Thema:
Re:Heute im Bundestag flat
Autor: token
Datum:08.09.21 08:49
Antwort auf:Re:Heute im Bundestag von Phil Gates

>>[https://twitter.com/gephiltert/status/1435184472266350593]
>>
>>So geil :-)
>
>
>Die Frau ist echt so unglaublich hohl... "Der Markt" hat bspw. die Corona-Impfstoffe hervorgebracht. "Der Markt" sind auch Menschen. "Der Markt" hat dafür gesorgt, dass Menschen in vielen Ländern der Erde Zugang zu Internet, sauberem Wasser, Medikamenten usw. haben.
>

Der Markt ist weder gut noch ist er böse, er bringt unglaublich viel Leid hervor und unglaublich viel Freude.
Das Ding ist, weder das eine noch das andere gehört zur regulatorischen Intention des "Marktes".

Der Markt ist ein abstraktes Konstrukt das sich maßgeblich aus den Spielregeln definiert welche sich dieser im Verbund mit dem Staat selbst auferlegt hat.
In diesem Regelwerk ist vieles vollkommen richtig. Etwa dass es komplett auf Leistungskampf gebürstet ist. Und das ist wie gesagt nicht falsch, nimm eine Olympiade und lass alle Sportler nur für sich laufen, ihre Zeiten tracen und hierbei die Zeiten unter Verschluss halten. Und dann stelle sie nebeneinander auf eine Rennbahn und lass sie gegeneinander rennen und kämpfen, gewinnen und verlieren. Und dann vergleiche die Zeiten. Wo werden Weltrekorde gemacht? Wo zeigt sich wer druckresistent ist und dann wenn es zählt abliefert, wo zeigt sich wer so einem Wettbewerb nicht stand hält und aussortiert gehört, weil er nicht mithalten kann wenn es um die Wurst geht. Und dann wird gegen einen anderen Player rotiert der von hinten wieder den Druck auf die Spitze aufbaut.

Das ist ein zentrales Vehikel dieses Regelkatalogs. Es ist unromantisch, es ist ein Rahmen in dem antiautoritäre Eltern wütend mit dem Kopf schütteln und ausrufen, wir können diese Sportler mit Liebe und Verständnis zu noch besseren Erfolgen streicheln. Und janz ehrlich, da lach ich mich doch auch schlapp. Sowas ist illusorisch. Druck, Konkurrenz, Leistungsorientierung und das Gesetz des Stärkeren, da wird Geschichte geschrieben, das macht die Natur auch nicht anders.

Das Ding ist aber, was in diesem Regelkatalog eine Rolle spielt und was ausdrücklich keine Rolle spielt. Was bspw. keine Rolle spielt sind Aspekte wie Nachhaltigkeit, Lebensqualität, gesellschaftlicher Wohlstand, Ethik, Moral, lokale Gesetzgebungen, Anstand, und das vollkommen bewusst. Denn das will man ja auch, man will Gesellschaft als Nutznießer des Marktes, der Markt ist ja kein Kunstwerk das für sich stehend irgendeinen Wert hat, er ist ein Instrument für die moderne Gesellschaft, er soll einen Zweck erfüllen.
Und da heißt es, liebe Gesellschaft, nerv nicht, du kriegst all das als Abfallprodukt unserer Reibungen. All diese tollen Dinge fallen ab wenn man den Markt einfach machen lässt.

Das war einmal und lange lange Zeit war es vollkommen richtig. Kapitalismus hat Sozialismus gefickt. Und zwar nicht nur so, dass die Gesellschaften reicher waren und erfolgreicher waren, sondern so, dass die eigentlichen Ziele des Sozialismus mit dem individuellen und gesellschaftlichen Wohl im Mittelpunkt auch besser inszeniert wurden, und zwar fucking deutlich besser.
Die einen waren frei, die anderen wurden an der Grenze erschossen, auf der einen Seite haben sich Wertebilder ethisch evolutioniert hin zu, es zählt nicht wo du herkommst, wie du ausschaust, welche Löcher du bevorzugst leckst oder woran du glaubst, sondern was du ablieferst; Da haben wir also Entfaltung auf der einen Seite und Umerziehungslager auf der anderen wenn aus der Reihe getanzt wird.
Und viele viele weitere Anschaubeispiele dieser Art.

Natürlich ist nicht alles Gold, aber wenn du die Menschen gefragt hast, wo willst du leben, dann war die Antwort klar. Und wenn man rüber gemacht hat war man natürlich auch desillusioniert weil das Bild mit dem sich solche Gesellschaften nach Außen vermarkten hält dem Bild der Realität nicht stand, dennoch wollte man nicht zurück.

That being said, irgendwo und irgendwann auf dieser Reise fingen Dinge an schief zu gehen. Das Raubtier Markt, regulatorisch komplett auf etwas getrimmt das man vom Ballast menschlicher Werte befreite weil diese eh Abfallprodukt waren und nur der gewünschten Performance im Weg standen, hat sich von der Leine gerissen.

Konzerne als globale Player fingen an diesen strukturellen Vorteil ggü. Gesellschaften auszuspielen, weil sie am deutlich längeren Hebel saßen. Beim Ergründen neuer Gewinnpotenziale ging es dazu über Grundwerte zu vereinnahmen um daraus Profit zu schlagen, wenn Gold und Öl und Co. abgesteckt sind geht es halt irgendwann ans Wasser. Statt Leistung und Kompetenz entscheidet zunehmend die Seilschaft und das Erbe über den persönlichen Erfolg. Statt Konkurrenz und wilder Reibungen entstehen immer weniger und größer werdende Megakonzerne welche mit Methoden die diametral gegenüber dem Leistungskampf stehen ihre Vormachtstellung absichern.

Dabei sind die Verwebungen derart integral und gigantisch und konzentriert dass die Marktbereinigung durch Fails nicht mehr passieren darf, weil die Failer halt too big too fail sind und. der. komplette. Markt. kollabiert wenn man bei sowas nicht von Außen eingreift.  
Und das weiß man und nutzt nun auch das Aus.
Der Markt von Heute hat sehr viel mit den Problematiken des klassischen Beamtenwesens gemein.

Was hier abgeliefert wird ist schon lange nicht mehr das was man bestellt und versprochen hat. Der Markt untergräbt im großen Bild seinen eigenen Leistungsgedanken und scheitert auch im kleinen Bild an seinen eigenen Methoden. Und genau in diesen Mikrokosmen der Unternehmensstrukturen findet schon längst ein Umdenken und eine Konsolidierung der alten Methoden statt.

Faktoren die keine Rolle bei der Leistungsbemessung hatten fließen nun zunehmend ein. Vor zehn Jahren hat bei uns einen Toten interessiert ob du glücklich und zufrieden warst. Heute wird das jedes Jahr interviewed, in Skalen gepackt, und ist eine Bemessungsgrundlage für die jährlich bewertete Performance von Führungskräften. Wer da schlechte Noten hat, hat jetzt ein Problem. Weil man sieht, die Performance des Einzelnen ist besser wenn der keine psychischen Probleme und einen gesunden Ausgleich hat.

Auch bei dem Einzelnen wird der Erfolgsfaktor an den Prämien geknüpft sind, eher an übergreifenden Unternehmenszielen bemessen auf welche man keinen vollumfänglichen Zugriff hat. Weil man gesehen hat, dass der Nachbau der Leistungskultur nach klassischem Bild nicht dazu führte dass die internen Reibungen dazu führten dass das Unternehmen profitiert hat, sondern Individualinteressen die eigenen Ziele sabotierten.

Was wir also in diesem Format erleben ist mitnichten dass man sich von der Philosophie des Leistungsgedankens löst, aber sehr wohl an Stellschrauben rangeht woran man Leistung und Erfolg bemisst. Man passt die internen Spielregeln dort wo sie nicht aufgehen an die aktuellen Erkenntnisse an, ohne sich hierbei in der grundsätzlichen Ausrichtung zu verändern. Dennoch sind die Auswirkungen dieser kleinen Anpassungen groß, Unternehmenskulturen legen sich Wertekataloge auf, die Mitarbeiter bekommen Arbeit und Leben zunehmend besser unter einen Hut, die kleinen Herrscher werden abgesägt, Verantwortung wieder auf mehr Schultern verteilt, Teams werden zum Miteinander geprügelt weil es für ihren persönlichen Erfolg notwendig geworden ist, und das einfach nur weil dieser nun anders bemessen wird.

Solche Konsolidierung finden in den Mikrokosmen der Unternehmen längst statt, und da sind diese dem Regelwerk der Makrokosmen schon drei Schritte voraus. Sowas kommt dann auch nicht von Treehuggern, sondern von Performern, allerdings von solchen die ihre Bibel verbrennen ohne ihren Glauben zu verlieren, die Augen aufmachen, und selbstständig denken.

Und wäre die FDP eine moderne Wirtschaftspartei die in so einer Richtung denkt, ich würde sie wählen! Genau das kann ich nicht erkennen. Sie ignoriert meines Erachtens die Erkenntnisse moderner Wirtschaftswissenschaften, und wahrt bestehende Strukturen. Sie will die kleinen Herrscher nicht stürzen sondern schützen. Sie verschließt die Augen vor dem was nicht funktioniert. Sie drückt sich vor der Wahrnehmung von Verantwortung wenn sie die Gelegenheit für diese bekommt, und wenn sie Verantwortung hat verteilt sie Geschenke an einen elitären Kreis statt Leistungsdruck aufzubauen.

Das ist meine Wahrnehmung dieser Partei.
Und meine Meinung ist, wir haben für diesen Scheiß keine Zeit.
Wir führen als westliche Gesellschaft schon längst einen kalten Zwei-Fronten-Krieg den wir UN-BE-DINGT gewinnen müssen, und zwar an beiden Fronten, denn beide Niederlagen hätten auch für sich betrachtet fatale Konsequenzen für unsere Nachkommen, und zwar die Kinder und nicht die Enkel der Enkel der Enkel.
Die eine Front ist sind die Auswirkungen auf die Umwelt die es einzufangen gilt, weil diesen Kampf zu verlieren bringt überhaupt keine Gewinner hervor. Wirtschaftskreisläufe sind komplex und fragil, und diese würden unter den Auswirkungen der erwartbaren Phänomene kollabieren, da kucken auch die kleinen Herrscher irgendwann blöd aus der Wäsche. Und die andere Front ist China, welche mit ihrem gesellschaftlichen Wertemodell Wirtschaft so auf Fahrt bringen das links und rechts nur gestaunt wird. Und wenn dieses Wertemodell gewinnt, wird es uns vereinnahmen, das ist so, so funktioniert gesellschaftliche Evolution. The winner takes it all.

Also müssen wir unseren Scheiß ratzefatz auf Kette kriegen, Bibeln verbrennen, Glauben bewahren, nachdenken, mutig sein und Gas geben um diesen beiden Fronten mit Anlauf in die Eier treten. Und wir haben dafür keine Zeit mehr.
Und das schaffen wir nur wenn wir bereit sind mit den bestehenden Werten und Regeln zu brechen von denen wir klar beobachten können dass sie nicht mehr funktionieren, und eben auch bestehende Planungen verwerfen bei denen wir schon heute klar ausrechnen können, dass die Ziele so nicht erreicht werden können, statt uns weiter in die Tasche zu lügen und das Problem weiter in die Zukunft aufzuschieben, obwohl es Deadlines und endliche Ressourcen gibt.


< antworten >