Thema:
Auswirkung der Energiewende auf Strompreise in Norwegen flat
Autor: Telemesse
Datum:07.02.22 08:33
Antwort auf:Politik in Europa, Deutschland und Ländern #20 von Bandit

Ich bin vorhin über einen Interessanten Leserbrief eines Norwegers in der FAZ gestolpert in dem er die Auswirkungen der Deutschen Energiewende auf die Strompreise in Norwegen und daraus relutierendes Fehlverhalten schildert. Das war mir in dem Maße überhaupt nicht bewußt und zeigt auch das die These „was wir selbst nicht haben importieren wir aus dem Ausland“ wieder für ganz andere Problematiken sorgt um die sich scheinbar noch niemand Gedanken gemacht hat.

„Zu den Berichten über die deutsche Energiepolitik: Weil Deutschland Atomkraftwerke stilllegt und Windkraft nicht genug Strom hergibt, kauft man seit einiger Zeit unter anderem Strom aus Norwegen. Dafür wurde für viel Geld eigens ein Kabel auf dem Boden der Nordsee verlegt, das im vergangenen Frühjahr in Betrieb genommen wurde. Welche gravierenden Folgen das für viele Norweger hat, wird in Deutschland kaum jemand wissen.
In Norwegen war Strom jahrzehntelang sehr günstig. Fast jeder Haushalt bei uns ist daher völlig auf Elektrizität angewiesen, auch für Heizung und Warmwasser. Unser Strom ist zu 100 Prozent „grün“, da aus Wasserkraft. Wir haben auch genug davon. Private Haushalte zahlten im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre rund 35 Øre je Kilowattstunde, umgerechnet weniger als 4 Cent. Nun haben wir in der Spitze Preise von bis zu 800 Øre je Kilowattstunde, fast 80 Cent. Es wird zwar nur etwa ein Zehntel des in Norwegen erzeugten Stroms exportiert. Weil der Strom an einer Börse gehandelt wird, steigt aber auch der Inlandspreis extrem.
Dieser Anstieg kam gewissermaßen über Nacht. Denn im Gegensatz zu Deutschland haben in Norwegen die meisten Haushalte Verträge mit variablen Strompreisen abgeschlossen, man zahlt unterschiedliche Preise Stunde für Stunde. Das bringt manche meiner Landsleute nun in Existenznot. Der Mittelstand fühlt sich bedroht. Gewerbetreibende legen still, machen Kurzarbeit oder machen Verluste. Wütende Norweger haben sich zu Europas größter Facebook-Gruppe zusammengetan. Letze Woche gab es Demonstrationen in elf verschiedenen Städten, trotz der Omikron-Welle. Die Bewegung um die Facebook-Gruppe hat es nun immerhin geschafft, dass die Regierung einen Teil der zusätzlichen Stromkosten übernimmt. Die Stromrechnung ist für viele trotzdem noch mehrmals so hoch wie früher. In den Städten klagen Asthmatiker über Beschwerden wegen der vielen Schadstoffe in der Luft. Denn jeder, der kann, heizt nun mit Holz statt mit Strom. Die Zeitungen hier berichten jetzt täglich über die Wettervorhersage für Deutschland, da es unsere Strompreise in wahnsinnige Höhen treibt, wenn in Deutschland nicht genug Wind weht.
Die norwegische Regierung versteckt sich vor dieser Situation, die Opposition auch – schließlich ist sie das Ergebnis jahrzehntelanger politischer Fehler. Unsere Politiker haben die „grüne Wende“ in Deutschland nicht kapiert. Schätzungsweise 90 Prozent der Norweger sind gegen den Stromexport; wir möchten nicht, dass Deutschlands Energiepolitik uns schadet. Aber 90 Prozent der Politiker sind dafür. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Die Wasserkraftwerke sind im Besitz der öffentlichen Hand, sie gehören den Kommunen oder dem Staat. Beide erleben daher Milliardenzuflüsse. Es geht hier also nicht um gewöhnliche Geschäftsmodelle, sondern um politische Entscheidungen. Die könnten morgen geändert werden, wenn man nur wollte.
Stein Johan Fongen, Tjodalyng, Norwegen“

[https://www.faz.net/aktuell/politik/briefe-an-die-herausgeber/leserbriefe-vom-31-januar-2022-17765818.html?fbclid=IwAR2ZeTmhHhoO49UhewcxoE8Mph5zBVlDr8xGZVh4jPguO2tjX6rC-cp-9Ro]


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