Thema:
Re:Pfui: Ulrike Guerot (gerade bei Lanz im ZDF) flat
Autor: Atlan
Datum:03.06.22 17:44
Antwort auf:Re:Pfui: Ulrike Guerot (gerade bei Lanz im ZDF) von Pezking

>Man sollte aber nicht als außenstehender Betrachter über mögliche territoriale Zugeständnisse seitens der Ukraine diskutieren.

Man kann und muss bei einer außenstehenden Betrachtung sämtliche Möglichkeiten diskutieren, dafür sind außenstehende Betrachtungen ja da. Sonst können wir uns jede öffentliche Debatte bei jedem Krieg im Ausland doch gleich sparen: Eine beteiligte Kriegspartei (die uns näherstehende) sagt dann, was sie haben will (logischerweise immer das Maximum; das liegt ja in der Natur der Sache), und unsere Politik entscheidet hinter verschlossenen Türen, was davon gemacht wird (aus Gründen, die deiner Meinung nach nicht öffentlich diskutiert werden dürfen, aber dennoch vorhanden sind. Was dadurch erkennbar wird, dass am Ende natürlich nicht das gewünschte Maximum geben wird).

Klar, im Falle von Talkshows wäre das in der Tat kein großer Verlust, wahrscheinlich sogar ein Gewinn. Dann blieben uns auch Kindergarten-Analysen wie die von Strack-Zimmermann erspart.

>Wie es auch in Deinem Zitat hier zu lesen ist: Das ist allein Sache der überfallenen Ukraine.

Jein. Das sind doch zwei vollkommen verschiedene Paar Schuhe. Was sie am Ende macht oder unterschreibt, liegt natürlich zuvorderst bei der Ukraine (sofern irgendein Land in solch einer komplexen Situation überhaupt jemals komplett autonome Entscheidungen treffen kann, da sitzen in den Beratungszimmern und an den Verhandlungstischen ja nicht umsonst immer auch Vertreter anderer Länder).

Was in nicht direkt beteiligten Ländern wie Deutschland, USA oder Indien öffentlich diskutiert wird hinsichtlich eigener Beteiligung und unter welchen Bedingungen und vor allem mit welchen Zielen diese stattfindet, ist hingegen eine andere Sache. Und um die geht es sowohl bei der Stellungnahme der New York Times als auch dem eingangs zitierten Talkshow-Beitrag.

>Und bis die selbst zu einer solchen Überzeugung gelangt, sollte man alles dafür tun, dass es gar nicht erst dazu kommt, dass die ukrainische Führung sich zu "schmerzhaften territorialen Entscheidungen" genötigt sieht. Diese Aussichtslosigkeit gilt es zu verhindern.

Nun, viele externe Analysten einschließlich der im Editorial Board vereinten Experten der New York Times sind in den vergangenen Wochen offenbar zu dem Schluss gekommen, dass diese "Aussichtslosigkeit" bereits erreicht ist und es jetzt bei einer weiteren Eskalation mit weiteren Waffen höchstens noch darum geht, den russischen "Blutzoll" für den kaum vermeidbaren Sieg Russlands möglichst hochzutreiben, um am Ende eventuell eine marginal bessere Verhandlungslösung zu erreichen. Zum Preis sehr vieler weiterer toter Ukrainer, einem noch kaputteren Land und der Möglichkeit eines Weltkrieges. Klar, ist eine Option, und ich würde auch sie nie komplett verwerfen..

Aber manchmal ist eine beschissene Lösung vielleicht auch besser als gar keine bzw. eine noch beschissenere, auch wenn es dem Gerechtigkeitsgefühl widerspricht.

Und Russland ist durch den von uns geführten (und zweifelsfrei richtigen!) Wirtschaftskrieg bereits für die kommenden 20 Jahre unwiderruflich in die Steinzeit zurück"gebombt" mit indirekt wahrscheinlich hunderttausenden bis langfristig Millionen Toten dort. Russland hat den Krieg also bereits verloren. Jetzt geht es nur noch darum, nicht unnötig weitere Menschen sterben zu lassen und gar einen Weltkrieg zu riskieren für etwas, was das Endresultat wahrscheinlich nicht groß beeinflussen wird (Russland "gewinnt" mit einer Verhandlungslösung, die Putin im Inland zumindest als Teilsieg verkaufen kann, damit er den Krieg überhaupt ohne größeren Gesichtsverlust einstellen kann; um so einen Scheiß geht es da innenpolitisch ja leider ebenfalls). Das ist zumindest eine von vielen Möglichkeiten und ich nehme da von meinem bequemen Sessel aus nicht für mich in Anspruch, der Weisheit letzten Schluss gefunden zu haben. Im Gegensatz zu zahlreichen Sofa-Bellizisten, Twitter-Kommentatoren und Talkshow-Gästen, die dank Social Media äh... dank ihres immensen Insider-Wissens ja immer ganz genau wissen, warum Scholz, Macron oder Biden falsch liegen, wenn sie sich bei manchen Fragen in Zurückhaltung üben.


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