Thema:
Diverses! :D flat
Autor: Rafael
Datum:28.12.21 11:24
Antwort auf:Was ist aus euch geworden... von TOM

Ich bin mit 19 aus Südafrika mit meiner Familie (Eltern, zwei Brüder) als ehemalige Auswanderer "heimgekehrt" und habe zunächst absolute Anlaufschwierigkeiten gehabt. In der Zeit vor Mails, SMS und Facetime war es schwer Freundin, Freunde, Schulkameraden über Nacht alle wegbrechen zu sehen und das Leben wieder neu aufbauen - in einem Land das ich nicht mehr als Heimat fühlte und das ungefähr 30 Grad kälter war. Dazu noch Sprachschwierigkeiten, da ich eigentlich nur noch Englisch sprach und somit wurde es schwer direkt Punkte fürs Abi zu sammeln. Im Nachhinein hätte ich das Abi/Matric direkt in SA auf der High-School beiden sollen. So kam es anders und ich ging stattdessen auf eine Kollegschule, bzw. Höhere Handelsschule (wovon ich bin heute ein Fan bin). ich habe dann das Fachabitur gemacht, geplant war es abschließend zu studieren, da ich damals ein ziemlicher Nerd war und aufgrund von Hobbys (ihr ahnt es) entweder Informatik oder Architektur in Frage kam. Ich habe damals viel gezeichnet (Stilleben, Gebäude) und interessierte mich sehr für Physik und Technik.

Beworben habe ich mich dann erst mal für ein Praktikum bei einer Wittener Firma, die unter Amiga Fans sehr bekannt war - die Macher der DraCo Computers und später dem Casablanca Schnittsystems. MacroSystem war einziger Amiga OS Lizenznehmer weltweit und bastelte gerade (das war Mitte der 90er) an verschiedenen Videoschnitt- und Multimedia-Lösungen für Hobbyuser und kleine Filmstudios. Beim Gespräch kam alles anders, der imposante Chef (Jörg Sprave, heute YouTuber und TV Persönlichkeit) war begeistert von meinen Amiga- und Englischkenntnissen und so bot er mir an Ort und Stelle eine (gut bezahlte!) Ausbildung zum Kaufmann im Gross- und Außenhandel an. Ich kürze es an der Stelle ab, weil ich dort 14 Jahre blieb. Die Firma wuchs rasant, ich habe die coolste Zeit erlebt und viele Freunde gewonnen, die mich bis heute begleiten. Aus der GmbH wurde eine AG, die später an die Loewe AG verkauft wurde. In der Zeit wurde aus dem Azubi, der ohne Berufsschule die verkürzte Prüfung ablegte, der Leiter des Technischen Supports mit 5 Mitarbeitern, später Exportleiter der ganzen AG und Aufsichtsratsvorsitzender der französischen Tochterfirma. Ich schrieb viele, viele Handbücher auf Englisch für Soft-und Hardware. Um die Zeit herum habe ich übrigens auch Winnie Forster (Ex- Maniac und Powerplay) kennen gelernt, der mir einen Nebenjob gab und ich somit seine Gameplan Bücher ins Englische übersetzen durfte. Auch habe ich einige Jahre kleinere Artikel für die Maniac/M! geschrieben und mein anderes Hobby, das Musikmachen, verbessert.

Zwischendurch spielte ich in einer Elektronik-Band an den Keyboards, die gar nicht umerfolgreich war und wir gingen an Wochenenden auf Tour, sogar in Spanien. Das waren schöne Zeiten und ich lernte viel darüber wer ich nicht bin: Kein Popstar. Zu viel Rummel, der mir unangenehm war.

2006 habe ich aber dafür mein ersten bezahlten Spielemusik-Auftrag bekommen (von NG:DEV.TREAM) und konnte kaum glauben, dass man mir Geld für meine Tracks anbietet. Ich hatte nicht viel Equipment und war noch unerfahren. Als Macrosystem veräußert wurde, habe ich aber den Absprung gewagt und 4 Jahre lang in Vollzeit selbständig Musik für Spiele produziert im Heimstudio. Das war eine coole Zeit, in der ich so Sachen wie Söldner-X, Rainbow Moon/Skies und viele andere Indie Spiele vertonen durfte. Es war schön zu sehen, dass ich mit der Entscheidung nicht zu zeichnen (wäre ich sonst Comic Zeichner geworden?) sondern zu komponieren, Spieler und Kritiker begeistern konnte. Entgegen der Befürchtung meines Vaters, lief es auch finanziell gut und ich konnte trotz fehlender Musikausbildung gut davon leben. Habe mir sogar damals standesgemäß einen RX8 als Auto gegönnt, weil ich den einfach cool fand. :D

Irgendwann um 2012 herum merkte ich aber, dass mir das weniger Spaß machte und ich quälte mich zu neuen Kompositionen. Ich hatte in den 3-4 Jahren zuvor knapp 400 Musiktitel komponiert UND produziert, das leert einen dann doch. Dann erkannte ich warum Bands schon nach 2 Alben eine Auszeit brauchen. :D

Ein Kollege rief mich an und sagte mir, dass seine neue Stelle cool ist (Softwarevertrieb) und die Leute suchen. Den Job habe ich direkt bekommen, als Key Account Manager. Und dort traf ich dann geschäftlich meinen späteren neuen Chef, der mich überredete seine eigene Firma zu leiten. 2013 wurde ich dann zum Geschäftsleiter und später zum alleinigen Geschäftsführer einer Medienagentur mit ca. 30 Mitarbeitern. Die Firma war eine Neugründung und quasi eine Trockenünbung für mein eigenes Startup später. Ganz nebenbei habe ich in der ganzen Zeit bei der IHK den Fachwirt gemacht und bilde auch heute selbst aus. Meine Eltern, allen voran mein Vater, fand es immer schade dass ich nicht studierte. Insofern sorgte die Weiterbildung dahingehend auch für etwas Familienmilde, lol.

2019 gründete ich mit einem Kumpel CUNA, weil es einfach Zeit wurde etwas eigenes aufzubauen und mir die vielen Erfahrungen und Führungsrollen eine gute Basis gaben. Irgendwie spielt dann doch alles was man erlebt da rein und man "endet" dort wo man hingehört. Mittlerweile hat CUNA schon 10 Mitarbeiter und wir sind auf einem guten Weg mit unserem biobasierten Mehrwegsystem für Cafés erste Investoren und große Partner für uns zu begeistern – und ein bisschen die Welt zu verbessern.

Privat war es bei mir auch abenteuerlich ;) Habe viele Beziehungen in meinem Leben geführt, manche kurz, andere lang. Ich bereue nichts. Ich bin beziehungstechnisch heute glücklich und würde Stand heute eine eigene Familie durchaus gründen wollen, wenn ich auch nicht mehr der allerjüngste bin (48).

Ach ja, im M! Forum bin ich seit glaube ich 1997 oder 1998 mit dem gleichen, nie gespeeeerten Account. Das Forum hat mich all diese Zeit begleitet und alles "miterlebt". Danke dafür und auch die nächsten 10 Jahre. Euch einen guten Start in 2022 schon mal auf diesem Wege.


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