Thema:
Re:Update des SPD-Wahlprogramms flat
Autor: Lord Chaos
Datum:28.03.21 10:20
Antwort auf:Re:Update des SPD-Wahlprogramms von DasReptil

>Es sind extrem unattraktive Berufe und dafür ist das Geld eben nicht so gut wie viele Betriebe sich das vorstellen. Das gilt für den Einzelhandel genauso wie fürs Handwerk oder die Gastronomie. Wenn ich im Büro mit halb soviel Arbeit das selbe Geld machen kann wie auf dem Bau und zusätzlich noch einen besseren gesellschaftlichen Status haben warum sollte ich dann auf den Bau gehen?

Das kannst du nicht pauschalisieren - mit einer normalen Büroausbildung kommst du teils schlechter weg als ein Fachhandwerker. Mein kleiner Bruder ist beispielsweise Stukkateur und verdient ähnlich wie ich als Führungskraft - obwohl er keine Personalverantwortung oder einen Meisterbrief in der Tasche hat.
Und - man muss auch realistisch bleiben. Was soll denn ein kleiner Bäcker oder Metzger an Ausbildungsvergütung bezahlen?
Und sicher gibt es Berufe, die längst besser bezahlt gehören, aber da darf sich die Gesellschaft auch gern an der eigenen Nase packen, die beispielsweise für einen Haarschnitt gerade mal einen 10er hinlegen will.

Und in meiner Welt hat mein Kumpel, der Schreiner ist, jetzt ganz sicher keinen geringeren Stellenwert als ein Banker.

>>Auszubildende aus dem EU Ausland zu rekrutieren machen auch viele größere Firmen, aber gerade für kleine und mittlere Betriebe ist das ein Zusatzaufwand, den diese kaum stemmen können - dazu noch Dinge während der Ausbildung wie zusätzlicher Sprachunterricht, Unterbringung oder einfach auch die soziale Komponente - in einem Land zig Kilometer weit weg von der eigenen Heimat zu wohnen, bei dem man zusätzlich die Sprache nicht spricht, macht das sicher nicht einfacher.
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>Es soll ja auch nicht über die einzelnen Betriebe laufen sondern über die jeweiligen Dachverbände. Aber sicher ist da auch politisches Eingreifen gefordert, Kosten für Sprachkurse etc. könnte z.B. der Staat übernehmen.


Letzten Endes bleibt es aber am Betrieb hängen - er muss sicherstellen, dass der Sprachunterricht besucht wird, er muss sicherstellen, dass der Azubi irgendwo untergebracht wird (wie das in Ballungszentren wie München, Köln, Berlin usw funktionieren soll, wäre auch noch spannend), er muss sicherstellen, dass der Azubi auch einen Ansprechpartner im Betrieb hat, wenn es um soziale Belange geht.
Ich weiß ja nicht, ob du schon einmal ausgebildet hast, aber steckt ein enormer Mehraufwand dahinter, den vor allem kleine und mittlere Betriebe kaum stemmen können.
Ich hab mal kurzfristig bei einem Pilotprojekt gearbeitet, bei dem Azubis aus den neuen Bundesländern in den alten Bundesländern gearbeitet haben, da habe ich es live mitbekommen, was für ein Mehraufwand das war, dass diese „hier“ klargekommen sind, da gab es nicht wenige, die auch aus Heimweh abgebrochen haben - und da gab es jetzt keine zusätzliche kulturelle oder sprachliche Hürde.

EDIT: soll übrigens nicht heißen, dass man solche Projekte nicht probiert, im Gegenteil - aber speziell bei deutschen Jugendlichen geht der Trend halt klar Richtung „ich will nicht groß körperlich arbeiten/einen 8h Job“.
Und manchmal muss man auch realistisch bleiben - mit einem Kackzeugnis in bestimmten Kernnoten kannst du halt nicht jeden Ausbildungsberuf ergreifen, selbst wenn es theoretisch machbar wäre. Aber dafür ist dann die Konkurrenz viel zu groß. Oder aber, es gibt Umstände, die einfach nicht passend sind für den Beruf.

Ich hatte vor Jahren beispielsweise einen Praktikanten, der gern in Richtung Einzelhandel gegangen wäre, aber der junge Mann hatte diverse Eigentumsdelikte auf dem Kerbholz - glaubst du echt, dass der auch nur Ansatzweise eine Chance in einem Beruf wie Einzelhandelskaufmann hat?


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