Thema:
Re:Alex Christensen & The Berlin Orchestra flat
Autor: JPS
Datum:01.11.21 12:30
Antwort auf:Re:Alex Christensen & The Berlin Orchestra von Xtant

>- die Vorstellung, dass man einfach nur ein echtes Symphonieorchester dazu düdeln läasst, und schon hat man künstlerisch wertvolle Werke, ist ziemlich überholt. Zu oft hats das schon gegeben, zu wenig Überraschendes kommt hier dabei raus. Letztendlich sinds jetzt Popsongs mit größtenteils uninspiriertem und überflüssigem Streichergedudel.

Dass die Werke künstlerisch besonders wertvoll sind werden bei Pop-Musik, die im Fernsehgarten und in der Schlagerparade läuft, wohl die wenigsten annehmen.

Was das überflüssige Streichergedudel angeht ist das auch Geschmackssache. So wie es im ersten Song (What is Love) eingebunden ist, gefällt es mir. Ich mag aber auch Symphonic Metal, was dann natürlich schon einen gewissen Zugang zu diesen Elementen nahelegt.

>- Ich fand schon damals zur Eurodance-Welle, dass der Christensen jetzt nicht gerade ein Top-Act ist.

Hat er überhaupt relevante Eurodance-Songs produziert? Seine kommerziell erfolgreichen Songs von Anfang der 90er (z.B. Das Boot) würde ich nicht so einordnen und danach ist er mir eher mit Coversongs aufgefallen. Als Produzent hat er zwar vermutlich schon irgendwo mitgewirkt, aber da wären mir jetzt auch nicht viele relevante Eurodance-Songs bekannt.

>Das zeigt sich IMO besonders gut bei Redemption. RMB war für mich einer der ganz wenigen wirklich guten Acts der Techno/Trance-Glanzzeit (die mir an sich eh am Arsch vorbeiging). Gute Kompositionen, wirklich intelligente Arrangements, Genre-bezogen halbwegs abwechslungsreich und vor allem einen wirklich fetten, dabei aber nicht übertriebenen Sound, kein billiges BummBumm wie bei vielen anderen. Die verstanden einfach ihr Handwerk.

Ich höre im Original nahezu durchgehend den genretypischen und nicht besonders einfallsreichen Bummbumm-Sound als treibendes Element - dass das hochwertiger oder ausgefeilter als im Remake sein soll, erschließt sich mir nicht: [https://www.youtube.com/watch?v=RAgDBAMiQW0]

Obwohl ich Jumpstyle, Shuffle & Co. als relevante und außergewöhnlich anspruchsvolle und gute Tanzstile empfinde, sind das Interessante an den Songs von damals aus heutige Sicht IMO die melodischen Parts und teilweise die Vocals und Lyrics (die schon vor Twitter ein Lebensgefühl oder eine Aussage in eher wenigen Worten untergebracht haben).

L'amour Toujours (für mich mit Abstand die die Nr. 1) oder Sandstorm sind IMO zeitlose Meisterwerke und werden für immer und in nahezu jeder erdenklichen Aufmachung funktionieren.

Selbst Scooter hatte neben seinen plumpen eigenen Vocals in Nessaja einen melodischen Part, der nicht ohne Grund später von Peter Maffay aufgegriffen wurde. Überhaupt halte ich Scooter für sehr unterschätzt, da unter seinen eher plumpen eigenen Vocals und dem genretypischen Sound sehr interessante Kompositionen versteckt waren, die an vielen auf Grund des Genres und dessen kontroverser Elemente vorbeigegangen sind.

Und wenn ich diesen melodischen Part von Nessaja nun heute hören will, habe ich im Endeffekt die Wahl aus dem Original mit Scooters Gesangseinlagen, diversen Remixen, die eher noch mehr Bumm bieten (Hardstyle, etc.), den deutschen Versionen von Maffay und Fischer - oder eben dieser neuen Version vom Alex Christensen mit der mir sehr angenehmen Stimme von Asja Ahatovic - da fällt die Wahl nicht schwer.

>Und dann schafft Christensen über 25 jahre später - mit wahrscheinlich ganz anderen technischen Möglichkeiten - da nicht mal ansatzweise hinzukommen. Klingt wie ein 15-jähriger, der seinen zu Weihnachten geschenkten Sequenzer das zweite oder dritte Mal ausprobiert.

Redemption ist wie alles im Projekt sehr mainstreamig produziert - von ersten Experimenten eines 15jährigen ist das aber schon sehr weit entfernt. Und auch hier finde ich die neue Version hörbarer als das Original, das noch mehr auf einen stumpfen Sound als treibendes Vehikel gesetzt hat (siehe Link oben). Das mag auf einem entsprechenden Event zum Abtanzen auch passend gewesen sein, zum reinen Anhören funktioniert das neue Arrangement für mich aber besser, obwohl ich auch in der neuen Version statt des stellenweise genutzten "U96-Bass"-Stils eine interessantere Alternative bevorzugt hätte.

>- "wir kleiden die Songs in einen Projekt-typischen Sound" ist immer so ein Vorwand, wenn man es nicht schafft, den Flair des Vorbilds beizubehalten. Und das ist hier der Fall. Die Originale stammen aus allen möglichen Musikrichtungen, beim Endprodukt klingt alles praktisch gleich.

Natürlich gibt es mit dem Orchester einen gemeinsamen Faktor der - damit das Publikum auch das bekommt was draufsteht - immer durchscheint und bei einer Fliessband-Produktion (1 Album pro Jahr) mit dem gleichen Produzenten auch weitere Gemeinsamkeiten, aber ich sehe jetzt nicht wie meine fünf genannten Favoriten alle gleich klingen - ich kann Dir jeden der Songs innerhalb von Sekunden an jeder beliebigen Stelle identifizieren.

>Nene, das is nix. IMO ist es eh nirgends wo einfach wie im populär-Musikbusiness, sich auch als Minderbegabter so lange oben zu halten.

Gute Selbstvermarktung und der Aufbau sozialer Netzwerke ist in jedem Bereich weit wichtiger als herausragendes Talent. Und auch wenn ich Christensen jetzt nicht für einen Ausnahmekünstler halte würde ich ihm in seinem mainstreamigen Bereich schon mind. durchschnittliche Fähigkeiten zugestehen.

>Gleiches bei Helene Fischer. Soll sie ruhig erfolgreich sein; anscheinend braucht das Volk so jemand. Aber man soll ihr doch bitte nicht auch noch einreden, sie könne das, was sie da macht, besonders gut.

Offenbar kann sie das Schaffen einer Illusion für ihre Zielgruppe relativ gut. Und das dürfte im Schlager-Bereich in Kombination mit gefälligem Aussehen das wesentliche Skillset sein.


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