Thema:
Re:Lobo zum Thema fehlende Warnungen flat
Autor: Shigeru
Datum:21.07.21 17:32
Antwort auf:Lobo zum Thema fehlende Warnungen von thestraightedge

Ja, ich halte ein Warnsystem über SMS oder Cell-Broadcast für Sinnvoll. Das alleine ist jedoch nicht an dieser Katastrophe schuld.

Es wurde ja wirklich frühzeitig, sehr intensiv, vor diesen Regenmassen gewarnt.

Gerade in den betroffenen Gebieten hätten Einsatzkräfte voralarmiert sein müssen. Bei anderen Ereignissen geht das ja auch. Als 2001 die World Trade Center angegriffen wurden, musste ich beim THW angeben, wenn ich den Kreis verlassen hätte, da man in Alarmbereitschaft versetzt war. Ähnliches gibt’s auch in anderen Situationen wo eine gewissen Bedrohungslage existiert, man die Ausmaße aber nicht genau abschätzen kann. Das hätte jedoch nur einen kleinen Einfluss auf diese Katastrophe genommen. Die Schadenslage ist hier so groß, dass diese durch eine örtliche Gefahrenabwehr gar nicht alleine bewältigt werden kann. Wenn die Nachbarkreise ähnliche Probleme haben, können diese nicht kurzfristig helfen, denn die haben ihre eigenen Einsätze abzuarbeiten. Demnach dauert es, bis Einsatzkräfte von weiter weg dort eintreffen.

Der Landrat, die Kreisverwaltung, die Verbandsgemeinde etc. hätte die Bewohner zusätzlich vor der möglichen Bedrohung warnen können, z.B. mit Durchsagen der Feuerwehr. Evtl. hätte man besonders gefährdete Bereiche (engstellen in Täler mit Bächen oder kleinen Flüssen, etc.) evakuieren können bzw. müssen. (Die Erfahrung zeigt jedoch auch hier, dass manche Menschen dann aber unter Androhung der Polizeigewalt erst ihre Häuser verlassen!)

Was man hier aber nicht vergessen darf, ist die Eigeninitiative der Bürger. Viele meckern das der Staat, das Land, die Gemeinde helfen müssten. Ja, das stimmt und trotzdem hat jeder von uns die Verantwortung sich selbst und angehörige vor Gefahren zu schützen. Die Wetterlage war bekannt, in welchen Gebieten das Wetter runter kommt ebenfalls. Bei Mengen von bis zu 200l/m² müssen bei einem selbst alle Alarmglocken angehen. Dazu gibt es die Apps Nina und Katwarn. Selbst meine Wetter-App hat gewarnt. Tatsächlich würde ich mit den Apps die Oma meiner Frau nicht erreichen. Mit 85 Jahren will sie mit dem Handy nix zu tun haben. Aber Nachrichten schaut auch sie und auch sie wusste daher was bei ihr in NRW runterkommt.

Versteht mich nicht falsch, jeder einzelne Betroffene im Katastrophengebiet trifft mich direkt ins Herz. Ich habe das ganze Wochenende als Feuerwehrangehöriger Feldbetten für Einsatzkräfte im Bereitstellungsraum aufgebaut und betreut. Mir kommen wirklich die Tränen, wenn ich die Bilder sehe. Es kommen die Erinnerungen an das Elbehochwasser 2002 wieder hoch, bei dem ich 10 Tage im Einsatz war. Jeder Mensch der hier Schaden erlitten hat, ist einer zu viel. Das Leid, die Verzweiflung der Menschen kann ich mir nicht im entferntesten vorstellen. Ich will auch gar nicht alles erzählen, was ich gerade mitbekomme, was hier auf Ebene der Einsatzleitung in meinen Augen alles falsch gelaufen ist.

Ganz zum Schluss, so banal wie es klingt, es ist/war eine Katastrophe. Die ist zu großen Teilen, zum Zeitpunkt des Geschehens, nicht vorhersehbar gewesen. Wäre sie es gewesen, wäre sie so nicht eingetroffen.
Aber, man muss daraus lernen. Man muss auch die unangenehmen Fragen stellen, warum so etwas geschehen ist und wie man es hätte verhindern können. Auch welche Stellen versagt haben und auch warum!
Leider gibt es hier keine leichte Antwort drauf. Denn auch das hier im Text gelobte Cell-Broadcast ist ja nicht ohne Grund deaktiviert worden. Der Datenschutz spielt hier ja eine Rolle – der für manch einen ja vor allem anderen steht. Ein Grund warum es z.B. noch kein zentrale Krankenakte gibt, auf die ein behandelnder Arzt im Fall der Fälle meine etwaigen Vorerkrankungen einsehen kann und entsprechend seine Behandlung anzupassen. Es gab aber keinen Aufschrei in der Bevölkerung, der Datenschutz in Deutschland wäre zu scharf, eher das Gegenteil ist der Fall.


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