Thema:
Re:Update des SPD-Wahlprogramms flat
Autor: Telemesse
Datum:28.03.21 10:07
Antwort auf:Re:Update des SPD-Wahlprogramms von DasReptil

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>>Wie kommst du zu solchen Mutmaßungen?. Ich kenne hier etliche Betriebe die händeringend Auszubildende suchen und keine finden. Allen voran Handwerksbetriebe. Dachdecker, Installateure, Fliesenleger u.s.w. Junge Leute die das wollen, können sich derzeit den Betrieb aussuchen und auch die Ausbildungslöhne sind völlig OK. Bei den lokalen, großen Dachdeckerbetrieben bekommt du im ersten Lehrjahr ca. 1.000 Euro Ausbildungsvergütung.
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>Das ist für die Knochenarbeit (gerade als Dachdecker) eben nicht annähernd genug. Ist ja nicht so als ob die Gesellenlöhne da jetzt sonderlich oppulent ausfallen würden. Dazu kommt das schlechte Image dieser Berufe (auch hausgemacht denn Dinge wie "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" waren ja seit jeder die Leitsprüche des Handwerks)und die Unfähigkeit da zu Rekrutieren wo die Arbeitskräfte sind. Man muss bei derart unattraktiven Berufen eben ein bisschen mehr machen und bieten als 08/15.
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Also nach meiner Erfahrung ist ein Auszubildener im ersten Lehrjahr meist jemand der nicht all zu viel zur Produktivität beiträgt sondern gerade in der Anfangszeit Arbeitskraft bindet, die ihn anlernt und beaufsichtigt. Die Ausbildungsvergütung hat da also nicht wirklich was mit der tatsächlichen Produktivität des Auszubildenden zu tun 1.000 Euro im ersten Lehrjahr ist dabei alles andere als schlecht wenn man dafür als Gegenleistung eine fundierte Ausbildung erhält. Und als gut ausgebildeter Geselle mit einigen Jahren Berufserfahrung kannst du z.b. als Zimmermann oder Spengler durchaus recht brauchbar verdienen.

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>>Wer soll denn immer diese „Die deutsche Wirtschaft“ sein. Das Gro der Arbeitsplätze stellen kleine und mittelständische Unternehmen. Erwartest du jetzt das lokale Handwerksbetriebe in Barcelona, Lissabon oder Neapel Stellenanzeigen schalten?
>>Ich stelle eher fest das viele junge Leute einfach keinen Bock auf körperliche Arbeit haben und meinen Handwerk sei nur was für Doofe und sie seien doch für höhere Aufgaben bestimmt.
>>Btw. haben wir hier in den letzten Jahren eine ganze Menge junger Leute aus südlichen und südöstlichen Ländern ins Handwerk vermittelt. 3 mal darfst du raten wieviele von denen dort noch arbeiten bzw. wie lange die Durchschnittliche Verweildauer war bevor die keinen Bock mehr hatten.
>>In der Baubranche kannst du mittlerweile fast nur noch Leute mit Osteuropäischem Hintergrund rekrutieren weil die, offenbar im Gegensatz zu Almans und Südländern, eine ganz andere Wertschätzung gegenüber dem Handwerk haben und auch körperliche Arbeit nicht scheuen.
>>Kannst ja mal eine Stellenanzeige für einen Auszubildenden als Maurer schalten und schauen wieviel Almans und Südeuropäer sich darauf bewerben.
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>So ziemlich jedes mittelständische Unternehmen ist in irgendeinem Dachverband organisiert. Und statt zum hundertsten Male zu heulen dass Fachkräftemangel herrscht könnten eben diese Dachverbände sich um die Rekrutierung z.B. im europäischen Ausland kümmern. Ist ja auch nicht so, dass diese Lobbys nicht auch hervorragende Kontakte in die Politik hätten. Da würde es sicher nicht schwerfallen dem ein oder anderen Politiker mal eine europäische Ausbildungsoffensive abzuschwatzen.
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>Und nochmal als Info:
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>Ich habe selbst eine Handwerksausbildung hinter mir (Maler und Lackierer)und habe vorher u.a. auch in der Gastronomie gearbeitet (Koch Ausbildung). Ich kenne also die Zustände in den Bereichen die jetzt "händeringend" Auszubildene suchen zumindest ein bisschen.
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Gastro ist ja auch tatsächlich ne Kackbranche. Die sind momentan allerdings eh komplett gefickt. Da dürften fehlende Azubis und Vergütungsfragen aktuell nicht gerade oben auf der Agenda stehen.

>Und da kann ich immer wieder nur sagen, die Probleme sind hausgemacht. Die Bezahlung ist mies, die Arbeit ist hart, das Image ist schlecht, die Arbeitszeiten sind lang, die Unternehmen sind unflexibel und die Einstellung gegenüber dem Lehrling ist oft großkotzig und von oben herab.

Das Image fürs Handwerk ist aber auch gesellschaftlich begründet. Das geläufige Narrativ ist doch: Wer nur Hauptschule hat ist blöd und wer nen Handwerksberuf ergreift ist blöd im Quadrat. D.h. die gesellschaftliche Wertschätzung für Handwerksarbeit hat im Gegensatz zu früher massiv nachgelassen.
Wer 50 Euro Stundensatz für einen Handwerker bezahlt ist Blöd hoch drei. Bei myhammer gehts immer billiger und ausserdem kann man das alles selber machen wenn man sich drei Youtubetutorials angeschaut hat.Und das ein Massivholzmöbel vom Schreiner eben ganz was anderes ist als ein Presspankonstrukt von Ikea scheint vielen ja auch nicht begreiflich zu sein. Da würde mich echt mal interessieren wie du Kunden finden möchtest die bereit sind für Luxusazubis z.b. 2.000 Euro Monatsvergütung zu finanzieren. Denn die sind es ja am Ende die das ganze bezahlen müssen.


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