Thema:
Re:Es gibt keinen Anspruch auf 25 Grad flat
Autor: token
Datum:11.05.22 20:26
Antwort auf:Re:Es gibt keinen Anspruch auf 25 Grad von ChRoM

>>Es geht ja nicht darum eine Überwachungseinheit in den Wohnungen der Menschen zu installieren. Sondern ein Instrument das in Wohnungen einfach für mehr Komfort sorgt und niedrigere Kosten.
>
>Da schreibst Du gleich den PR-Text für die arme Sau, die den Menschen die Einschränkung schönreden soll. Wo ist denn der Komfortgewinn, wenn man nicht so hoch heizen kann, wie man das gerne möchte?
>

Zum Beispiel in einer effizienten Automatisierung, du sagst dem System wann du es wo wie warm haben möchtest, und musst dich dann auch nicht mehr um irgendwas kümmern.
Was ja darüber hinaus diverse Features ermöglicht, beispielhaft dass du es morgens warm im Bad haben kannst, ohne am Vorabend hochdrehen zu müssen und viel an Energie und damit auch Kosten für dich zu verpulvern, ohne was davon zu haben.

>Das ist ja dann auch nicht _meine_ Wohnung. Um mit dem beliebten Autovergleich zu kommen: Da akzeptiert man ja beim Privat-PKW auch keine Einschränkungen Marke "maximal zu fahrende Kilometeranzahl" oder Verbot ins Ausland zu fahren, nur weil das bei Mietwägen durchaus üblich ist.
>

Worum es mir geht ist, ich kann ja nach wie vor selbst regulieren was ich in diesem Raum haben möchte, bekomme aber vom Vermieter hierbei Grenzwerte die von seiner Seite aus auch motiviert sind, etwa dass sein Geschäft wirtschaftlich bleibt.

Auch im Szenario Volksthermostat gäbe es absolute Freiheit in der individuellen Ausgestaltung wie man heizen möchte, aber eben auch mit Grenzwerten, die ja auch ganz einfach motiviert sind, nämlich mit einem "was geht überhaupt noch".

>Ich kann durchaus nachvollziehen, dass man das notwendig und nicht so tragisch finden kann. Ich seh das dennoch als unzulässigen staatlichen Eingriff, den man auf anderen Ebenen ja genauso argumentieren könnte. Ein Fleischkonsumationslimit fördert die Gesundheit und hilft dem Klima. Eine Beschränkung auf Flugmeilen hilft dem Klima. Ein Zwang öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, hilft dem Klima. Eine freie Gesellschaft schadet dem Klima, also sollte man gut gemeint und im öffentlichen Interesse Freiheiten abschaffen. Zu allererst, wie hoch man daheim heizen darf. Nope, sorry, da bin ich nicht an Bord.
>

Ich hab den für mich entscheidenden Satz unterstrichen da mich genau das in meinen Gedankengängen halt am ehesten antreibt.

Das was systemische Kreisläufe innerhalb von freiheitlichen Gesellschaften gefährdet, gefährdet die Freiheit der Gesellschaft.

Freiheit ist erstmal eh Auslegungssache. Sowas wie einen Generalentwurf der freiheitlichen Gesellschaft an dem sich alle in vollem Umfang orientieren gibt es nicht. Nicht zwischen den Gesellschaften, trotz Konsens wie wichtig Freiheit ist, und wo dennoch teils diametrale Auslegungen vorherrschen was reguliert werden muss und wo die Eigenverantwortung greift. Ja, nicht mal innerhalb einer Gesellschaft sind die Auslegungen irgendwie konstant, sondern im stetigen Wandel. Wenn sich die Welt um uns herum verändert, dann verändert sich auch immer unsere eigene Perspektive mit. Und wenn sich Perspektiven wandeln, dann ist das keine Einbahnstraße, es werden Regularien aufgebaut, wo vorher keine waren, aber auch Regularien abgebaut, wo vorher welche waren. Aus Gründen.
Das. Ist. Normal.

Und was Freiheit in meinen Augen aktuell am ehesten gefährdet ist dass Gesellschaftsentwürfe die Wert auf Freiheit legen, destabilisiert werden.
Einerseits durch Angriffe von Innen, etwa von Autokraten gesteuerter Populismus der sie dann an die Macht bringt und wo man sie dann eben nicht mehr abwählen kann, weil die an sowas wie Wahlen kein Interesse mehr haben, und das System aushöhlen.
Das ist akut beobachtbar, und die Menschen in diesen Gesellschaften bekommen mitnichten das was man ihnen verspricht.

Und andererseits eben durch extrensische Entwicklungen, die Systemkreisläufe gefährden, und wo einfach alles kollabiert wenn diese Kreisläufe nicht mehr funktionieren.

Das finde ich gefährlich für Freiheit, da hätte ich sorge dass im Zuge von Unruhen Dinge passieren wo ich eines Tages wach werde und tatsächlich chinesische Verhältnisse habe, weil wenn alles brennt kommt der Ruf nach dem vermeintlich starken Mann.

Entsprechend zäumt man das Pferd von hinten auf, wenn man sich in diesen dubiosen Reibereien verzettelt wo die einen bei allem was auch nur im entferntesten aktuell gegebene Freiheiten regulieren will, Kommunistenblockwart rufen, und die anderen in allem was nicht mit ihrem Werteverständnis pari ist den Terroristennazi sehe den man schnell mundtot machen muss.

Das ist nur ein großer destruktiver Kindergarten der meines Erachtens den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.

Was gerade los ist, das hat sich keiner ausgesucht.
Aber was gerade los ist braucht funktionale Lösungen.
Und wenn es um die Ausgestaltung von funktionalen Lösungen geht, dann ist nicht wichtig was wir Scheiße finden, sondern dann ist wichtig worauf wir uns einigen können.

Worum also geht es?
Was ist deine Freiheit? Was ist meine Freiheit?
Wo sind die Gemeinsamkeiten?

Das ist für mich entscheidend.
Wenn Kalle Gabrowski sagt, ich will mit nem Coupe mit 240 über die Bahn brettern, DAS ist meine Freiheit, dann darf er das so sagen.
Und wenn wir feststellen, wir sind allesamt Kalle Gabrowskis, dann können wir eben genau das konservieren auf Kosten von etwas was uns nicht so wichtig ist.
Wir können aber nicht alles konservieren, nicht deswegen weil irgendjemand irgendjemanden was wegnehmen möchte, sondern weil es faktisch einfach nicht geht.
Demokratie ist nicht, jeder kriegt was er will, Demokratie ist ein Konsens über die Gesamtgesellschaft.

Und da kann ich nur sagen, in erster Linie ist mir wichtig in einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft zu leben. Und ich bin überzeugt, das wird nur funktionieren, wenn unsere Systemkreisläufe in Stand bleiben.
Und ich bin überzeugt, wenn wir uns nicht ziemlich rasch neu erfinden und hierbei auch entscheidungsfreudig agieren, dann wird die Realität und was sie mit uns anstellt uns schneller überholen als Kalle Gabrowski.

Weil ich absolut überzeugt bin, ein Zusammenbruch systemischer Kreisläufe ist nicht der notwendige Preis der Freiheit und unvermeidbare Konsequenz, sondern ihr temporäres Ende.


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