Thema:
Re:Wie denken denn generell die Männern in Afghanistan? flat
Autor: Atlan
Datum:20.08.21 14:36
Antwort auf:Wie denken denn generell die Männern in Afghanistan? von Telemesse

Aus den „Afghanistan Papers“, 2019 von der Washington Post veröffentlicht, geht zweierlei hervor. Zum einen hat die US-Regierung die amerikanische Öffentlichkeit über Jahre hinweg in Sachen Afghanistan belogen und ihre vermeintlichen Erfolge schöngeredet. Zum anderen sind rund 40 Prozent der insgesamt mehr als zwei Billionen (!) US-Dollar, die Washington diese Intervention gekostet hat, in die Taschen korrupter Politiker, Beamter, Warlords oder regionaler Milizen geflossen. Nicht etwa in den Aufbau demokratischer Verhältnisse oder des Schul- oder Gesundheitssystems.

Fassungslos rätseln hiesige Politiker und Meinungsmacher dieser Tage: Warum hat die afghanische Armee denn nicht gekämpft und den Vormarsch der Taliban aufgehalten? Dabei wäre die Frage eigentlich die: Warum sollte ein Soldat für 50 bis 60 Euro Monatssalär sein Leben für eine ebenso korrupte wie unfähige Regierung riskieren? Die Taliban sind keine vom Himmel gefallenen Außerirdischen, sie sind tief verwurzelt unter den Paschtunen, der größten ethnischen Gruppe Afghanistans. Über die Madrasas, die Koranschulen, rekrutieren sie einen Großteil ihrer Kämpfer. Pakistan und Saudi-Arabien sind ihre wichtigsten Finanziers. Mit brutaler Gewalt und geschickter Bündnispolitik haben die Taliban in den vergangenen Jahren auch Nicht-Paschtunen unter ihrem Banner vereint. Zugute kam ihnen dabei die rücksichtslose US-Kriegsführung mit Drohnen, denen Tausende Zivilisten zum Opfer fielen.

Für die meisten Afghanen waren die NATO-Truppen ebenso Besatzer wie vor ihnen die Sowjets.


[https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/besatzer-nicht-befreier]

Die Mehrheit der Afghanen (bis auf eine gebildete, meist städtische Minderheit) teilt schlichtweg die Weltanschauung der Taliban. Vereinfacht: Die Taliban SIND die Afghanen (wie auch schon der Vietcong die Vietnamesen waren). Und die Amerikaner waren für sie einfach feindliche Besatzer mit vollkommen fremd anmutendem Weltbild, die Taliban für sie hingegen ihre "Freiheitskämpfer". Solche Kriege kann man daher einfach nie gewinnen. Weswegen der Satz des Ausgangspostings "Für manche ist der Sieg der Taliban eine Befreiung" leider auch absolut korrekt ist. :/ Im Grunde sogar noch eine Untertreibung. (Der Großteil des verlinkten Twitterpostings ist aber natürlich zynischer Blödsinn und zu diesem Zeitpunkt pietätlos.)


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