Thema:
Re:Politik macht einen Fehler flat
Autor: token
Datum:28.09.22 08:09
Antwort auf:Re:Politik macht einen Fehler von Phil Gates

Es ist interessant wie du auf den Post antwortest aber mit keiner Silbe darauf eingehst worum es in dem Post geht, nämlich den Verteilungsschlüssel für Vermögen.
Geschweige denn zum Zusammenhang zwischen diesem Verteilungsschlüssel und was das mit der wirtschaftlichen Glaubensdoktrin einer Partei wie der FDP zu tun hat.

Es geht um Kuchen und Krümel. Und dass auch du als Leistungsträger ein Krümel bist der nicht Teil des Games ist, darum dass auch dein Wohlstand im historischen Vergleich eine rückgängige Entwicklung gemacht hat obwohl der Wohlstand im großen Topf im historischen Vergleich unglaublich zugelegt hat, und woran das liegt.

Mal ein anderes Beispiel aus dem echten Leben. Bei mir im Unternehmen gibt es seit Jahren keine Gehaltsentwicklungen mehr. Wurde mit Ansage abgedreht weil Krisen&Co.
Es gibt aber natürlich noch den initialen Aufsatzpunkt der Vertragswerke, die bei uns so aufgesetzt sind, dass jeder mit Bonuszahlungen motiviert werden sollte.
Man verhandelt Jahr für Jahr die persönlichen Ziele und dann gibt es Kassensturz und eine Leistungsbewertung anhand derer sich ein Faktor ableitet der dann mit einem festen Bonusbetrag verrechnet wird.
Aber auch an diesen Topf ist man rangegangen und hat ihn gekürzt. Mit der Ansage an die Belegschaft dass man hier nun deutlich strenger bewerten müsse als es in der Vergangenheit der Fall war, wo du schon die Frau vom Chef bumsen musstest damit du unter dem Faktor 1 landest.

Der Witz hierbei ist, mich betrifft diese Maßnahme nicht. Ich gelte als Leistungsträger den man nicht verlieren möchte, übererfülle Jahr für Jahr die nun deutlich ambitionierten Ziele, und kriege meinen Superbonus mit einem Faktor von weit über 1.
Der Punkt ist jedoch, damit mein Krümel so bleiben kann wie er ist, müssen die Krümel meiner Kollegen kleiner werden.

Das ist mehr oder minder sinnbildlich dafür was im gesamten Land passiert, damit wir Leistungskrümel auf unserem Niveau bleiben, schrumpfen die Krümel unserer Freunde, Nachbarn und Kollegen. Aber, am Ende des Tages sind wir ALLE nur Krümel, und das womit wir uns beschäftigen sind eben diese anderen Krümel und über den Kuchen reden wir nicht. Finger weg vom Kuchen, der Kuchen ist heilig, denn jeder weiß doch, ohne Kuchen gäbe es keine Krümel. So einfach ist das. Diskussion beendet.
Heil Kuchen!

Dabei geht es nicht mal darum dass es Kuchen und Krümel gibt, es geht um aus den Fugen geratene Verhältnismäßigkeiten. Darum dass ein Krümel der vor 50 Jahren in seiner gesellschaftlichen Stellung und dem was er leisten kann noch einen Keks aus sich machen konnte, das nun nicht mehr kann. Und dafür gibt es Gründe. Aber vor denen laufen wir weg, verschließen die Augen, verbeißen uns in einer wirtschaftlichen Glaubensdoktrin die selbst an sich selbst bemessen auf die Welt schauend eigentlich nicht anders könnte als zu erkennen dass es einen krassen Fehler in diesem System gibt. Genau dies aber nicht tut. Sondern mit einer Art religiösem Eifer an dieser Doktrin fest hält, und das was dann nicht passt, halt passend macht. Und das was sie dann macht ähnelt dann dem wie bspw. ein Zeuge Jehovas sich erklärt warum die Bibel und Dinosaurierfunde keinen Widerspruch erzeugen.

Und dazu ein weiteres metaphorisches Anschaubeispiel. In meiner Abschlussarbeit musste ich ein Programm schreiben und hatte dafür eine Woche Zeit. Es war eher eine generische Aufgabe wo ich schon aus dem Stand die generische Lösung vor Augen hatte, und keine Ahnung was mir da ins Hirn geschissen hat, aber die Problemstellung und dessen offensichtliche Lösung hat mich so gelangweilt dass ich spontan beschloss nicht die naheliegende prozedurale Lösung in Angriff zu nehmen, sondern weil die Sprache auch eine objektorientierte Programmierung anbot und ich diese andere Art in Lösungen zu denken faszinierend fand, spontan beschloss die Lösungsskizze die wir vorab abgeben mussten und an die wir uns dann auch halten mussten, nach eben diesem anderen Prinzip zu entwerfen.

Damit verließ ich als einziger der kompletten Prüfungsgemeinschaft den ausgetretenen Trampelpfad und machte mein Ding, womit einherging dass ich mich zu diesem Entwurf auch mit niemandem austauschen konnte sondern allein war. Aber hey, schon am ersten Tag war ich fertig, hab das ganze Konstrukt noch pro Forma mit einfachen Testfällen gefüttert, aber wusste auch so schon, alles richtig, alles funktioniert. Jetzt hab ich noch eine Woche Zeit. Was mache ich? Dokumentation samt einer vollständigen Verprobung aller möglichen Testfallkonstellationen? Nö, ich gehe ins Internet und surfe im Forum und prokastiniere, die Pflicht ist getan, jetzt kommt doch nur noch die Kür die nicht spannend sondern ätzend und trocken ist. Ich mache paar Tage lang nix, bis ich merke, okay, fang mal an, du dumme faule Sau!

Schreibe die Doku, und dann generiere ich alle denkbaren Testfälle mit theoretischen Sollwerten und prügel die durch und merke...fuck, da sind Testfälle die andere Ergebnisse liefern als sie liefern sollten! Aber gemach, da ist wohl noch ein kleiner Bug im Programm, den sollte ich ja schnell finden. Ich dreh alles auf links, auf rechts, lauf da hundert mal durch, aber komme zum Schluss, das ist doch alles richtig!
Also stelle ich als nächstes die theoretisch ermittelten Sollwerte in Frage, ich Idiot muss offenbar ein Phantom jagen, der Fehler ist nicht das Ergebnis, der Fehler ist mein Erwartungswert! Ich dreh also die theoretische Ermittlung des Erwartungswerts auf links und rechts und lauf da hundert mal durch, komme aber immer wieder zum selben Ergebnis. Der Erwartungswert ist offenbar auch richtig.

Ich muss weinen, wirklich weinen, das ist meine gottverdammte Abschlussarbeit, und ich Idiot verschleppe diese, und jetzt habe ich keine Zeit mehr, und bin mit meinem Latein am Ende. Ich überlege alles in den Müll zu schmeißen, die Nacht durchzukloppen und komplett neu anzufangen und es generisch zu lösen wie jeder andere auch. Das Problem, von der abgebenen Lösungsskizze abzuweichen gibt einen gehörigen Punktabzug. Komme nach meinem Nervenzusammenbruch wieder etwas zur Ruhe und denke, kalmiere dich, denk noch mal nach, ganz in Ruhe. Angenommen dein Programm ist wirklich korrekt. Macht alles richtig. Und die Sollwerte sind auch korrekt. Wo kann noch was passieren? Wo kann es zu einem Fehler kommen. Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Die Programmiersprache. Die ist auch nur Code. Erstmal erscheint es mir unwahrscheinlich, aber ich schaue in den Quellcode der offiziellen Routinen die ich nutze, und tatsächlich, der Bug ist im Quellcode der Programmiersprache. Also genau dort wo ich eigentlich niemals gesucht hätte, nicht mal auf die Idee gekommen wäre das zu hinterfragen. Weil es doch nicht sein darf dass dort was schief geht.

Was soll dieser Ausflug und was hat das mit der politischen Fahrspur deiner FDP zu tun?
Der Punkt ist einfach, Kapitalismus ist abstrahiert nichts anderes als ein Programm das auf einer Programmiersprache fundiert. Und wir sehen, die Ergebnisse welche die Programme liefern, entsprechen nicht den theoretischen Sollwerten. Und doktorn an den Programmen rum.
Aktuell ja auch, nun etwa mit sowas hier:
[https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/banking-and-finance/sustainable-finance_de]
Der Fehler liegt nicht im Kernsystem, wir bedienen es nur falsch. Ooookay.

Und dieser Glaube an dieses Kernsystem ist bei keiner Partei so stark ausgeprägt wie bei der FDP, dieses Kernsystem ist die Gottheit der Liberalen und das Problem ist einfach nur dass wir in unserem Handeln nicht fest genug an dieses Kernsystem "glauben" und ihm vertrauen. Losgelöst davon dass wir faktisch beobachten können dass dort wo dieser Glaube konsequenter ausgelebt wird, etwa in den USA, die Probleme die wir damit haben noch viel stärker ausgeprägt sind. Und es Anomalien gibt die so nicht sein dürften, als ein Beispiel von sehr vielen die dortigen Preise für Medikamente. Das kann eigentlich nicht sein, und doch ist es so. Aber die FDP glaubt ja weiterhin daran dass in punktuellen Privatisierungen die Antwort auf die akuten Fragen des Gesundheitswesen liegen. Ohne erfolgreiches Anschaubeispiel dafür. Religiöser Eifer.
Aber da wo religiöser Eifer angebracht wäre, nämlich dem Umstand dass uns das Fundament des Entwurfs sagt, nie nie nie darfst du es zulassen dass man mit diesem System in ein Monopoly-Spiel verfällt, lässt man dann fünfe gerade sein.

Whatever, die Realität wird uns noch früh genug einholen, und genau dann wenn es passiert ist es zu spät und wir haben ein Shitshow-Roulette zwischen dem vermeintlich starken Mann den man sich dann wünscht und dem man sich unterwerfen möchte damit der das egal wie "weg macht", den verstrahlten Tagträumen von vom Leben entrückter Multimilliardäre und populisitischen Kleingeistern die uns die einfachen Antworten auf die komplizierten Fragen liefern und die "Schuldigen" benennen können, welche gemeinhin nicht die Schuldigen sondern die am härtesten gefickten Säue von allen sind. Und bis dahin führen wir weiter den Krieg der Krümel statt über die Kuchen zu reden in die man zwölf Hefewürfel gegeben hat und sich selbst dann wo diese schon zur Backofentür rausquillen weiter Augen und Ohren zu hält und das macht, was man halt immer schon so gemacht hat.

Glück auf, wir werden es brauchen.


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