Thema:
Pfui:Seine Prinzipien über Bord werfen + das Kind damit flat
Autor: euph
Datum:09.03.21 08:59
Antwort auf:Hui oder Pfui #92 von Leviathan

traurig zu machen.

Aus meiner eigenen Erfahrung als Kind heraus habe ich schon immer gesagt, dass ich keine Haustiere möchte. Nicht weil ich sie nicht mag, aber ich kenne mein eigenen Erfahrungen, die aus dem Umfeld und eigentlich immer endete es damit, dass die Kinder sich nicht mehr für das Tier interessieren und alles an den Eltern hängenbleibt.

Trotzdem hat meine Tochter seit Jahren den Wunsch eines eigenen Haustiers. Von Schildkröten über Hamster usw. wurde alles versucht uns schmackhaft zu machen. Sie mag Tiere wirklich gerne, geht reiten und schwärmt immer wieder von den Katzen ihrer Freundin. Und im Laufe des letzten Jahres ist es ihr dann gelungen, meine Frau und mich dann doch umzustimmen. Wir haben uns informiert, mit Leuten gesprochen und vermeintlich alles abgeklopft, damit wir uns sicher sind, das wir das richtige machen. Vor einigen Wochen waren meine Frau und meine Tochter dann im Tierheim, wollten sich mal informieren und schauen, wie das alles dort so laufen würde. Nachdem das vor Ort alles einen guten Eindruck machte kam auch schon kurz darauf der Anruf, dass neue Katzen aus Rumänien gekommen sind. Und vor Ort haben sich Frau und Tochter direkt in eine der Katzen verliebt. Und da sie auch bereits beim zweiten Besuch zutraulich und neugierig auf meine Tochter zugegangen ist, haben wir uns nach weiterer Bedenkzeit und nochmaliger Rücksprache unter uns und bei Katzenfreunden entschieden, die kleine Josy zu uns zu holen. Da wir in einem Reihenhaus mit vier Wohneinheiten und offenen Gärten untereinander wohnen, der Garten aber rundum von Gebäuden so eingeschlossen ist, dass da keine Katze einfach rauskommen kann, war auch trotz ihres jungen Alters (geschätzt 9 Monate bis einem Jahr) Freigang und Kontakt zu den Nachbarskatzen möglich, weswegen wir und auch das Tierheim kein Problem darin sahen, dass sie alleine zu uns kommt.

Es war so süß, wie meine Tochter sie aus dem Tierheim geholt hat und in den ersten Tagen sich in ihrem Zimmer um sie gekümmert hat. Wie sich Josy langsam im Haus umgesehen, immer freier und wohler gefühlt hat und viel schneller als gedacht schon friedlich zwischen uns auf der Couch lag um ihre Schläfchen zu halten. Meine Tochter war glücklich, wir haben uns alle über das neuen Familienmitglied gefreut und es schien, als ob meine jahrelangen Vorbehalte völlig umsonst waren.

Aber dann fing sich das Blatt langsam an zu wenden. Der erste Freigang im Garten lief noch ganz gut. Neugierig erkundete sie den Garten, bis sie später auf die Nachbarskatzen traf und da offenbar überhaupt keine Chemie besteht. Seit dem traut sie sich nur in Begleitung und nur kurz nach draußen. Drinnen fühlt sie sich zwar immer noch sehr wohl, spielte viel mit uns, ihrer heißgeliebten Maus und jagte sie um den Weinkarton und um den Kratzbaum. Aber sie vermisst offenbar auch passende Spielkameraden, denn immer häufiger spielte sie nun mit uns, wie mit Artgenossen. Von hinten anspringen, in die Füße beißen, kratzen - das alles wurde immer häufiger. Auch sonst verlor sie immer mehr die Hemmungen und versuchte alle Regale zu erklimmen und deren Inhalt zu inspizieren. Das weitete sich immer weiter aus und kostete Nerven. Zumal man das junge Ding jetzt auch kaum noch steicheln konnte, weil sie immer sofort in den Spielmodus gewechselt und nach einem gehakt hat. Wo sie in den ersten Wochen noch auf den Schoß gestiegen und sich eingemummelt und geputzt hat, wurde jetzt auch immer häufiger mit Krallen und Zähnen gearbeitet.

Das ganze hat dazu geführt, dass sich meine Tochter immer weiter von der Katze zurückgezogen hat, weil sie einfach Angst vor ihr hatte. Immer häufiger war die zuvor offenen Zimmertür geschlossen und jeder Annäherungsversuch von ihr wurde direkt mit Kralleneinsatz "bestraft".

Ich mach Josy hier keinerlei Vorwürfe, sie macht das, was Katzen in ihrem Alter halt so machen. Aber durch die immer wildere Art lagen die Nerven auch bei uns Erwachsenen immer mehr blank. Am letzten Samstag saß unsere Tochter dann am Abend neben mir auf der Couch und fing bitterlich an zu weinen. Sie fühlte sich total unglücklich, weil das mit Josy alles so schwierig geworden ist, sie und wir so gestresst sind. Eine knappe Stunde hat sie sich ausgeweint und es tat mir so weh und leid zu sehen, wie das, was sie sich so lange so sehr gewünscht hat, in eine total falsche Richtung geht.

Nach einem langen Spaziergang am Sonntag und einem "Familienrat" haben wir dann schweren Herzens beschlossen, Josy wieder abzugeben. Nach Abwägung aller Umstände scheint uns das für das Tier und für uns am besten zu sein. In einer Stunde haben wir den Termin, um sie wieder dort abzugeben, wo wir sie hergeholt haben. Und es zerreißt mir das Herz, meine Tochter zwischen Erleichterung und Trauer über den Verlust von Josy zu sehen. Ich sitze hier seit 6 Uhr im Home-Office flenne wie ein Schlosshund. Auch wenn wir alle mittlerweile zu dem Schluss gekommen sind, das wir wohl doch keine "Tierfamilie" sind und auch ein stückweit erleichtert sind, dass einiges von dem, was uns genervt hat bald Geschichte ist, kann ich mir trotzdem kaum vorstellen, wie es sein wird, sie im Tierheim zurückzulassen und dann in ein Haus ohne Tier zurückzukehren, dass einem morgens bereits um Futter bettelnd um die Bein streift, den Kratzbaum wieder durch die in Sicherheit gebracht Palme zu ersetzen, das Katzenklo ein letztes mal zu leeren und den Weinkarten, der unter einer Decke liegend so gerne "zerfleischt" wurde in die blaue Tonne zu werfen und nicht mehr täglich die Fetzen davon zusammenzukehren.

Ich hoffe sehr, das Josy einen neuen Platz findet, an dem sie mit Artgenossen so spielen kann, wie wir es nicht konnten. Und das sie schnell darüber hinwegkommt, auf einmal nicht mehr bei uns "in ihrem Revier", sondern in der relativ kleinen Box mit Katzenzimmer zu sein. Sie trifft an dem ganzen Dilemma keine Schuld und ich ärgere mich so über mich, das wir ihr das antun müssen.

Ich hoffe sehr, das meine Tochter diesen traurigen Blick bald wieder ablegen kann und mit positiven Gedanken an ihre Zeit mit Josy zurückdenken kann. Denn auch jetzt, obwohl sie gerade erst wieder von ihr angesprungen wurde, merkt man, wie leid es ihr tut, sie weggeben zu müssen, auch wenn sie selbst immer wieder sagt, wie genervt sie von ihr ist.

Sorry, das musste jetzt mal raus. Jetzt dürft ihr gerne mit schlauen Sprüchen kommen, wie unüberlegt das von uns doch am Ende war. Ist mir selbst auch bewusst, macht den Schmerz über die gesamte Situation aber gerade nicht besser.


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