Thema:
Hmm, nicht spektaulär flat
Autor: greco
Datum:23.12.21 13:58
Antwort auf:Was ist aus euch geworden... von TOM

In Kindertagen war mein Wunschtraum Meteorologe zu werden, da ich dachte, dass man den ganzen Tag Karten malen darf (kindlich-naiv) und das Wetter würfelt (wahrscheinlich real). Ich bin als kleiner Junge auch immer mit dem Atlas durch die Weltgeschichte gerannt und konnte Staaten wie Hauptstädte auswendig. Meine Bewerbung bei Wetten,dass...?! wurde aber nie angenommen.

Ansonsten kam nach dem unspektakulären Grundschulbesuch die Zeit auf dem Gymnasium, die ich stringent, aber planlos durchzog. Videospiele wurden da zunehmend zum wichtigen Hobby, so dass ich mit einem Kollegen beschloss, in der Schülerzeitung eine eigene Videospielrubrik aufzubauen, was nach anfänglicher Begeisterung in der Redaktion zu einer endgültigen Ablehnung führte. Also, warum nicht selber machen? So entstand die "Tivi Gemu" mit einer Erstauflage von 100 Exemplare, feinsäuberlich im Keller eines weiteren Redaktionsmitglieds gebunden. Überall illegalerweise in der Schule Plakate aufgehangen, um auf den bevorstehenden Release hinzuweisen, um dann zum Direktor zitiert zu werden.
Nach einer kurzen Standpauke durften wir dann doch verkaufen und konnten sieben Exemplare an den Mann/die Frau bringen. Der Rest landete in der Papiertonne auf dem Schulhof.

Derartige Projekte durchzogen fortan mein Leben. Mit einem weiteren Kollegen haben wir weit vor Zoo Tycoon den Hit "Sim Zoo" entwickelt, bei dem man an einen eigenen Zoo basteln sollte. Nie zu Ende geführt, haben wir dann ein Adventure (weit vor der Welle Ende der 00er) angefangen, um dann ein storylastiges Jump'n'Run im Banjo-Kazooie-Stil anzufangen. Was sowas angeht, waren wir unserer Zeit immer voraus. Mein Bruder war auch Early Adaptor der Pokemon-Reihe, als die noch kaum jemand in Deutschland kannte
Das Jump'n'Run-Projekt war allerdings schon 2006, also zwei Jahre nach meinem Abi.

Das Abi selbst hatte ich ganz gut beendet und war so ein bisschen auf Studiensuche. Da ich weder großartige Stärken noch nennenswert Schwächen in der Schule hatte, war quasi alles offen. Auch wenn ich gerne was in Richtung Informatik gemacht hätte, schien der Zug aber ohne mich abzufahren, da ich mir was Naturwissenschaftliches nicht zutraute. Also (laut Abizeitung): Geschichtsstudium -> Historiker.
Das redete mir aber (zum Glück) mein Bio-Lehrer noch in der letzten Präsenzwoche der Schule aus, so dass ich erstmal meinen Zivildienst im Altenheim antrat, was echt eine Zeitverschwendung war.
Während der Zeit also sinniert und auf den Trichter Sozialwissenschaften gekommen (ach schön, was mit Tieren?!), wo ich so seelenruhig und locker vor mich hin studierte.

Allerdings hatte ich keinerlei Praxiserfahrung, so dass ich nur auf ein Praktikum bei einer der letzten Steinkohlezechen zurückgreifen konnte. Aber zwei Wochen in der Schulzeit und dann noch IT - hilfe. Ziemlich ratlos dann einfach auf irgendwelche Hilfsjobs beworben (in einer Videothek bin ich nach einem Probetag geflogen, habe mich ein wenig mit der Leitung angelegt) um dann nach zahlreichen Absagen einen Job bei einem Lobbyverband in der Binnenschifffahrt zu bekommen (mit drei F!).
Da so ein bisschen PR gemacht, auf Mitgliederversammlungen gefahren und Messen besucht. Da mein Chef in einer Studentenverbindung war, wollte er mich da immer reinziehen, was ich dankend ablehnte.
In unserem Hause war noch ein anderer Verband aus derselben Branche, der noch einen Nachfolger für eine Referentenstelle suchte....zack, beworben, Vorstellungsgespräch geführt und....gescheitert.

Dann halt der Nebenjob weiter und ein bisschen auf das o.g. Jump'n'Run-Projekt fixiert. Dabei unzählige Konzepttreffen gemacht, Engine-Wechsel fabriziert (3D Gamestudio war die Hölle, also ab auf XNA) und in der elterlichen Garage vor sich hin gemodellt.
Tja, und dann in der Mensa einen Zettel in die Hand gedrückt bekommen, dass ein Selbstständigkeitsseminar (halbjährliche Reihe mit Stunden von Workshops) angeboten wird. Voraussetzung war die Einreichung eines Konzepts. Spiel beschrieben, Vertriebswege konkretisiert und dann ab dafür! Wie viele andere, sind wir dann auch genommen worden. Auch wenn die Workshop-Reihe viel Spaß machte, wurde uns jedoch mit der Zeit klar, dass wir nicht so die richtigen Cracks waren und haben nach der Abschlusspräsentation die Idee des Gaming-Studios begraben. Unser Business-Plan war auch grottenschlecht, muss man sagen....

Und dann kam alles, wie es kommen musste: Studium beendet, lange auf Jobsuche gewesen und nach zwei Praktika (Wirtschaftsförderung und danach ein anderer Verband) auf Empfehlung meines Chefs im Praktikum bei einer Innovationsgesellschaft des Landes angefangen. Hier viele internationale Wirtschaftsprojekte gemacht, aber auch Schiri bei den Robogames gewesen (ja, komisch, ich weiß). Echt abwechslungsreich, um dann durch die Hintertür gesagt zu bekommen, dass Zeitverträge nach zwei Jahren nicht mehr verlängert werden.
Durch Zufall in meinem Mailaccount dann eine Nachricht meiner alten Praktikumsstelle (Wirtschaftsförderung) bekommen, dass hier ebenfalls ein Nachfolger gesucht wird. Dort beworben und für 3,5 Jahre eingestiegen.
Über Networking, Beharrlichkeit etc. dann in eine andere kommunale Wirtschaftsförderung gewechselt.

Hier arbeite ich nun seit 2017, mittlerweile als Abteilungsleiter und wohne mit Frau (in der Disko um 4 Uhr nachts kennengelernt...kann funktionieren!) und Kindern in der Nachbarstadt (meine Heimat hat mich zurück). Um mich nicht komplett zu langweilen, mache ich Lobby weiter: Für meinen Heimatstadtteil in Sachen Stadt- und Wirtschaftsentwicklung (aber keine Parteiarbeit...wäre gar nichts für mich).
Nach den Videospielprojekten habe ich mit meinem Bruder und einem weiteren Kollegen nun auch einen autobiographischen Comic über unsere Fußball-Jugendzeit im Ruhrgebiet rausgebracht und mache hier so ein bisschen Marketing. Nächstes Jahr auch mit "Lesungen" bei Kulturfestivals....schon komisch so alles irgendwie.
Hätte mich jemand mit 18 Jahren gefragt, wo ich so mit 36 stehe, hätte ich keine solide Antwort geben können.
Am Ende hat sich aber alles gut gefügt, so wie es ist. Auch die ganzen Bewerbungsabsagen waren genau richtig getimt.

Irgendeinen Quatsch denke ich mir auch zukünftig aus. ;-) Ich hätte die Story noch weiter ausschmücken können, aber dann wäre das doppelt so lange geworden.


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