Thema:
Sterne sind kein Kaffee flat
Autor: the_korben
Datum:11.03.21 00:33
Antwort auf:Kaffeesatzleserei von DasReptil

Ich habe in stellarer Astrophysik promoviert und kann dir sagen, dass die Berechnungen zur Sonne auf sehr, sehr festen Beinen steht (auch, wenn deine Zahl nicht stimmt, die Sonne wir noch mehr als 5 milliarden Jahre lang ganz normaler Hauptreihenstern bleiben - allerdings wird ihre Leuchtkraft langsam zunehmen und damit wird es hier dann schon recht "bald" unwirtlich). Die Sternevolutionsrechnungen sind mittlerweile so gut, dass wir wohl an die 99.9% der Lebensphase von Sternen ziemlich bombenfest versteht. Die Gleichungen, die hier aufgestellt wurden, stammen aus der Quanten- und Teilchenphysik, sowie aus der statistischen Mechanik und Thermodynamik. Diese Bereiche sind so gut verstanden und experimentell gesichert, dass ihre Gesetze bis auf sehr, sehr, sehr hochenergetische Zustände wie es sie was weiß ich wie viele Millisekunden nach dem Urknall gab, als zutreffend erachtet werden können.

Kann natürlich sein, dass wir in den fundamentalen Gleichungen der Physik irgendwas ganz Wichtiges übersehen haben, das im Temperatur- und Massenbereich von Sternen wichtig ist, aber dazu gibt es bis jetzt wenig Grund zur Annahme. Und der Datensatz über die relevanten Bereiche, über den wir mittlerweile verfügen, ist schon gigantisch.

Die Sternevolution wird also mit diesen Gleichungen numerisch berechnet. Wie kann man das verifizieren? Ganz einfach: in dem man sich Sternhaufen oder Doppelsternsysteme ansieht und die Sterne dort astronomisch untersucht. Wie Fritz schon gesagt hat, geht das besonders mit Spektroskopie (+ zusätzliche Beobachtungen wie z. B. Sternpulsationsfrequenzen, Helligkeits und Farbmessungen). Dort bekommst du quasi einen von der Sternmasse abhängigen Entwicklungsweg gezeichnet (massereichere Sterne entwickeln sich schneller als masseärmere, also kannst du dort schon die fortgeschrittenen Stadien der Sternevolution sehen, während die "leichten" Sterne noch brav Wasserstoff brennen) und kannst dann einfach mit deinem numerischen Code entweder ein Paar (Doppelstern) oder eine Population (Sternhaufen) an simulierten Sternen berechnen, die dann die beobachteten Größen reproduzieren müssen. Und dann gibt's noch Doppelsterne in Sternhaufen, von denen weiß man dann natürlich die relevanten Größen dann ganz genau. :)

Dadurch dass es viele Sternhaufen mit unterschiedlichem Alter gibt, musst du natürlich dann auch schaffen, all diese Sternhaufen gleich gut zu reproduzieren. Und dafür gibt es eben eine Reihe an sehr guten numerischen Codes, die von Generationen der besten Leuten in der stellaren Astrophysik in jahrzehntelanger Arbeit geschaffen und verbessert wurden, immer aktualisiert durch neueste Atomlinienmessungen usw. usf.

Es ist also wie in so vielen Bereichen der (Natur-)Wissenschaft: Man kennt sich hier viel besser aus, und zwar aus historisch gewachsenen Untersuchungen in Theorie und Beobachtung und der Arbeit von Tausenden von WissenschaftlerInnen über fast 100 Jahre mittlerweile, als man das als Laie überhaupt nachvollziehen könnte.

Die Bereiche, wo noch einige Fragen offen sind, gehören mitterlweile zu sehr spezifischen Subkategorien von Sternen, die z. B. auf eine gewisse Art pulsieren oder sehr große globale Magnetfelder haben, oder sehr, sehr schnell rotieren, oder, oder, oder. Und wie jetzt die hochdynamischen, sehr späten Entwicklungsstufen auf das Jahrtausend genau verhalten, ist auch nicht so einfach zu erforschen. Aber selbst dort weiß man im Groben und quantifizierbar, wie das abläuft.

Die Sonne jedoch ist ein stinknormaler Hauptreihenstern. Keine großen Magnetfelder, normale Rotation, normale elementare Zusammensetzung, brennt gerade Wasserstoff auf der Hauptreihe. Ihr Alter kennen wir, sehr konservativ geschätzt, aus einer Vielzahl von Untersuchungen aus teils ganz verschiedenen Subdisziplinen auf ca. 100 Millionen Jahre genau (also wenige Prozent Fehler - genau zu dem Bereich habe ich unter Anderem auch publiziert). Da gibt's nicht viel zu rütteln.


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