Thema:
The Making of Karateka: Journals 1982-1985... Frechheit flat
Autor: BOBELE
Datum:17.06.21 08:54
Antwort auf:Ich lese gerade - DER BUECHER THREAD von !!!

Von Jordan Mechner. Ich bin entgeistert...

Titel und Inhalt dieses Buches stehen in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang. Anstatt aus alten Tagebucheinträgen einen interessant geschriebenen Text zu entwickeln, druckt Mechner diese unverändert einfach in Buchform ab. Die Leser bekommen also zu 90% irrelevante und in keinen Kontext gesetzte Informationen wie z.B. die Listen von Vornamen von Freunden, mit denen Mechner an diesem oder jenem Tag in diesem oder jenem Restaurant oder Kino war. Man erfährt, welche Filme Mechner angesehen hat, welche Musik er gehört hat und hin und wieder, ob er davon "inspririert" wurde ober nicht, ohne dass das inhaltlich dann weiter ausgeführt würde. Einen Bezug zur Entwicklung von Karateka gibt es in diesen zusammenhanglosen Textmengen nicht.

Im kleinen Rest des Buches erfährt der Leser über die Entwicklung von Karateka wenig mehr als die jeweiligen Daten des Tagebuchs, an denen Mechner eine bestimmte Anzahl Stunden an dem Programm gearbeitet hat. Day X: Spent 3 hours working on Karateka. Day Y: Worked 5 hours on Karateka. Interessante Details wie technische Probleme bei der Entwicklung, Anekdoten über die Entwicklung von Story oder Grafik etc. erhält man nicht. Selbst das bestimmt hochinteressante (weil damals bahnbrechend neue) Verfahren zur Entwicklung von Spriteanimationen aus einzelnen Frames eines abgefilmten Karatekämpfers wird auf wenige Sätze reduziert angedeutet (made a film, had to do it again because camera was defective, made sprites from frames, looked good, was very happy)... Diese Prozedur alleine hätte für ein sehr interessantes Kapitel gereicht, hätte sich Mechner die Mühe gemacht, etwas dazu zu schreiben anstatt nur die Stichworte aus dem alten Tagebuch zu veröffentlichen. Aber Mühe ist nicht in dieses Buch geflossen, und das passt zum größten Problem dieses Machwerks:

Wir lesen hier das Tagebuch eines offenbar psychisch gestörten jungen Mannes, dessen manische Depression ungefiltert in dieses Buches geflossen ist. Man erfährt nämlich tatsächlich in der Hauptsache nicht, wieviele Stunden an welchem Tag Mechner an Karateka gearbeitet hat, sondern an wievielen Tagen er das eben nicht getan hat. Das Buch ist eine nicht enden wollende Aneinanderreihung von Selbstgeißelungen, wenn Mechner die Arbeit prokrastiniert hat. Der Leser folgt über viele Seiten den wenig erhellenden Ausführungen von Tagen, an denen der Autor NICHT an Karateka arbeitete, sondern statt dessen im Kino war, lange geschlafen hat, seine Uni-Kurse nicht besucht hat, durch Prüfungen gefallen ist... zwischendrin unterbrochen von den manischen Phasen, in denen er darüber fabuliert, was er jetzt alles in den kommenden Tagen aber ganz sicher erledigen wird und dann schickt er das Spiel zu Broderbund und dann veröffentlichen die das und er wird Millionär und muss nie wieder arbeiten, aber nein, dann wieder seitenlang Genöle über das eigene Scheitern.

Unter diesem Eindruck ist es nicht verwunderlich, dass Mechner auch jetzt glaubt, im Fahrwasser der anhaltenden Retro-Begeisterung mit minimalem Aufwand Geld generieren zu können und ohne jegliche Arbeit mit der Veröffentlichung unbearbeiteter Tagebücher von 1983 Geld machen zu können. Leider werden hier die Käufer zum Opfer Mechners wirrer Vorstellungen.  

Wer sich für die Entwicklung von Spielen in den frühen 80ern interessiert oder eine Darstellung des Umfelds der damaligen Zeit erwartet, der findet hier überhaupt nichts verwertbares. Maximal an pathologischer Psyche interessierte Fachleute könnten aus den ungefilterten Ausbrüchen des zumindest damals sehr offensichtlich behandlungbedürftigen Autors Erkenntnisse ziehen, aber die werden aufgrund des Titels wohl nicht zu diesem Buch greifen.


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