen, schlimmer als diejenigen, die einfach gar nichts machen? "Hauptsache die Klappe halten" als oberste Devise? Ist es nicht ein gesellschaftliches Versagen, wenn wir unsere Individualverantwortung einfach auf wenige Demonstranten abwälzen, die reiner als rein sein müssen, während wir machen was wir wollen? Führt es nicht nur dazu, dass am Ende keiner mehr Bock hat auf eine Demo zu gehen, weil man persönliche Anfeindungen wegen irgendwelchen Albernheiten fürchten muss? Können wir uns das erlauben?


< antworten >