Thema:
Rundherum ein Leben in der Entertainment-Branche flat
Autor: Taz
Datum:22.12.21 21:42
Antwort auf:Was ist aus euch geworden... von TOM

Habe nicht gewusst, was ich werden sollte. Irgendwas mit PCs, aber keine Ahnung was genau. Ich war überhaupt kein guter Schüler, schon in der Grundschule nicht. Hab erst in der Oberstufe gefallen am Lernen gefunden. Am Ende dachte ich, dass ich dann entweder EDV-Kaufmann oder ein Informatik-Studium beginne.

Wollte dann ein Jahr Pause nachm Abi machen und rumjobben. Landete dann durch einen Zufall in der Musikbranche im Backoffice eines Produktionsstudios, das in der Zeit (96-99) internationale Hits produzierte (Backstreet Boys, 'N Sync, Mark Wahlberg...). Dadurch lernte ich die Berliner Multimedia-Agentur Exozet kennen. Wollte mit denen 99 ein Videospiel produzieren und reiste ohne Erfahrung/Kontakte zur E3 nach LA. Hätte die Unreal Engine lizenzieren können, aber mangels Erfahrung sprang der Investor in Berlin ab, da ihm seine Berater empfahlen sich auf ein Team mit Erfahrung zu konzentrieren - und die hatten wir ja noch nicht.

Durch meine ersten Gehversuche in der Videospiel-Branche lernte ich Virgin Interactive kennen und erhielt einen Job als Produktmanager. Dabei verantwortet man dann die Markteinführung im deutschsprachigen Raum. Man schreibt Verpackungstexte, PR-Texte, arbeitet mit Werbeagenturen, testet die deutschsprachige Übersetzung etc. Das war ein Traum für mich, der mich auch zur Tokyo Game Show und einem 10-tägigen Besuch bei Capcom brachte. Eine tolle Erfahrung insgesamt und auch spezielle beim Besuch in Japan. Hatte bis dahin aber noch keine Ausbildung oder Studium, und bekam das dann von einer neuen Vorgesetzten auch immer vorgeworfen, die dadurch eigentlich nur sich selber behaupten wollte.

Habe dann ein duales Studium zum Medienbetriebswiert nachgeholt, bei der Werbeagentur von Virgin. Habe da dann nicht nur wieder Virgin, sondern auch Infogrammes (später ATARI) und Ubisoft betreut. Wurde dann aber Panasonic vorgestellt und habe viel Erfahrung in der Vermarktung deren Consumer Electronis gesammelt. Panasonic wurde zum größten Kunden der Agentur, wodurch ich auch viel gelernt hatte (Gutes wie Schlechtes). Ich wollte schon länger dann mal was Neues machen, hatte aber nicht den Absprung geschafft, da ich auch Vater wurde und auf Sicherheit gespielt habe.

Nach 10 Jahren dachte mein Boss, dass ich sein Nachfolger werden könnte, er hatte da aber eher eigene Interessen im Sinn gehabt. Als dann Facebook und der Appstore den schnellen Erfolg mit Games versprachen, dachte ich dass ich endlich mal meine eigenen Games entwickeln kann.
Habe dann eine eigene Firma gegründet und mangels eigenem Team eine Auftragsproduktion vergeben. Bin dann auf Halunken hereingefallen, konnte aber dank der Unterstützung von einigen Personen trotzdem alles soweit hinbekommen, dass wir das Browsergame veröffentlicht bekamen. Leider war es ein Flop, denn es war den Umständen und der Erfahrung entsprechend auch nicht wirklich gut. Habe mit viel Kraftanstrengung und geldlichem Verzicht dann insgeasmt 10 Jahre lang die Firma zu einem 16-köpfigen Team anwachsen lassen.
Dabei haben wir zig Produktionen für Agenturen und Industriekunden mit Werbespielen, Websites, Apps, VR-Krams, Chatbots etc. umgesetzt. Lief in der zweiten Hälfte wirklich super. Auch in der Anfangsphase der Pandemie waren wir abgesichert und hatten gut zu tun. Habe dann letztes Jahr aber ein für mich interesassantes Jobangebot erhalten. Habe dann die Firmenleitung an meinen längstjährigen Mitarbeiter und den Kreativchef der Werbeagentur übergeben, bei der ich selber ja gearbeitet hatte. Ich hatte Lust auf ne große Firma (10.000 Mitarbeiter) und internationale Kunden und Kollegen - finanziell auch attraktiv. Hörte sich alles für mich nach viel neuer Erfahrung an.

Und nun bin ich bei Endava, einem 20 Jahre alten, internationalen IT Service-Dienstleister - hier schließt sich der Kreis, denn Endava hat Exozet gekauft, mit denen ich ja quasi mein Berufsleben ebenso gestartet habe.
Dort bin ich zuerst als europäischer Regionalleiter eines "New Productions" Beratungs-Teams gestartet. Aufgrund vieler Punkte lief es für mich persönlich aber überhaupt nicht gut dort. Das wurde für mich in den ersten sechs Monaten so schlimm, dass ich mein Vertrauen in mich selbst verloren hatte und mir Stellenanzeigen für irgendwelche einfachen Jobs rausgesucht habe, da ich dachte dass ich einfach nix kann und echt kurz verzweifelt war. Hab ich so noch nie erlebt und es hing mit vielen verschiedenen Dingen zusammen.

Dann hat Endava entschieden, sich der Gamesbranche als Dienstleister zuzuwenden und suchte jemanden, der das operativ leiten kann. Und das habe ich dann für mich als Chance gesehen aus meiner Situation das Beste zu machen, und mich in eine meiner Komfortzonen zu bewegen.
Das zeigte sich als sehr gute Entscheidung, denn ich gewann schnell mein Selbstvertrauen zurück. Jetzt mache ich grad viele Dinge in Eigenregie: Marketing, Leadgenerierung/Sales, Aufbau und Training von Teams - und das weltweit, bzw. in Nord-/Südamerika und Europe. Habe zum Glück erste Erfolge und große Kunden gewinnen können. Ich habe nen Plan, was ich hier mit Endava alles im AA/AAA Bereich erreichen möchte und bin auch sehr zuversichtlich. Stecke viel Energie rein...

Privat ist alles gut. Hab damals in der Werbeagentur ja meine Frau kennengelernt. Sind seit 16 Jahren verheiratet, haben drei tolle Jungs. Kann mit Gewissheit sagen, dass sie mich nie der Kohle wegen gehereitate hat :-) Das hat sich aber geändert, ich habe da viel gelernt und mir erarbeitet. Durch meine eigenen Firma bin ich erstmal auch nochmal durch ne finanzielle Hölle gegangen, aber dann nach ca. 7 Jahren Selbständigkeit hatte sich alles in eine gute Richtung entwickelt.
Spiele seit 8 Jahren Fußball und habe da meine echte Kopf-Auszeit. Bin froh, wenn ich mal meine Videospiele spielen kann. Aktuell durch meine Rolle kann ich mein Nerd-Tum aber auch wieder voll ausleben und bin grad glücklich mit Halo und meiner XSX (die ich hier im Forum gekauft habe).

Es läuft gut, aber ich bin mir durchaus bewusst, dass sowas immer auch nur eine Momentaufnahme sein kann. Ich versuche mir Momente bewusst zu machen, das ist nicht immer einfach. Ich arbeite manchmal zuviel, auch wenn ich nicht arbeite, arbeite ich natürlich im Kopf. Ich versuche mich aber auch sehr um meine Familie zu kümmern. Das geht alles so schnell vorbei...

Ich bin auch glücklich hier im Forum. Ich lese jeden Tag und freue mich an allen kleinen und großen Postings...Danke, dass es Euch gibt!


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