Thema:
Das sehe ich etwas anders. flat
Autor: The Snake
Datum:09.05.21 12:08
Antwort auf:JETZT: Roast von DFB-Vizepräsident Koch im Sportstudio von Kilian

>Ob sich DFB-Vizepräsident Koch einen Gefallen getan hat, heute Abend im Aktuellen Sportstudio aufzutreten!?
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>Das ZDF hat offensichtlich ordentlich recherchiert, diverse Einspieler vorbereitet und Katrin Müller-Hohenstein heizt dem Typen gerade ganz schön ein.  So geschwommen hat live im Fernsehen schon lange keiner mehr…
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>Mein Eindruck: Der DFB hat ein massives Führungsproblem; keiner an der Spitze sollte im Verband verbleiben, sondern schnell zurücktreten, damit eine Neubesetzung aller wichtigen Posten erfolgen kann.
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>Echt verrückt, wie der weltgrößte Sportverband über Monate und Jahre so im Chaos versinken kann. o_O


Ich habe das Interview Gestern Abend auch gesehen.

Zunächst einmal stelle ich fest, dass sich Rainer Koch als Einziger der drei in der Kritik stehenden einem Interview gestellt hat, wohl wissend, was ihn dort erwarten würde. Er hätte sich auch nicht stellen müssen und wie die anderen Beiden ausschließlich Post verschicken können.

Der von DFB-Präsident Fritz Keller vorgenommene Nazi-Vergleich gegenüber Rainer Koch, welcher die Hauptursache für die Unruhen der letzten (etwa) zwei Wochen war, wurde in diesem Interview nur am Rande thematisiert.

Zudem wurde auch noch versucht, diesen für mich nicht zu tolerierenden Vergleich kleinzureden, indem das ZDF sagt, Fritz Keller hätte sich ja mehrfach entschuldigt und der (meiner Erinnerung nach) Zentralrat der Juden in Deutschland hätte das auch schon akzeptiert.

Es geht aus meiner Sicht nicht darum, ob das jemand anderes als Rainer Koch akzeptiert, sondern darum (und das hat Rainer Koch gut erklären können), dass er über 30 (?) Jahre lang Richter ist und der Vergleich mit einem NS-Blutrichter ihn sehr getroffen hat. Und das kann ich sehr gut nachvollziehen.

Die (unmittelbare) Reaktion von Fritz Keller nach seinem Vergleich zeigt zusätzlich noch, was man von ihm zu halten hat, und dies sieht man ja auch in anderen Beispielen wie bei Jens Lehmann oder auch bei anderen Menschen, die sich verbale Entgleisungen erlauben: Es wird direkt im Anschluss an die Entgleisung (mehr oder weniger geschickt) relativiert, denn "So war es ja gar nicht gemeint."

Fritz Keller sagte direkt im Anschluss nach seinem unsäglichen Vergleich, "so hieße jemand in seinem Bekanntenkreis". Noch dazu ließ er ein Schreiben veröffentlichen, in welchem er schon mitteilte, dass Rainer Koch seine Entschuldigung angenommen habe, was laut Koch nicht der Fall war und was er die ganze Zeit über und auch Gestern nochmal 1:1 so aussagte. Zudem sieht es Keller bis Heute nicht ein, für den vorgenommenen Vergleich zurückzutreten. Als DFB-Präsident sollte ihm aus meiner Sicht klar sein, dass man in einer solchen Position einen solchen Vergleich nie und nimmer vornehmen darf (und dies auch für jeden von uns gilt), ganz gleich, ob mein Gegenüber mir nun mehr oder weniger sympathisch ist.

Und das sehen ja auch die vielen Landesverbände (? Entschuldigt, wenn ich diesbezüglich das Gestern Gesehene nicht zu 100 % exakt wiedergeben sollte) laut Koch einstimmig und somit ganz genauso.

Und nun zurück zu der Person Rainer Koch:

Er macht auf mich, wenn ich ihn mal in der Öffentlichkeit wahrgenommen habe, des öfteren schon einen nicht perfekt für die Öffentlichkeit geeigneten Eindruck. Er zittert etwas, musste Gestern zum Beispiel mehrfach schlucken, sucht nach einem geeigneteren Wort und wirkt damit eher unsicher. Ich denke, man sollte deswegen aber nicht gleichzeitig der Meinung sein, dass er aufgrund dieser Eigenschaften etwas zu verbergen hat, sondern immer dem Inhaltlichen die volle Aufmerksamkeit schenken. Er sagte ja selber, dass der DFB 2019 genau deswegen auf der Suche nach einem besseren Repräsentanten war, welchen man mit Fritz Keller dachte, gefunden zu haben.

Mich konnte Rainer Koch jedenfalls in der Mehrheit der gestrigen Sachfragen überzeugen, zum Beispiel:

ZDF: "3 von 4 Personen stehen dem Rücktritt nahe, Herr Koch. 3 von 4! Was ist nun mit Ihnen?"

Koch mehrfach: "Zunächst einmal: Es sind 3 von 6."

Und damit hat er ja offensichtlich Recht, wie das ZDF später auch (halbwegs) eingestand. Das wäre eigentlich die Aufgabe der Journalisten gewesen, hier die Sachlage dem Zuschauer von Beginn an korrekt darzulegen, um nicht den Eindruck zu erwecken, man verfolge mit einer unsachgemäßen Darstellung ein eigenes, bestimmtes Ziel (bzw. mehrere bestimmte Ziele gleichzeitig).

@Killian: Darf ich dich um eine Begründung bitten, weshalb für dich keiner an der Spitze des Verbandes bleiben sollte? Ich selber kann das gar nicht ausreichend beurteilen und bin deswegen an deiner Begründung interessiert.

Anderes Beispiel:

ZDF: "Herr Koch, bei der Abstimmung über Sie haben 21 für Sie, 13 gegen Sie und 4 xyz gestimmt". "Nimmt man jetzt noch drei oder vier von diesen 21 weg, da es mehr oder weniger Ihre Kumpels sind, dann landet man nur noch bei 17 zu 13. 17 zu 13, Herr Koch!"

Koch sinngemäß: "Ja, richtig. Und das ist dann immer noch eine demokratische Mehrheit einer von mir selbst eingeforderten, anonymen Abstimmung."

=> Für mich punktet er da ganz eindeutig. Wo kommen wir denn hin, wenn wir (mehr oder weniger knappe) demokratische Abstimmungen in Frage bzw. wie es in diesem Fall geschieht, fast in Umkehr stellen wollen? Soll er jetzt zurücktreten, weil er diese Abstimmung für sich entscheiden konnte?

Und so empfinde ich den größeren Teil dieses Interviews. Er stellt sich den Fragen sehr wohl in sachlicher Art und Weise und seine Argumente konnten mich auch zu einem größeren Teil überzeugen.

Jedoch hatte ich bei der Frage nach dieser E-Mail schon den Eindruck, dass er da vielleicht doch mehr wüsste.

Ich kann und möchte mir über die sonstigen Geschehnisse beim DFB wirklich kein auch nur annähernd ausreichendes Urteil bilden. Dafür leben wir in einem demokratischen Rechtsstaat, welchem ich da mehr Urteilsvermögen als mir selber aus der Entfernung zutraue.


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