Thema:
Das ist eine zu pessimistische Einschätzung der Lage flat
Autor: harukathor
Datum:08.07.22 17:08
Antwort auf:Wie sollte sich hier das Blatt noch mal wenden? von Telemesse

>Mir fehlt da sicher hier und da die Information aber so wie das aktuelle Lagebild sich darstellt sehe ich eigentlich kein positives Exitszenario für die Ukraine mehr.

Wenn man die aktuelle Lage wirklich beobachtet, hat die russische Armee derzeit sogar ein riesiges Problem, das mit jedem Vorrücken schlimmer wird. Die Ukraine  hat dank guter Aufklärung vermutlich gerade sämtlichen (!) wichtigen Nachschub-/Munitionslager in den besetzten Gebieten mit den wenigen gelieferten Raketenwerfern zerstört, was angesichts der extrem schwachen russischen Logistik fatal für die Front ist. Die zerstörte Infrastruktur in den eroberten Städten erschwert die Versorgung der Truppen ohnehin.

Militärisch hat man den Russen auf Dauer kaum was entgegenzusetzen. Die zahlenmäßige Überlegenheit an Soldaten und Material ist erdrückend und die Russische Armee walzt sich langsam aber stetig vorwärts.

Zahlenmäßig ist die Ukraine vermutlich weiterhin überlegen, das Problem ist hier einfach die ewig lange Front. Russland greift grundsätzlich konzertiert an einer Stelle an, die Verteidiger können sich aber nicht nur an einem Ort konzentrieren. Wenn man sieht, wo Russland derzeit schon verzweifelt Soldaten zusammenkratzt (u.a. Rekrutierung in Gefängnissen), ist Russland in dieser Hinsicht längst nicht so überlegen, wie du vielleicht glaubst. Und dieser langsame Vormarsch ist äußerst verlustreich für die Russen, die momentan rein durch ihre zwar veraltete, aber halt massenhaft vorhandene Artillerie zuletzt noch die Oberhand hatten. Ohne Munition (s.o.) nutzt die aber auch nichts.

Kriegsmaterial für Gegenangriffe zum Geländegewinn ist auf ukrainischer Seite schlichtweg kaum vorhanden.
>Mehr als eine temporäre Verzögerung des Russischen Vormarsches ist eigentlich nicht zu erwarten.

Das erste ist eher korrekt als das zweite. Wie lange Russland den Krieg führen kann, hängt schlicht und einfach davon ab, was es aus den sowjetischen Lagern noch einsatzfähig machen kann und ob es das inklusive Munition auch an die Front bekommt. Die Ukraine hat ihrerseits dagegen eine Offensive im August angekündigt, wenn sie vermutlich wieder genug ausgebildete Truppen und eventuell auch mehr NATO-Waffen zur Verfügung hat.

>Die Sanktionen des Westen haben offenbar keinen spürbaren Einfluss auf den Kriegsverlauf.

Sanktionen haben immer nur mittel- bis langfristige Effekte, die fangen also gerade erst an zu wirken. Wenn man sich anschaut, mit was Russland derzeit angreift, könnten sie dennoch sogar schon funktionieren: Das ist nahezu alles Zeug, was noch aus der Sowjetunion stammt.


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