Thema:
Re:Fuck. Niemals als Laie Berichte lesen! flat
Autor: Phil Gates
Datum:18.01.23 09:24
Antwort auf:Re:Fuck. Niemals als Laie Berichte lesen! von Joschi

>>Und selbst dann googlet man nicht, sondern dann geht man zu einer anderen Klinik und holt sich eine zweite Meinung. Wir als Laien können das sonst einfach nicht einschätzen und kommen auch an die wissenschaftlichen Studien in The Lancet usw. ja gar nicht ran (und verstehen sie auch nicht) bzw. müsste man zur Uni-Bib fahren, wir kriegen ja nur die Abstracts und irgendwelche Sekundärmeinungen.
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>Man kommt schon an einige Artikel. Klar, als nicht-medizinischer Wissenschaftler geht man da anders ran. Einiges davon ist doch auch augenöffnend. Zuletzt habe ich eine neue große Meta-Studie gefunden, die statistisch gezeigt hat, dass eine eher aufwändige Therapieform in einem spezifischen orthopädischen Bereich keinen besseren Effekt hatte als einen Infoprospekt auszuteilen und eine positive Aussicht auf Sellbstheilung (wird schon wieder) auszusprechen. Dh nicht, dass es gar keinen Effekt hat. Und es heißt, dass mentale Einstellung in diesem spezifischen Fall auch ein Faktor sein kann. Dabei kann jeder von uns der Ausreißer einer Statistik werden, es geht ja immer nur um Wahrscheinlichkeiten und Mittelwerte. Damit kommen wir Kontrollfreaks nur schlecht zurecht.


Ich hab beruflich viel mit Studien zu tun und verstehe auch einiges (aber muss mir auch vieles von den Mandanten erklären lassen). Was eben immer ganz wichtig ist: Was ist das für ne Studie? Wer hat denn da mitgemacht? Welche Daten haben die sich angeschaut? Bei Kopf-Hals-Tumoren (wie bei meinem Vater) ist die Statistik unfassbar übel. Aber das liegt u.a. daran, dass das sehr oft bei Alkoholikern auftritt, die multipel komorbid sind (Leber platt, Herz platt, Lunge platt, weil die meisten Trinker auch rauchen...). Mein Vater hat nie gesoffen und trotz starken Tabakkonsums über Jahrzehnte hat er ein erstaunlich gesundes Herz und kaum COPD. Er ist damit medizinisch ca. 20 Jahre jünger als er tatsächlich ist. Er müsste statistisch schon 2 Herzinfarkte gehabt haben. Hat er aber nicht. Das sind wiederum Werte, die man in den ganzen Überlebensstudien nicht findet, das erfassen die nicht. Die erfassen Geschlecht, Lebensalter und Tumorstadium. Ich denke aber, die weit überdurchschnittliche Allgemeingesundheit ist das, was meinen Vater bis jetzt gerettet hat. Und dass er ein paar Kilo zuviel auf den Rippen hatte bevor er krank wurde (Dadbod, nicht adipös, aber halt einen sichtbaren Opa-Bauch). Davon hat er gezehrt während der schlimmsten Phase mit Chemo und Radio. Diese Infos tauchen aber komischerweise in keiner Studie auf, obwohl jeder Arzt genau weiß, dass so einer wie mein Vater eine deutlich bessere Prognose hat als der Alkoholiker.

Deshalb: Diagnose, Zweitmeinung, Therapieplan. Und dann kann man von mir aus Google anschmeißen und mal schauen, ob es irgendwo ne klinische Studie mit einem neuen Medikament gibt, in die man vielleicht reinkommen könnte (ich hab z.B. eine in der Hinterhand, weil mir zufällig ein Vertrag in die Finger gekommen ist zu einer Phase-III-Studie (letzte Stufe vor der Zulassung, also schon gut erprobt) mit einem Antikörper bei rezidivierenden Plattenepithelkarzinomen, also wenn der Krebs meines Vaters wiederkommen sollte).

Da wird uns KI übrigens in Zukunft helfen, denn sie sieht vielleicht Zusammennhänge, auf die wir Menschen gar nicht gekommen wären, weil wir den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen und mit einem Bias rangehen.

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>>Selbst Experten sind uneins und die herrschende Meinung bei Dr. Google hilft daher gar nix. Es schreiben ja auch meistens nicht die, die euphorisch sagen, dass sie geheilt wurden, weil nach 5 Jahren das Erlebte verblasst. Es schreiben meistens die, die es nicht überleben werden.
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>Das kommt sicherlich dazu.


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