Thema:
Re:Wg Hauptmann und den 7.000 € fürn Kreisverband flat
Autor: Telemesse
Datum:26.03.21 23:35
Antwort auf:Re:Wg Hauptmann und den 7.000 € fürn Kreisverband von Atlan

>Die Konservativen sind in allen westlichen Ländern seit jeher letztlich einfach die politische Vertretung des Großkapitals und der Industrie zur Ausbeutung der Mehrheit, deren politischer Inhalt im Grunde nur daraus besteht, der wahlentscheidenden Mittelschicht einzureden (leider meist erfolgreich), alles linke wolle ihr ans Reihenhäuschen und Gesparte. Damit das Geld weiterhin nach oben fließt. Zur Not mit ein bisschen Ängsteschüren vor Kriminellen, Ausländern und Sozialschmarotzern. Divide et impera.
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>Konservative als Lobby der Oberschicht nutzen psychologisch aus, dass das Kleinbürgertum (obwohl faktisch viel näher an der Unterschicht als an Oberschicht und Kapital) dem Fehlschluss erliegt, nahe an der Oberschicht zu sein und mit ein wenig mehr Arbeit auch dazugehören zu können, und sich zu diesem Zweck sowohl demonstrativ nach außen als auch zur ständigen Selbstvergewisserung der eigenen Distinktion möglichst weit von der "schmutzigen" Unterschicht distanzieren will. Nach oben buckeln und nach unten treten.
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>Telemesse als oberer Mittelschichtler mit Verbindungen zu irgendwelchen regionalen Milliardären ist da das perfekte Beispiel. Die würden ihn in Wahrheit nicht mal auspissen, wenn er brennt, dennoch fühlt er sich ihnen garantiert näher als jedem vulgären Unterschichtler und vermeintlich linkem Sozialneider. ;) Nach außen hin scheint man sich ja schließlich auch ähnlich (Sprache, Kleidung). Doch das ist es nicht, worauf es letztlich ankommt bei der Schichtzugehörigkeit und den Klassenverhältnissen. Siehe Bourdieu.
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Da täuscht du dich aber gewaltig. Ich kenne viele Leute und habe einen großen Bekanntenkreis, kann da aber schon genau differenzieren was Bekannte oder Geschäfstfreunde sind und wen ich zu privaten Freunden zähle. Mein privater Freundeskreis ist sehr überschaubar und rekrutiert sich überwiegend aus ehemaligen Schul- und Fußballkollegen. Dabei spielt weder sozialer Status, noch Klamotten oder Autos irgendeine nennenswerte Rolle. Die Stoscheks kenne ich weil der Max Stoschek mit mir in der Schule war und ich schon als Kind immer mal mit Freunden bei denen war. Das sind aber heutzutage keine Freunde von mir. Ich kenn die, habe hin und wieder mal geschäftlich mit denen zu tun und wenn ich denen begegne gibts vielleicht 2-3 Sätze belanglosen smalltalk. Das sind aber weder Freunde von mir noch brauche ich die zum Überleben. Der HUK Vorstand dagegen ist mittlerweile ein guter Freund von mir. Den hab ich vor Jahren zufällig kennengelernt weil unsere Kinder im selben Kindergarten waren und wir auf dem Elternfest zusammen einen gesoffen haben. Da wusste ich noch gar nicht wer das ist oder was der beruflich macht. Das war btw. auch kein VIP Kindergarten sondern ein ganz gewöhnlicher Kindergarten der evangelischen Kirche mit Kindern aller sozialer Schichten.
Vielleicht liegt es bei mir aber auch daran das ich keinerlei Berührungsängste habe egal wer da vor mir steht. Ich buckel nicht nach oben und ich trete nicht nach unten, ich verhalte mich jedem gegenüber höflich und respektvoll. Ich habe auch genauso viel Spaß daran mit nem Bekannten eine Runde in einem neuen Sportwagen zu drehen wie mit meinem französischen Nachbarn mit seiner 40 Jahre alten Ente über die Landstraßen zu schaukeln und dabei Motörhead ausm Kofferradio auf der Rückbank zu hören. Das monetäre ist für mich im zwischenmenschlichen völlig belanglos.
Geld macht auch niemanden zu einem besseren Menschen. Manche mutieren zu Arschlöchern wenn sie zu Geld kommen, andere waren und bleiben nette sympathische Leute. Dabei macht es auch sicherlich manchmal einen Unterschied ob sich jemand seinen Wohlstand selbst erarbeitet hat oder nicht. Ein gewisses finanzielles Polster macht einen aber im Lebensalltag einfach entspannter und im Auftreten wahrscheinlich auch souveräner. Zumindest wenn man keine existenziellen Sorgen aus finanziellen Gründen fürchten muss und daher Entscheidungen nicht zwingend danach ausrichten muss. Was mir allerdings völlig fremd und auch zuwieder ist, ist jede Form von Neid oder Mißgunst. Wenn sich einer ein großes Haus und dickes Auto leisten kann gönne ich dem das und wenn ich im Sommer mal bei dem mit in den Pool hüpfen kann mache ich das und freue mich darüber. Ob es dem mal besser oder schlechter geht, ob der ein großes oder kleines oder gar kein Haus hat macht mein Leben weder besser noch schlechter.

>Unter- und Mittelschicht gehören eigentlich zusammen und müssten gemeinsam für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse dieser 90% eintreten, wofür auch genug Geld da wäre. Die konservative Oberschicht und das erzkonservative Kapital, die nicht gewillt sind, auch nur irgendwas abzugeben, was darüber hinaus geht, dass Unter- und Mittelschicht keine blutige Revolution anzetteln, schaffen es aber seit jeher, mittels der ihr gehörenden Markt- und Medienmacht beide gegeneinander auszuspielen und jeweils nur nach unten treten zu lassen. Damit die Verhältnisse bleiben, wie sie sind, weil niemand die Systemfrage stellt, so lange die Mittelschicht hauptsächlich in der Unterschicht den Übeltäter sieht und die Unterschicht wiederum nur in Ausländern etc.

Wieso sollte die Mittelschicht in der Unterschicht irgendwelche Übeltäter sehen? Ich bin mittlerweile in der Firma überwiegend in der Gebäudeverwaltung tätig und habe daher die meiste Zeit mit Handwerkern, Hausmeistern und deren Handlangern zu tun. Und gerade da sind es in den Eigentumswohnungsverwaktungen die, die die beschissensten Jobs haben die die am wenigsten Kohle bekommen. Und da fällt mir immer wieder auf das gerade die, die immer für höhere Mindestlöhne und soziale Gerechtigkeit schreien bald Tränen in den Augen haben wenn ich auf Eigentümerversammlungen mal ein paar Prozente mehr Entlohnung für die Hausmeister und Putzfrauen durchdrücken will. Ich weiß nicht ob das repräsentativ ist aber besonders Lehrer fallen mir da seltsamerweise immer wieder recht empathilos bzw. geradezu empört auf. Und da reden wir von Beträgen von vielleicht 2-3 Euro pro Wohnung und Monat an Mehrkosten.
Wie auch immer. Mir persönlich ist es völlig egal was für einen sozialen Background jemand hat solange er nett und hilsbereit ist. So halte ich das auch auf der Arbeit. Ich stelle kaum nach Zeugnis (klar muss eine gewisse Qualifikation vorhanden sein) sondern eher nach dem Typ Mensch ein. Wenn ich sehe das jemand engagiert und willens ist ist der mir mit Hauptschulabschluss lieber als ein lustloser und letargischer Abiturient.

Was mich aber stört ist die beliebige Zuordnung zu Unter/Mittel/Oberschicht, zu reich oder arm je nachdem wie es gerade in den Kram passt. Besteuern will man immer „Die Reichen“. Die Steuer- und Sozialabgaben bleiben am Ende dann aber doch immer an der Mittelschicht oder an selbstständigen, Klein- und Mittelgroßen Unternehmern hängen, die keine 20 internationalen Standorte haben und als Personengesellschaften fiskalisch dennoch häufig zu „den Reichen“ zählen obwohl da von Reichtum in der Realität oftmals nicht soviel zu sehen ist und das Gro des Unternehmensgewinn in der Firma reinvestiert wird.. Irgendwie sehe ich keine Partei die willens oder in der Lage wäre mal Amazons, Googles oder Apple mit ähnlich hohen Steuern zu behelligen wie jeden anderen popeligen 3 Mann Betrieb in Deutschland. Aktuell gibt es für viele Branchen noch nicht mal eine nach Corona Perspektive da postuliert Scholz schon wie er die, die noch einigermaßen durch die Krise gekommen sind demnächst noch stärker zur Kasse bitten möchte.

Nur mal so als Frage. Welche Partei würdest du den wählen z.b. als Inhaber eines Handwerkerbetriebes mit 15 Angestellten, als selbstständiger Handelsvertreter der jedes Jahr 50.000km auf der Autobahn abspult, als Inhaber eines Blumenladens oder einer Boutique? Welche Partei repräsentiert solche Leute im Parlament? Wen würdest du wählen als VW oder BMW Mitarbeiter, als zukünftiger Tesla Mitarbeiter, als Kohlebuddler aus der Lausitz oder als Glaskugelblösef aus Lauscha.. Sollte da nicht die SPD die Partei der Wahl sein? Macht die noch Politik für solche Leute. Ich hab immer mehr das Gefühl das viele Parteien sich nur noch mit sich selbst beschäftigen aber die Lebensrealitäten der Menschen die sie eigentlich vertreten sollen völlig aus dem Auge verloren haben.


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