Thema:
Re:Der Newstest flat
Autor: Atlan
Datum:23.03.21 16:11
Antwort auf:Der Newstest von Leviathan

Der eigentliche Test der Medienkompetenz ist, vorher ins Impressum der Seite zu schauen und sich über den dahinter stehenden Verein zu informieren, wer seine Förderer sind und woher sein Geld kommt. ;)

Das meine ich übrigens wertfrei und nur mal so grundsätzlich.

Beim Test selbst habe ich 25/30 Punkten erreicht, weil ich ganz bewusst einige Fragen nicht so beantwortet habe, wie er es gerne hätte.

Das Video von Rezo habe ich beispielsweise absichtlich als "Information" gewertet und nicht als "Meinung", wie es der Test aber gerne hätte.

Dahingegen weigere ich mich, ein Spiegel-Interview mit einem Politiker pauschal (!) als "Journalismus" einzustufen und nicht als "Öffentlichkeitsarbeit". Ersteres mag noch zutreffen, wenn der Journalist wirklich rücksichtslos nachhakt und den entsprechenden Politiker auch mal bloßstellt, ohne Angst, in Zukunft keine AAA-Interviews mehr in Berlin Mitte zu erhalten. Aber sowas ist doch immer seltener heute (also Positivbeispiel nenne ich mal Armin Wolf vom ORF). Meist sind es hingegen doch harmonische Kaffeeklatschs, bei denen zwei größtenteils identische Weltanschauungen aufeinandertreffen und sich ein Politiker nach Belieben selbstdarstellen kann und größtenteils unwidersprochen nur die bekannten Phrasen gedroschen werden. Und zumindest der Politiker selbst hat so einen Termin garantiert unter "Öffentlichkeitsarbeit" in seinem Kalender stehen.

Auch weigere ich mich, Springer-Presse oder ntv (RTL) grundsätzlich als glaubwürdiger und "neutraler" (lol) einzuschätzen als beispielsweise irgendwelche alternativen Seiten oder (sogar!) RT. Bei ersteren fällt uns die Propaganda und Ideologie halt nur weniger auf, weil wir sie eben schon mit der Muttermilch bekommen und es die uns vertraute Welt ist und nicht das Fremde.

Und diese eine Fake News im Test habe ich natürlich nicht aufgrund des Facebook-Faktencheck-Hinweises als Fake News eingestuft, sondern aufgrund seines Stils und seiner Quelle. Und im realen Leben hätte ich ihn mir sogar komplett durchgelesen, um eine inhaltliche Bewertung durchzuführen, bevor ich urteile. Ad hominems gehen nämlich niemals nie, auch nicht für die gute Sache.

Last but not least habe ich dann auch noch im Social-Media-Bereich versagt, weil ich meine Lebenszeit meist nicht mit dem Teilen und Melden von Fake News oder gar dem Kommentieren in Kommentarspalten verbringe, auch wenn die Macher des Tests es wohl als meine Bürgerpflicht ansehen.

Und so weiter und so fort.

Das Ganze zeigt letztlich auch schon das ganze Dilemma bei sowas und dem Komplex der in Wahrheit überaus eingeschränkten Möglichkeit, Dinge wie Wahrheit, Fake, Information, Meinung usw. klar auseinanderzuhalten, vor allem im Politischen, wo es selten um eindeutiges Handeln auf Basis vermeintlich objektiver Fakten geht sondern um die Vermittlung zwischen teils komplett widerstreitende Interessen, die naturgemäß auch bei absolut klarer "Fakten"lage zu komplett konträren Interpretationen und Forderungen kommen können. Als gäbe es sowas Objektivität oder gar ideologiefreie Informationen. Nichtmal eine Reuters-Meldung kann neutral oder ideologiefrei sein, denn es sitzen immer durch Ideologie geprägte Menschen dahinter und entscheiden, was und in welchem Umfang weiterverbreitet wird. Da sind wir doch seit Jahrzehnten in Medienwissenschaft und Ideologiekritik auch schon bedeutend weiter. Medien sind bekanntlich Unwahrscheinlichkeitsverstärker, und Medienrealitäten nicht eine objektive Wahrheit, sondern bloße Konstruke, sie bilden die Welt nicht ab, sondern erzeugen sie, wie schon Marshall McLuhan wusste. Auch wenn die Ideologie von der Ideologiefreiheit wieder Konjunktur hat.

Aber wie dem auch sei. Vielleicht denke ich da auch etwas zu meta. Für den Durchschnittsdeutschen, der sein Weltbild nur oberflächlich und schwarz-weiß über Tagesschau, SPON, BILD und den Social-Media-Feed errichtet und nicht weiß, wie er Tante Ernas Whatsapp-Weiterleitungen über die Reptiloiden hinter Corona einschätzen soll, ist der Test zumindest ein halbwegs guter Grundkurs in Nicht-total-ahnungslos-Sein.


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